Berlin . Viele Arzt-Stellen sind in den Gesundheitsämtern nicht besetzt. Zudem herrscht Verwirrung bei den Infektionstests. Wer bezahlt sie?
Bei einem Ausbruch des Coronavirus in Berlin droht offenbar schnell eine Überforderung der zuständigen Behörden. Martina Hänel, leitende Amtsärztin im Gesundheitsamt Marzahn-Hellersdorf, sagte der Berliner Morgenpost: „Die Hälfte der 22 Arztstellen ist aktuell nicht besetzt.“ Bis Mitte des Jahres würden sich zudem zwei weitere Ärzte in den Ruhestand verabschieden. Dabei sind die Amtsärzte entscheidend, um eine Ausbreitung einzudämmen.
Zu den Aufgaben der Amtsärzte gehört beispielsweise die Verhängung von Quarantäne im Verdachtsfall. So sind aktuell zwei Menschen, die auf einem Kreuzfahrtschiff waren, auf dem es mehrere Coronafälle gab, unter häusliche Quarantäne gestellt. Die Überwachung der Quarantäne stellt ein Amtsarzt sicher. Er kümmert sich auch darum, dass Proben genommen und Befunde analysiert werden. Doch auf diese zusätzlichen Aufgaben – möglicherweise im zwei- oder dreistelligen Bereich – sind die Amtsärzte in Berlin nicht eingestellt.
Coronavirus: Gesundheitsamt in Marzahn-Hellersdorf ist schon jetzt überlastet
Denn schon jetzt arbeitet das Amt an der grenze der Belastbarkeit. „Wir können aktuell nur Aufträgen mit hoher Priorität nachkommen“, sagt Hänel. Dazu gehören etwa Einschulungsuntersuchungen. Routine-Begehungen, wie die regelmäßige Kontrolle der Hygiene in Krankenhäusern, müssten momentan ausfallen. „Die Grippewelle macht uns zu schaffen“, so Hänel weiter. „Mit Einführung der Masern-Impfpflicht ab März werden wir ziemlich überlastet sein.“
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Sollten sich Infektionskrankheiten wie das Coronavirus ausbreiten, weiß man im Bezirk nicht, wie die Situation mit nur zehn Mitarbeitern bewältigt werden soll. „Die Hygiene-Abteilung ist bei uns nicht besetzt“, sagt Hänel. Bereits jetzt bekommen die Amtsärztin und ihre Kollegen regelmäßig Anfragen von Bürgern, die sich nach dem Coronavirus erkundigen. „Wir sind schon mittendrin“, sagt sie. Denn: „Bei Verdachtsfällen sind wir es, die entscheiden, ob jemand in Quarantäne gehen muss oder einen Abstrich durchführen sollte.“
Hunderte Vollzeitstellen sind in Gesundheitsämtern unbesetzt
Fällt ein Labortest positiv aus, würde das Gesundheitsamt zudem über weitere Maßnahmen des Infektionsschutzes entscheiden. Auch Menschen, die keinen Hausarzt in der Stadt haben, wenden sich ans Gesundheitsamt. Mit dem Personalproblem steht Marzahn-Hellersdorf nicht allein da. Hunderte Vollzeitstellen sind in den Berliner Gesundheitsämtern aktuell nicht besetzt. Davon sind 55 Stellen für Ärzte vakant.
Die Senatsgesundheitsverwaltung betonte in den vergangenen Tagen wiederholt, dass man auf einen möglichen Ausbruch des neuartigen Virus’ gut vorbereitet sei. Noch sind in Berlin keine Fälle nachgewiesen worden.
Allerdings gibt es auch bei dem Testverfahren erhebliche Probleme. Ein Berliner berichtete dem Rundfunk Berlin-Brandenburg, er habe sich nach seiner Italienreise auf das Virus testen lassen wollen, was sich als ziemlich kompliziert herausstellte. Zunächst sei er nach 68 vergeblichen Anrufen bei der Corona-Hotline an seinen Hausarzt verwiesen worden. Dieser habe ihn aus Angst vor einer Ansteckung abgelehnt. In der Charité wollten sie den Mann nur dann testen, wenn er die Kosten für den Test in Höhe von 300 Euro selbst trage. Die Begründung lautete, dass der Corona-Schnelltest Menschen vorbehalten sei, die tatsächlich einen Kontakt zu infizierten Personen gehabt hätten.
Unklar, wer Tests auf Coronaviren bezahlt werden sollen
Genau das ist offenbar ein Problem. Denn noch ist nicht geklärt, wie die Tests auf Coronaviren bezahlt werden sollen. „Es kann sich nicht jeder auf Wunsch testen lassen“, erklärte Romina Rochow, Pressesprecherin von den DRK Kliniken Berlin. Nach Informationen dieser Zeitung verweist die Kassenärztliche Vereinigung darauf, dass Hausärzte Tests nur dann abrechnen können, wenn spezielle Kriterien erfüllt werden.
So müssen Verdachtspersonen in einem Risikogebiet wie im chinesischen Wuhan gewesen sein und Kontakt mit einer infizierten Person gehabt haben. Nach dem Ausbruch in Italien könnten aber die Infektionswege auch anders verlaufen. Doch die Ärzte und Kassen sind mit ihren Abrechnungssystemen noch nicht auf die aktuelle Entwicklung eingestellt. Mit Folgen für die Berliner: Wer sich testen lassen will und nicht die Kriterien (Wuhan, mit nachweislich Infizierten in Kontakt) erfüllt, muss den Coronavirentest aus eigener Tasche bezahlen.
In mehreren Gesundheitsämtern nahmen die Amtsärzte bei Verdachtsfällen Abstriche und ordneten in Einzelfällen häusliche Isolierung an. In Neukölln handelt es sich um eine Person, die gerade aus Oberitalien zurückgekommen sei. Einen bestätigten Fall mit Coronavirus gibt es nach Auskunft von Gesundheitsstaatssekretär Martin Matz in Berlin noch nicht.
Nach Informationen dieser Zeitung tagte dazu am Dienstag auch ein Krisenstab der Senatsverwaltung für Gesundheit. Informationen, wie die Untersuchungen nun laufen sollen, soll es erst frühestens an diesem Mittwoch geben.