Berlin. Berlin setzt auf „multiprofessionelle Teams“ auch für die ganz Kleinen - darunter zunehmend Quereinsteiger.

Die Kitas der Hauptstadt werden immer bunter – zumindest, was das Personal angeht. Nur noch 69,7 Prozent der pädagogischen Fachkräfte, die dort die Kinder betreuen, sind klassisch ausgebildete Erzieher. Vor zwei Jahren, 2017, betrug der Anteil noch 74,1 Prozent. Grund dafür ist nicht etwa, dass die Zahl der Erzieherinnen und Erzieher, die in den Berliner Kitas arbeiten, abgenommen hat. Im Gegenteil. Waren es 2018 noch 21.753 klassische Erzieher, sind es 2019 schon 22.701, also tausend Erzieher mehr. Warum also der sinkende Anteil?

Der Grund liegt in der Zunahme von Mitarbeitern aus „multiprofessionellen Teams“. Das ergab eine parlamentarische Anfrage der Abgeordneten Marianne Burkert-Eulitz (Grüne). „Mit der in Kraft getretenen Erweiterung der Regelungen zur Anerkennung von Fachkräften für Tageseinrichtungen und der damit einhergehenden Ausweitung des Quereinstiegs hat die Arbeit in und mit multiprofessionellen Teams in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen“, heißt es in der Antwort der Anfrage durch die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie. Sprich: Die Zahl der Mitarbeiter, die einen anderen beruflichen oder pädagogischen Hintergrund haben, steigt.

Kitas in Berlin: Die Gruppe „sonstige Berufsausbildung“ wächst an

Beispielsweise verdoppelte sich die Zahl der Sozialassistenten in zwei Jahren auf 736. Anders als bei der Erzieherausbildung ist hier kein Abitur Voraussetzung, sondern es reicht ein Mittlerer Schulabschluss (MSA) oder eine Berufsbildungsreife (BBR), die dem früheren Hauptschulabschluss entspricht. Allerdings dürfen Sozialassistenten nur begrenzt in Kitas eingesetzt werden, also beispielsweise nicht alleinverantwortlich eine Gruppe betreuen. Auch die Gruppe der „sonstigen sozialpädagogischen Kurzausbildungen“ oder „sonstigen Berufsbildungsabschlüsse“ hat zugenommen.

Die größte wachsende Gruppe ist allerdings die der „noch in Berufsausbildung“ befindlichen – also der fachfremden Quereinsteiger. Ihr Anteil beträgt 12,4 Prozent des Kita-Personals, in absoluten Zahlen sind das 4032 neue Mitarbeiter. Sie machen eine berufsbegleitende Ausbildung zur Erzieherin oder zum Erzieher, besuchen nur an zwei Tagen die Fachschulen. Die klassische Erzieherausbildung findet dagegen – außer in den Praktikumsphasen – ausschließlich in den Fachschulen für Sozialpädagogik statt. Dann gibt es noch die Quereinsteiger aus den „verwandten Berufen“ wie Ergotherapie und Logopädie, die lediglich eine gewisse Anzahl an Weiterbildungsstunden machen müssen, um danach als vollwertige Erzieher zu gelten.

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Burkert-Eulitz: „Teamarbeit braucht Zeit“

Die Abgeordnete Burkert-Eulitz fordert angesichts der Vielzahl der Berufsfelder, die inzwischen in der Kita aufeinandertreffen, eine bessere Verzahnung der Mitarbeiter untereinander. „Teamarbeit braucht Zeit“, sagt Burkert-Eulitz. Und oft Zeit, die nicht unmittelbar mit der Kinderbetreuung zu tun habe. „Deshalb müssen wir uns zukünftig darüber Gedanken machen, wie eine bessere Anrechnung der mittelbaren pädagogischen Arbeit möglich ist.“ Gerade hat die Senatsverwaltung für Bildung die „Anleitungsstunden“ – also Betreuungsstunden – für Kita-Erzieher hochgesetzt, in denen sie Quereinsteigende ungestört begleiten können.

Kritik kommt von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Maximal 33 Prozent „fachfremdes Personal“ dürfe in einer Kita eingesetzt werden. „Gerade freie Träger machen davon Gebrauch“, sagt die Berliner GEW-Vorsitzende Doreen Siebernik. Denn häufig zahlten sie unter Tarif und kämen so auf dem Arbeitsmarkt schlechter an gut ausgebildete Erzieher. Die GEW klagt auch, dass Quereinsteigende genauso wie die nur kurz ausgebildeten Sozialassistenten im System sofort als vollwertige Fachkräfte liefen.

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Grundsätzlich sei man „multiprofessionellen Teams“ mit einer Förderung des Quereinstiegs gegenüber aufgeschlossen. „Von den Menschen her ist es für die Kitas oft eine Bereicherung, was allerdings die pädagogische Ausbildung angeht, sind es Lernende“, sagt Siebernik. Deshalb dürfe man sie nicht gleich zu 100 Prozent auf den Personalschlüssel anrechnen, nur damit die Statistik stimmt.

Laut Senatsverwaltung für Bildung weitere rund 3000 Erzieher nötig

Der Druck auf den Kitaausbau in Berlin ist weiterhin groß, Kitaplätze werden in größerer Zahl gebraucht. Die Senatsverwaltung für Bildung geht davon aus, „dass in den nächsten zweieinhalb Jahren voraussichtlich weitere rund 3000 Erzieher (Vollzeitstellen)“ benötigt werden.

Allerdings ist es schwer, diese Stellen zu besetzen. Im Durchschnitt dauere es 101 Tage, so eine aktuelle Analyse des Instituts für Arbeitsmarkt- und Bildungsforschung, bis Kitaträger eine freie Stelle wieder besetzen können. „Die bestehende Mangelsituation ist nicht wünschenswert“, räumt auch die Senatsverwaltung für Bildung ein.