Eine Initiative hat nachgezählt: Mehr als 10.000 Neubauwohnungen werden in der Stadt blockiert. Die Morgenpost nennt sieben Beispiele.
Die Initiative Neue Wege für Berlin hat ein „Schwarzbuch der Wohnungswirtschaft“ zusammengestellt, das in dieser Woche online geht. Darin sind bislang zehn Projekte mit insgesamt 10.702 Wohnungen versammelt, die „durch die Berliner Politik und Behörden verhindert oder verzögert“ worden sind.
„Berlin hat ein großes Problem. Der Stadt fehlen bezahlbare Wohnungen“, heißt es in dem Vorwort. Doch der Wohnungsneubau sei eine komplexe, erklärungsbedürftige und langwierige Angelegenheit. Häufig blockierten Anwohner oder Neubaugegner Planungsverfahren und Bauvorhaben und stellten sich gegen stadtplanerische Projekte. „In dieser schwierigen Lage ist es umso schädlicher, wenn Wohnungsbauvorhaben zusätzlich durch behördliches, politisches oder administratives Verhalten ausgebremst oder verhindert werden“, schreibt der Verein, der aktuell auch Unterschriften für eine Volksinitiative sammelt, die den Berliner Senat zum Bau von 100.000 bezahlbaren Wohnungen auffordert.
Am 30. März endet die Sammelfrist, bisher habe man schon 50.000 Unterschriften gesammelt. Das notwendige Quorum von 20.000 Unterschriften hat der Verein damit bereits deutlich überschritten. „Unser Schwarzbuch liefert Beispiele dafür, dass in Berlin viel mehr Wohnungen gebaut werden könnten“, sagt Vereinsmitglied Peter Kurth. Unter http://www.schwarzbuch-wohnungswirtschaft.de/ veröffentlicht der Verein die Fälle — und ruft dazu auf, weitere Beispiele zu melden.
Planungsstopp für 5000 Wohnungen in Pankow
2015 erklärte der Senat die landeseigene Wohnungsbaupotenzialfläche Elisabeth-Aue sowie angrenzende Verkehrsflächen zu einem Gebiet von außergewöhnlicher stadtpolitischer Bedeutung. Auf dem 70 Hektar großen Areal sollten ab 2019 bis zu 5000 neue Wohnungen entstehen. Im Koalitionsvertrag 2016 bis 2021 der neu gewählten Berliner Landesregierung wurde festgelegt: „Das Potenzialgebiet Elisabeth-Aue wird in dieser Legislaturperiode nicht weiter verfolgt.

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Zähe Umplanungen auf der Fischerinsel
2015 gewann ein Architekturbüro einen städtebaulichen Wettbewerb des Berliner Senats und der kommunalen WBM für die Planung einer Wohnbebauung auf der Fischerinsel in Mitte. Der Siegerentwurf sah die Errichtung eines Hochhauses mit 19 Etagen vor. Trotz einer Unterschrifteninitiative gegen die Hochhausentwicklung genehmigte die Senatsverwaltung die Planung im Herbst 2016. Im Oktober 2017 hatte der Aufsichtsrat des kommunalen Wohnungsunternehmens jedoch beschlossen, eine alternative Planungsvariante weiterzuverfolgen. Damit gab er dem Druck des Bezirksamts Mitte nach. Im Frühjahr 2018, also fast drei Jahre nach dem Abschluss des städtebaulichen Wettbewerbs, konnte der neue Planungsprozess aufgenommen werden.

Drei Jahre Stillstand für 260 Wohnungen und eine Kita
Mitte 2015 begann der Abriss der ehemaligen Bröndby-Oberschule an der Dessauer Straße in Lankwitz. 2016 wurde bereits die Baugrube ausgehoben. Dann passierte bis 2019 nichts. Der Grund war die ausstehende Baugenehmigung, die das Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf der kommunalen Degewo nicht erteilte. Als Grund nannte der Bezirk fehlende Zuarbeiten der Degewo. 2019 konnte das Projekt endlich beginnen. 260 Mietwohnungen und eine Kita werden errichtet.

Trotz Bürgerdialog: Verschiebung bis 2035
2014 startete die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung den Ideenwettbewerb „Wohnen an der Michelangelostraße“. Der städtebauliche Entwurf sieht die Errichtung einer Wohnanlage mit 1200 Wohneinheiten vor. In der aktuellen Koalitionsvereinbarung 2016-2021 wird das Projekt als „ökologisch-soziales Modellquartier“ aufgeführt. Ein aufwändiger Bürgerdialog wurde initiiert, der mehrfache Anpassungen der Planungen mit sich zog. Der Bau sollte ursprünglich 2017 beginnen, die Fertigstellung wäre dann 2020 erfolgt. Nun wurde die geplante Fertigstellung aber auf das Jahr 2035 verschoben. Als Gründe werden unter anderem die Neuaufnahme eines konkreten Planungsverfahrens und die schwierigen Verkehrsbedingungen angeführt.

Geruch verhindert Wohnungen
Für ein 25.000 Quadratmeter Großes Areal in Wilhelmsruh hatte Pankow 1992 ein Bebauungsplanverfahren eingeleitet. 400 Wohnungen sollten entstehen. Den Eigentümern teilte der Bezirk nun mit, dass aufgrund eines „Geruchsgutachtens“ die Notwendigkeit einer „Windfeldanalyse“, eine Änderung des Flächennutzungsplans und des Verkehrskonzepts unabdingbar seien. Bei dem Verfahren dränge sich der Eindruck auf, dass ein „Geruchsgutachten“ als Vorwand für die Verhinderung von Wohnraum diente.

Später Denkmalschutz verhindert 50 Wohnungen
2018 erwarb ein privater Projektentwickler ein Doppelgrundstück in der Görresstraße, auf dem bis auf einen Baukörper alle Bebauungen zugunsten eines Neubaus mit 50 Wohnungen abgerissen werden sollten. Damit sollte gleichzeitig die Baulücke zur Randbebauung geschlossen werden. Der zuständige Stadtentwicklungsstadtrat erteilte dem Projektentwickler, der Bauwert AG, einen Bauvorentscheid. Nachbarn wehrten sich jedoch gegen die Bebauung und argumentierten, dass die Bebauung eigentlich unter Denkmalschutz stehen müsse, woraufhin der Stadtentwicklungsstadtrat das Landesdenkmalamt informierte. Dieses stellte die Bebauung im Frühsommer 2019 unter Schutz, womit die Planung des Projektentwicklers hinfällig wurde.

Nachverhandlungen in letzter Minute
2018 schloss die Bonava einen städtebaulichen Vertrag mit dem Bezirk Lichtenberg, in dem auch der Anteil an Sozialwohnungen geregelt wurde. Der Bebauungsplan für die Parkstadt Karlshorst, der im Oktober 2019 nach mehrjähriger Planung in der BVV beschlossen werden sollte, wurde von den Linken abgelehnt, weil der Anteil an Sozialwohnungen zu gering sei. Die Gesetzeslage hatte sich im Herbst 2018, nach Unterzeichnung des städtebaulichen Vertrags, geändert. Im Kern ging es um 35 Sozialwohnungen, die zusätzlich zu den bereits geplanten 252 Sozialwohnungen entstehen sollten. Vier Wochen später gab es dann eine neue Abstimmung, bei der sich die Hälfte der Linken enthielt. So konnte der Bebauungsplan mit insgesamt 1008 Wohnungen doch noch genehmigt werden. Die BVV muss künftig über städtebauliche Verträge abstimmen, was Bauen komplizierter machen wird.