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Spirituosen-Start-up trifft Geschmack des Bundespräsidenten

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Dominik Bath
Früher Modefotograf, heute Unternehmer: Tim Müller ist Geschäftsführer der Deutschen Spirituosen Manufaktur, die ihren Sitz im Berliner Bezirk Marzahn-Hellersdorf hat.

Früher Modefotograf, heute Unternehmer: Tim Müller ist Geschäftsführer der Deutschen Spirituosen Manufaktur, die ihren Sitz im Berliner Bezirk Marzahn-Hellersdorf hat.

Foto: Sergej Glanze / FUNKE Foto Services

Die Deutsche Spirituosen Manufaktur stellt mehr als 100 verschiedene Brände und Geiste her. Zu den Abnehmern zählt Schloss Bellevue.

Berlin. Am Silvesterabend hatte Tim Müller für seine Freunde ein kleines Menü gezaubert. Am heimischen Herd kochte der 38 Jahre alte Berliner unter anderem pürierte Erbsensuppe. Dazu gab er einen Spritzer Vanilleorange aus einem kleinen, braunen Destillate-Sprüher. Viele Köche veredelten ihre Speisen mittlerweile mit den Sprühflakons, sagt Müller.

Die Spirituose hat der Unternehmer mit seiner Firma Deutsche Spirituosen Manufaktur (DSM) selbst hergestellt. Das Beliefern von Feinschmeckern zählt aber nicht zum Hauptgeschäft des jungen Betriebs aus dem Bezirk Marzahn-Hellersdorf. DSM stellt Brände und Geiste her. Etwa 100 verschiedene Kreationen – darunter Gin und Wodka, aber auch ausgefallene Sorten wie Schokominze, Bärlauch oder Spargel – hat das Unternehmen im Angebot.

Die hochpreisigen Spirituosen finden durchaus ihre Abnehmer

Neben den Spray-Destillaten gibt es auch Abfüllungen in handelsüblichen Flaschengrößen. Bis zu 79 Euro können Kunden für ein Produkt ausgeben – damit dürften die Spirituosen aus Marzahn-Hellerdorf durchaus als hochpreisig gelten.

Ihre Abnehmer findet die Manufaktur dennoch: Zu den Kunden zählen neben Bars, Hotels und Restaurants auch Fachhändler wie Manufactum oder Käfer sowie Privatleute. Die Produkte der Deutschen Spirituosen Manufaktur werden mitunter auch bei Events eingesetzt, zuletzt etwa bei der Gala des Gourmet-Führers "Guide Michelin" in Berlin. Und auch der Koch des Bundespräsidenten setze bei Staatsempfängen auf das Hochprozentige aus Marzahn, sagt Tim Müller.

15.000 verkaufte Flaschen im letzten Jahr

Alle Kreationen sind über den eigenen Online-Shop erhältlich. Seit Oktober betreibt die Firma zudem einen Pop-up-Store an der Torstraße in Mitte. Rund 15.000 Flaschen hatte die Deutsche Spirituosen Manufaktur im vergangenen Jahr hergestellt. In diesem Jahr soll das Geschäft weiter ausgebaut werden.

In einem alten Fabrikgebäude auf dem früheren Knorr-Bremse-Areal in Marzahn hatte Müller gemeinsam mit seinem Mitgründer Konrad Horn im Frühjahr 2018 die Fertigung für die Spirituosen aufgebaut. „Wir haben Schnaps eine Stufe weiter gedacht“, verspricht Tim Müller. Er und seine sechs Mitarbeiter suchen stets den besonderen Geschmack.

DSM kauft die Rohstoffe in mehr als 20 Ländern ein

Die Rohstoffe für die Spirituosen kauft er in mehr als 20 Ländern ein. Geheimnisse und Rezepturen gibt er aber nur ungern preis. Für die Obstbrände verwendet die Manufaktur aber zum Beispiel ausschließlich vollreife Früchte. Dafür gebe es Erntevereinbarung mit den Landwirten, sagt der Unternehmer. Müller verlässt sich bei den Kreationen jedoch nicht nur auf seine Nase. Mitgründer Konrad Horn ist bei der Spirituosenmanufaktur der Mann für die besonderen Geschmackserlebnisse.

