Berlin. Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) hat einem Vorschlag der Berliner SPD widersprochen, wonach künftig Start-ups nur noch mit öffentlichen Fördermitteln unterstützt werden sollen, wenn sie Betriebsräte zulassen und der Tarifbindung unterliegen. Berlins Start-up-Szene sei ein wichtiger Treiber der wirtschaftlichen Entwicklung, die jedes Jahr 50.000 neue Arbeitsplätze schaffe, sagte Pop der Berliner Morgenpost.
„Natürlich tragen auch junge Unternehmen Verantwortung für ihre Mitarbeiter. Start-ups stehen in ihrer Gründungsphase jedoch vor zahlreichen finanziellen und organisatorischen Herausforderungen. Zusätzliche Auflagen in dieser Startphase sind nicht hilfreich, wenn man die Innovationskraft und Dynamik des Wirtschaftsstandorts Berlin erhalten will“, erklärte die Grünen-Politikerin weiter.
Pop reagierte damit auf einen Vorstoß der stellvertretenden SPD-Landevorsitzenden Ina Czyborra. Die Sozialdemokratin, die auch Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses ist, hatte angeregt, die Start-up-Förderung künftig an „Kriterien guter Arbeit“ zu koppeln. „Künftig sollte es weder direkte noch indirekte Förderung für Unternehmen ohne Tarifbindung und betriebliche Mitbestimmung geben“, so Czyborra in einer Mitteilung. Faire Arbeitsbedingungen dürften nicht zugunsten des Wachstums auf der Strecke bleiben, erklärte sie.
Start-up-Szene gilt als Aushängeschild für Berlin
Der Vorstoß der Regierungspartei überrascht durchaus. Berlins Start-up-Szene gilt deutschlandweit als Aushängeschild. Nirgendwo sonst haben junge Unternehmen derart guten Zugang zu gut ausgebildeten Fachkräften und zu Risikokapital. Allein im vergangenen Jahr flossen an die Start-ups in der deutschen Hauptstadt rund 3,7 Milliarden Euro von Investoren. Auch weltweit ist das Start-up-Ökosystem Berlin angesehen. Einen Status, den der Bundesverband Deutsche Start-ups nun bedroht sieht.
Generell hätten die jungen Firmen eine andere Unternehmenskultur als Siemens oder die Deutsche Bahn, sagte Christoph Stresing, Geschäftsführer Politik des Verbands. „Die Hierarchien sind flach, Mitarbeiter haben extrem großen Einfluss auf die Firmenpolitik. Eine Tarifbindung spielt hier keine große Rolle. Betriebsräte sind eher eine Seltenheit. Aber nicht, weil sie verhindert werden sollen, sondern weil in Start-ups andere Einfluss- und Beteiligungsmechanismen greifen“, sagte er. So würden Start-ups ihre Mitarbeiter auch am Unternehmen beteiligen und so eine Teilhabe an dem wirtschaftlichen Erfolg gewährleisten.
Bundesverband kritisiert den SPD-Vorschlag
Den Vorschlag der Berliner SPD bezeichnete Stresing als „völlig fehl“. „Kein Start-up-Mitarbeiter würde davon profitieren, aber das gesamte Berliner Start-up-Ökosystem wäre geschwächt“, sagte Stresing. Unverständlich seien die Forderungen der Sozialdemokraten insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Start-up-Förderung des Landes Berlin eigentlich intensiviert werden solle. „Würde diese Idee jedoch umgesetzt, könne kaum ein Berliner Start-up Förderungen des Landes Berlin erhalten. Die Konsequenzen für den Start-up-Standort wären katastrophal, Berlin würde seinen Jobmotor verlieren und die erzielten wirtschaftlichen Erfolge wieder verspielen“, erklärte der Verbands-Chef. Die SPD sollte von dem Vorschlag deswegen schnell Abstand nehmen.
Auch die FDP-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus kritisierte die SPD-Forderung scharf. Der Vorschlag zeige in erschreckender Weise, dass der wirtschaftspolitische Sachverstand der SPD im rasenden Tempo abhandengekommen sei, sagte der wirtschaftspolitische Sprecher der Partei, Florian Swyter. „Der Vorschlag offenbart eine große Ahnungslosigkeit, weil schon die Vorgabe der Tarifbindung für viele Start-ups mangels einschlägiger Branchentarifverträge nicht umgesetzt werden könnte“, erklärte er. In der herausfordernden Gründungsphase hätten zudem die allermeisten Start-ups und auch deren Angestellten wenig Lust, Betriebsräte zu gründen, so Swyter. „Sollte dieser Vorschlag umgesetzt werden, würden viele Start-ups Berlin den Rücken kehren, denn Alternativen bieten auch andere Städte in Europa“, sagte er. Der Senat sei nun gefordert, den Plänen eine klare Absage zu erteilen.
Berlin gibt viel Fördermittel für Gründer aus
Christian Hoßbach, Landeschef des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), empfahl, genau hinzuschauen. „Gute Arbeitsbedingungen müssen auch Start-ups interessieren“, so Hoßbach. Aber selbstverständlich mache es einen Unterschied, ob es sich um dreiköpfige Neugründung oder ein 300-köpfiges, sich jung fühlendes Unternehmen handele, sagte der Gewerkschafter.
Bei der Berliner Start-up-Förderung geht es durchaus um viel Geld. Allein durch die Investitionsbank Berlin (IBB) wurden 2018 Fördermittel in Höhe von 63,7 Millionen Euro für Gründungsvorhaben ausgegeben. Hinzu kommt das sogenannte Berliner Start-up-Stipendium, das seit 2014 mehr als 1300 Unternehmensgründer in der Stadt mit rund 40 Millionen Euro unterstützt hat.