Hass

Blogger muss Renate Künast 10.000 Euro zahlen

| Lesedauer: 4 Minuten
Philipp Siebert und Joachim Fahrun
Wehrt sich gegen Hasskommentare im Netz: Renate Künast.

Wehrt sich gegen Hasskommentare im Netz: Renate Künast.

Foto: Soeren Stache / dpa

Ein Rechtsextremer beleidigte Renate Künast im Internet. Die ging bis vor das Frankfurter Landgericht. Dort hat sie gewonnen.

Berlin. Renate Künast hat in ihrem Kampf gegen Beleidigungen im Internet wichtige Erfolge errungen. Die Berliner Bundestagsabgeordnete und Ex-Landwirtschaftsministerin hat zwei Prozesse wegen der Hetz-Posts gewonnen.

Das Landgericht Frankfurt am Main verurteilte die Urheber zu Schadensersatz. So muss der Büroleiter des AfD-Bundestagsabgeordneten Leif-Erik Holm 3000 Euro bezahlen. Er hatte einen Tweet gepostet, bei dem er den Eindruck erweckte, die Grünen-Politikern befürworte Sex von Erwachsenen mit Kindern, solange keine Gewalt im Spiel sei.

Renate Künast: Landgericht Berlin hatte zunächst keine Beleidigungen gesehen

Noch teurer wird es für den Urheber der Kampagne, die im vergangenen Herbst für Schlagzeilen sorgte, nachdem das Landgericht Berlin zunächst in Begriffen wie „Drecks-Votze“ und „Stück Scheisse“ keine Beleidigungen erkennen wollte. Der in Halle (Sachsen-Anhalt) einschlägig als Rechtsextremist bekannte Sven Liebich wurde zu 10.000 Euro Schadensersatz verurteilt und muss auch die Prozesskosten von 1800 Euro sowie Künasts Ausgaben für ihren Anwalt tragen.

Er hatte 2016 in seinem Blog „Halle Leaks“ ein Bild Künasts und einen Beitrag über sie veröffentlicht und damit 85.000 Interaktionen ausgelöst. Die Überschrift lautete: „Komma, wenn keine Gewalt im Spiel ist, ist der Sex mit Kindern doch ganz Okay. Ist mal gut jetzt.“

Auf Facebook hatten 22 Nutzer diese Geschichte zum Teil mit unflätigen Worten kommentiert. Als Künast von Facebook die Herausgabe der Nutzer-Daten verlangte, lehnten die Richter das ab mit dem Argument, die Beiträge seien „keine Diffamierungen der Person“ und „damit keine Beleidigungen“. Alle Kommentare wiesen einen Sachbezug auf, so das Landgericht. Gegen diese Entscheidung hatte Künast Beschwerde eingelegt. Das Landgericht korrigierte daraufhin im Januar seinen Beschluss. Sechs Kommentare wurden dann doch als Beleidigungen eingestuft.

30 Jahre alter Zwischenruf von Renate Künast aus dem Zusammenhang gerissen

Liebich bezog sich mit seinem ursprünglichen Post auf einen Artikel in der „Welt“. Dort ging es 2015 im Zusammenhang mit der Diskussion um die Position der frühen Grünen zur Pädophilie um eine Debatte im Berliner Abgeordnetenhaus im Mai 1986. Dort redete eine grüne Fraktionskollegin zum Thema häusliche Gewalt.

Ein CDU-Abgeordneter stellte die Zwischenfrage, wie sie zum Beschluss der nordrhein-westfälischen Grünen stehe, Geschlechtsverkehr mit Kindern zu entkriminalisieren. Laut Bericht rief Künast dann dazwischen: „Komma, wenn keine Gewalt im Spiel ist.“ Liebich hat diese Aussage in seinem Post um „...ist Sex mit Kindern doch ganz ok“ ergänzt.

Die Frankfurter Richter folgten Künasts Argument, ihr Satz sei aus dem Zusammenhang gerissen und bewusst missverstanden worden, wie sie auch gegenüber der Zeitung klargestellt habe. Zudem habe der Blog-Autor nicht erkennen lassen, dass die Aussage schon mehr als 30 Jahre zurück liegt. Außerdem erwecke der Post in Verbindung mit dem Bild der Politikerin den Eindruck, Künast habe die gesamte Aussage getätigt.

Künasts Anwalt kündigt weitere Klagen an

Künasts Anwalt Severin Riemenschneider sagte, die 10.000 Euro Schadensersatz seien ein „deutliches Signal“, für einen Blog-Betreiber liege die Summe vergleichsweise hoch. Man habe weitere mutmaßliche Urheber von Hass-Posts im gleichen Zusammenhang ermittelt und weitere Klagen eingereicht. Die Verfahren würden aber voraussichtlich erst für den Herbst terminiert.

Renate Künast wurde in ihrem Kampf vor Gericht von der gemeinnützigen Organisation „Hate Aid“ unterstützt, die sich gegen Hass und Hetze im Netz einsetzt. Geschäftsführerin Anna-Lena von Hodenberg freute sich über den „Rückenwind“ durch das Urteil. Die 10.000 Euro werde man nutzen, um auch weitere Prozesse für Angegriffene zu finanzieren.

„Falschzitate im Netz können Leben ruinieren“, sagte Hodenberg: „Sie werden tausendfach verbreitet, geteilt, und die Lügen bleiben oft für immer an den Betroffenen hängen. Wer anderen so etwas antut, muss dafür teuer bezahlen. Das hat dieses Urteil klar gezeigt.“

Update: In einer früheren Version des Artikels hatten wir geschrieben, Renate Künast habe Hate Aid mitgegründet. Das trifft nicht zu. Ferner ist Hate Aid kein Verein, sondern hat die Rechtsform der gGmbH.