Berlin. Der Senat will bis spätestens Donnerstag eine Lösung für die verkorkste Ausschreibung zum Schulessen vorlegen. Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) forderte die beteiligten Verwaltungen am Dienstag in der Senatssitzung auf, bis zu diesem Termin einen Ausweg gefunden zu haben. Am Wochenende war bekannt geworden, dass der Senat in seiner Ausschreibung für das Schulessen an Berliner Grundschulen von den Caterern nicht den vom Land verabredeten Vergabemindestlohn in Höhe von 12,50 Euro für ihre Mitarbeiter verlangt, sondern den derzeit noch geltenden in Höhe von neun Euro.
Seitdem beraten die zuständige Bildungs- und für Ausschreibungen zuständige Wirtschaftsverwaltung darüber, wie dieser Fehler korrigiert werden kann. Die Lage ist kompliziert, da elf der zwölf Bezirke die Ausschreibungen bereits auf den Weg gebracht haben und sie nicht wieder ohne Zeitverzug gestoppt werden können. Zum neuen Schuljahr müssen die künftigen Caterer gefunden sein.
Im Senat werden verschiedene Varianten diskutiert
Im Senat wurden nun verschiedene Lösungsmöglichkeiten diskutiert, um dieses Versehen zu korrigieren. Eine Entscheidung wurde allerdings nicht getroffen. Demnach wird derzeit überlegt, die bestehenden Verträge um ein Schulhalbjahr zu verlängern, um so Zeit für eine neue Ausschreibung zu gewinnen. Dann könnte die neue Vergabe mit den vorgeschriebenen 12,50 Euro zum übernächsten Schulhalbjahr eingeführt werden.
Die Ausschreibung der Schulessen sieht nur neun statt 12,50 Euro vor
Die Bildungsverwaltung würde stattdessen gern das Vergabegesetz ändern, um so rückwirkend die Bezahlung von 12,50 Euro sicherzustellen. Das wurde nach Angaben von Senatsmitgliedern allerdings zurückhaltend aufgenommen. Als weitere Möglichkeit werde geprüft, nach dem Ende der aktuellen Ausschreibung mit den Firmen, die den Zuschlag erhalten, eine verbindliche Verabredung zu treffen, den vom Land geforderten neuen Mindestlohn zu zahlen. Denkbar ist auch, Gleitklauseln in den neuen Verträgen zu verankern, die die Zahlung schrittweise auf den neuen Mindestlohn anheben.
Im Dezember vergangenen Jahres hatte das Land einen neuen Mindestlohn für Firmen beschlossen, die Aufträge des Landes erfüllen. Er liegt derzeit noch bei neun Euro je Stunde und soll auf 12,50 Euro angehoben werden. Das Gesetz ist allerdings noch nicht verabschiedet. Im Sommer, wenn die neuen Caterer für das Schulessen gefunden sind, wird es aber gelten. In der Koalition ist nun ein Streit darüber ausgebrochen, wer den Fehler zu verantworten hat.
Bildungsverwaltung gegen Wirtschaftsverwaltung: Es ist ein Streit über die Zuständigkeit ausgebrochen
Formal ist die Bildungsverwaltung zuständig. Doch Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) will nur für die qualitativen und quantitativen Vorgaben des Schulessens verantwortlich sein und verweist auf die Vergabekammer, die bei der Wirtschaftsverwaltung angesiedelt ist. Doch die sieht weiter die Bildungsverwaltung als federführend an. „Wir haben alles dafür getan, dass das Vergabegesetz mit dem neuen Vergabemindestlohn von 12,50 Euro schnellstmöglich in Kraft treten kann“, sagte Verwaltungssprecherin Svenja Fritz am Dienstag.
Jetzt seien der Rat der Bürgermeister und das Abgeordnetenhaus am Zuge. „Die Bildungsverwaltung muss bei ihrer Ausschreibung dafür Sorge tragen, dass der höhere Mindestlohn berücksichtigt wird.“ Da nicht genau bekannt gewesen sei, wann die Bildungsverwaltung die Ausschreibung auf den Weg bringe, habe in der Vergabekammer der aktuelle geltende Mindestlohn berücksichtigt werden müssen.
Kritik von Gewerkschaften, Unternehmen und Opposition an Schulessen
Gewerkschaften, Unternehmen und Opposition sind gleichermaßen in Aufruhr. Womöglich sorgen dieser und andere Formfehler dafür, dass die Ausschreibung scheitert und das inzwischen vollständig vom Senat bezahlte Essen für 300.000 Grundschüler ab dem Sommer nicht wie geplant geliefert werden kann, heißt es. Die Aufträge sollen bis 2024 vergeben werden. Insgesamt geht es um eine halbe Milliarde Euro für die Caterer.
Die Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG) geht von bis zu 10.000 Mitarbeitern aus, die nun womöglich mit weniger Geld auskommen müssen, als die rot-rot-grüne Regierungskoalition ihnen eigentlich zugestehen will. Die Caterer seien nicht tarifgebunden, sodass eine Lohnuntergrenze sehr hilfreich wäre, vermutet die Gewerkschaft. Gerade das Personal, das in den Schulen die Portionen austeilt, verdiene selten mehr als neun Euro.
Schulessen in Berlin: DGB fordert Stopp der Ausschreibung
Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund zeigt sich entsetzt. Der Senat müsse die Ausschreibung stoppen oder mit entsprechenden Klauseln für eine Korrektur sorgen, forderte Berlins DGB-Chef, Christian Hoßbach.
Die neue Ausschreibung war nötig geworden, weil ab August 2020 neue Bedingungen für die Schulcaterer gelten sollen. So erhöht sich der Bio-Anteil der Essen auf 30 Prozent, und die „Stärkbeilagen“ – also Nudeln, Kartoffeln und Reis – dürfen nur noch in Bioqualität angeboten werden. Dafür erhalten die Caterer mehr Geld. Pro Portion sind es nun nicht mehr wie derzeit 3,25 Euro, sondern 4,09 Euro – eine Steigerung um 25 Prozent.
Das Land gibt 145 Millionen Euro für Schulessen aus
Ab August 2021 geht es weiter hoch, auf 4,36 Euro. Dafür soll dann aber der Bio-Anteil auch schon bei 50 Prozent liegen. In allen Preisberechnungen ist bereits eine Entlohnung der Mitarbeiter von 12,50 je Stunde enthalten. Das Geld wurde auch in dieser Höhe vom Hauptausschuss freigegeben. Die Beitragsfreiheit kostet Berlin ab 2021 jährlich 145 Millionen Euro. Das kostenlose Mittagessen für Grundschüler wurde für das aktuelle Schuljahr im Sommer 2019 eingeführt.