Berlin. „Wir wollen die allseitige Verunsicherung überwinden“, sagt CDU-Fraktionschef Burkard Dregger und kündigt eine Normenkontrollklage an.
Es war der Versuch, die Spannung hochzuhalten bei einem Schritt, der längst angekündigt war. Wenige Minuten, nachdem das Berliner Abgeordnetenhaus am Donnerstagmittag für den Mietendeckel gestimmt hatte, luden die Fraktionen der CDU und FDP zum Pressegespräch am kommenden Vormittag. Thema: „Normenkontrollverfahren zum Mietendeckel beim Verfassungsgerichtshof von Berlin“. Heißt, das neue Gesetz zur Mietenbegrenzung wird auf seine Verfassungsrechtlichkeit überprüft. So viel, so bekannt.
Aber angekündigt war neben den Fraktionschefs und Fachsprechern „ein weiterer Gast“, ein „exzellenter Jurist“, wie es in der Einladung hieß. Der Prozessbevollmächtigte sollte vorgestellt werden, also der Mann, der jenes Gesetz stoppen soll, das FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja als „größten Tabubruch der jüngsten Geschichte“ bezeichnet.
Und so las am Freitagvormittag der Vorsitzende der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Burkard Dregger, die Vita von Professor Dr. Foroud Shirvani vor und sparte nicht mit Superlativen. Der 46-Jährige hat in München beim ehemaligen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, habilitiert, leitet den Lehrstuhl für Öffentliches Recht an der Universität Bonn, spezialisierte sich auf Fragen der Grund- und Eigentumsrechte – und wohnt laut eigenen Angaben selbst zur Miete. „Seine Expertise“, so sagte es Dregger, „liegt fern jeglicher politischer Auseinandersetzung.“
Professor Dr. Foroud Shirvan sieht Zuständigkeit beim Gesetzgeber des Bundes
Sein Standpunkt zum Mietendeckel allerdings ist klar und deckt sich mit den Ansichten von Christdemokraten und Liberalen. Shirvani sagt: „Das Land Berlin greift mit dem Gesetz in verfassungswidriger Weise in die Gesetzgebungskompetenz des Bundes ein.“ Denn, so argumentiert Shirvani, Mietrecht ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) festgeschrieben und somit Sache des Bundes. Das sogenannte abstrakte Normenkontrollverfahren beim Verfassungsgericht des Landes, mit dem Abgeordnete mit einer Einviertel-Mehrheit im Parlament eine Prüfung von Gesetzen bewirken können, sieht zwei Aspekte der Untersuchung vor: Neben der Frage, ob das Land unerlaubt in Gesetze des Bundes eingreift, geht es darum, ob der Mietendeckel gegen die Berliner Verfassung verstößt.
Auch hier ist Shirvani kompromisslos. Er sieht einen „unzumutbaren Eingriff“ in Eigentumsrechte. Zudem würde der sogenannte Vertrauensgrundsatz der Berliner Landesverfassung verletzt. Der besagt, etwas verkürzt, dass sich Bürger darauf verlassen können müssen, dass Regeln gelten und ihr Verhalten nicht nachträglich als gesetzeswidrig erklärt werden kann. Genau das bewirkt jedoch laut Jurist Shirvani der Passus im Gesetz, der die Mieten rückwirkend auf den Stand vom 18. Juni 2019 einfriert.
Die Kläger können beim Verfassungsgericht einen Antrag auf einstweilige Anordnung stellen. Gibt das Gericht diesem Eilantrag statt, hieße das: Bis die Verfassungsrechtlichkeit geklärt ist, wird das Gesetz aufgeschoben.
Klage gegen Mietendeckel: „Auf jeden Fall vor der parlamentarischen Sommerpause“
Ob die Parteien diesen Schritt aber gehen, wollte der parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion, Stefan Evers, nicht eindeutig beantworten. Man werde aber, so sagte es Fraktionschef Dregger, die Klage ohne Verzögerung und mit der notwendigen Sorgfalt verfassen. Wann genau? „Auf jeden Fall vor der parlamentarischen Sommerpause“, so Dregger. Und Evers ergänzte: „Es handelt sich hier um ein Verfahren für die rechtsgeschichtlichen Analen“, der Antrag werde „extrem umfangreich“. FDP-Fraktionschef Czaja sagte: „Wir sind es den Mieterinnen und Mietern in dieser Stadt schuldig, so schnell wie möglich Rechtssicherheit zu schaffen.“
Parallel zur Klage in Berlin hat der Berliner CDU-Abgeordnete im Bundestag, Jan-Marco Luczak, die Normenkontrolle vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe angekündigt. Man sei in enger Abstimmung mit der Bundestagsfraktion, versicherte der parlamentarische Geschäftsführer Evers am Freitag.
Parallele Verfahren zu ein und demselben Gesetz sind möglich, allerdings könnte es je nach Ausgang des Verfahrens in Berlin sein, dass das zweite Verfahren eingestellt wird – oder, dass Karlsruhe das letzte Wort behält.
BM