Im vergangenen Jahr kreierte er unter anderem den Geist Herbstlaub. Der gelernte Apotheker Horn war dafür im Wald unterwegs, sammelte gefallenes Laub ein. Vor allem noch nicht verwelkte, gerade erst vom Baum gefallene Blätter würden Aromen gut transportieren, sagt Chef Tim Müller. Welche Baumart sich besonders gut in der Flasche machen würde, will er hingegen nicht verraten.

In Berlin gibt es einige Firmen, die ihren Schnaps selbst brennen

In der Brennerei des Unternehmens ist stets Handarbeit gefragt. Die Zutaten werden handverlesen, sortiert, zerkleinert und dann eingemaischt. Später wird die Mazerat genannte Masse dann mithilfe eines großen Kessels erhitzt und destilliert. Nach einer gewissen Zeit füllen Müller und seine Mitarbeiter dann die Spirituosen auf Flaschen ab.

Unternehmen wie die Deutsche Spirituosen Manufaktur, die Spezialitäten selbst brennen, gibt es etwa eine Handvoll in Berlin. Zu den bekannteren Anbietern zählen Mampe, die Preußische Spirituosen Manufaktur, Our/Vodka oder auch Eschenbräu. Dazu gibt es weitere Unternehmen, die teilweise aber auf Lohn-Brennereien zurückgreifen, in denen dann eigene Rezepturen veredelt werden.

Nicht jeder Anbieter stemmt die Investitionen in eine eigene Brennerei

Die vergleichsweise geringe Zahl der Unternehmen, die den Alkohol selbst brennen, liegt auch an den scharfen Vorgaben, die der Gesetzgeber in dem Bereich macht. Bei Tim Müller schaut der Zoll stets ganz genau hin. Über eine sogenannte Zoll-Uhr kann die Behörde die Menge des produzierten Hochprozentigen überwachen. Der Staat hat vor allem finanzielles Interesse an den Brennereien. Pro Liter produziertem reinen Alkohol muss Tim Müller 13,03 Euro Steuern zahlen.

Allerdings: Die Anlage, mit der die Behörde die Produktion überwachen kann, geht ins Geld. So eine Zoll-Uhr kann schon mal den Preis eines Mittelklasse-Wagens haben. Für Müller hat sich die Investition angesichts der Vielzahl an unterschiedlichen Bränden und Geisten, die die Manufaktur verlassen, aber gelohnt. So sei man bei der Produktion der Spirituosen wesentlich flexibler, sagt der Gründer.

Pro-Kopf-Konsum von Spirituosen liegt bei 5,4 Litern jährlich

In Deutschland war die Zahl der Spirituosen-Anbieter in den letzten Jahrzehnten stark zurückgegangen. Mittlerweile erfinde sich die Branche aber neu, sagt die Geschäftsführerin des Bundesverbands der Deutschen Spirituosen-Industrie und -Importeure (BSI), Angelika Wiesgen-Pick. Insbesondere rund um die Produkte Gin, Wodka, Whiskey, Korn und Likör hätten sich viele sogenannte Craft-Handwerks-Betriebe entwickelt. „Konsumenten schätzen das Handwerk und den Traditionsgedanken im Zusammenhang mit der Herstellung von Spirituosen. Insofern entstehen spannende Geschichten rund um das Handwerk und die vielen schönen Spirituosengattungen“, so Wiesgen-Pick.

Der Pro-Kopf-Konsum von Spirituosen in Deutschland ist allerdings seit Jahren gleich geblieben. Seit 2014 trinken die Deutschen etwa 5,4 Liter Brände, Geiste oder Liköre im Jahr und pro Kopf. DSM-Gründer Müller wirbt offen für maßvollen Alkoholkonsum. „Weniger trinken ist mehr. Ein Teelöffel reicht häufig aus“, sagt er. Als Produzent trage man in der Hinsicht auch Verantwortung.

Gründer Müller war einst Modefotograf

Müller war eigentlich Modefotograf, lichtete Kampagnen für zahlreiche Kunden auf vielen Kontinenten der Welt ab. Irgendwann war ihm das nicht mehr genug. Nach der Fotografen-Karriere haben er und Horn rund eine dreiviertel Million Euro Erspartes in die Brennerei-Ausrüstung der Manufaktur investiert. Die Firma habe sich im ersten vollen Jahr ihres Bestehens gut entwickelt, sagt der Gründer. Umsatzzahlen nennt Müller allerdings nicht.