Umweltpolitik

BSR darf doch mehr Müll verbrennen

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Joachim Fahrun
Hier landet fast die Hälfte des Berliner Hausmülls: Die Müllverbrennungsanlage der BSR in Ruhleben

Hier landet fast die Hälfte des Berliner Hausmülls: Die Müllverbrennungsanlage der BSR in Ruhleben

Foto: Frank Lehmann

Nach langem Streit genehmigt die Umweltbehörde 580.000 Tonnen Abfall für den Müllofen in Ruhleben. Das gefällt nicht allen Grünen.

Berlin. Im Streit um die Abfallverwertung in der Berliner Müllverbrennungsanlage hat sich die Berliner Stadtreinigung (BSR) gegen Umweltsenatorin Regine Günther (Grüne) durchgesetzt. Künftig darf die BSR im Müllofen in Ruhleben ganz offiziell und legal 580.000 Tonnen Abfall pro Jahr verfeuern. Eine entsprechende Genehmigung hat die Senatsumweltverwaltung jetzt erteilt. Bisher hatte die Behörde 520.000 Tonnen als jährliche Höchstmenge angegeben.

Der Konflikt zwischen dem landeseigenen Entsorgungsunternehmen und der Senatsverwaltung hat es, wie berichtet, sogar bis vor die Gerichte geschafft. Die BSR hatte vor einem halben Jahr eine Feststellungsklage eingereicht, um vor dem Verwaltungsgericht ihre Rechtsposition bestätigen zu lassen.

Denn Günthers Beamte wollten zunächst dem Wunsch der BSR nicht nachgeben. Schon in den Vorjahren hatte die BSR in Ruhleben mehr als die eigentlich erlaubten 520.000 Tonnen, das ist etwas weniger als die gesamte Jahresmenge Berliner Hausmülls, „thermisch verwertet“. Die Genehmigungsbehörde verlangte daraufhin, die BSR solle die Gründe darlegen, warum sie die zulässige Höchstmenge überschritten habe und eine Ausnahmegenehmigung erteilt. Für 2019 wolle man aber auf der Einhaltung der Höchstmenge bestehen, hatte Günthers Sprecher vor einem guten Jahr gesagt. Allenfalls eine Überschreitung von 25.000 Tonnen sei tolerabel. Andernfalls müsse die BSR eine neue Umweltverträglichkeitsprüfung für die gesamte Anlage absolvieren.

Die Kessel sollen nur besser ausgelastet werden

Jetzt aber sind Günthers Mitarbeiter auf die Wünsche der BSR eingegangen und legalisieren die bereits in den vergangenen Jahren geübte Praxis. Die BSR hatte stets argumentiert, es gehe bei der Müllverbrennungsanlage nicht um die absolut dort verfeuerten Tonnen Abfalls, sondern um eine bestimmte Energiemenge, die produziert werden darf.

Die Umweltverwaltung rechtfertigt ihren Beschluss. Es „erfolgt lediglich eine Erhöhung der Auslastung sämtlicher Kessellinien ohne Änderung der genehmigten technischen Einrichtungen“, heißt es in der Genehmigung. „An der Anlage selbst wird aber nicht geändert“, sagte Günthers Sprecher Jan Thomsen. Gleichzeitig dürften in der Anlage anders als bisher keine als gefährlich eingestuften Abfälle verbrannt werden. Zudem müssen Grundwasser und Boden regelmäßig auf Schadstoffe überprüft werden. „Die Vorgaben zur Luftreinhaltung werden sämtlich eingehalten. Auch an den Zielen des künftigen Abfallwirtschaftskonzepts ändert sich nichts“, sagte Thomsen.

Politisch ist die Entscheidung aus dem Hause Günther dennoch heikel. Denn Umweltschützer vom BUND und auch Mitglieder der Grünen sind dagegen, mehr Müll zu verbrennen. Der BUND warf der BSR vor, zu wenig für die gesetzlich vorgeschriebenen und politisch gewünschten Themen Abfallvermeidung und Recycling zu tun. Stattdessen kippe sie die vermischten Abfälle in den Müllofen.

Der Landesparteitag der Grünen hat sich Anfang Dezember positioniert. Die Parteibasis fordert „perspektivisch“ nicht mehr als 520.000 Tonnen pro Jahr zu verbrennen und Abfall lieber zu recyceln oder zu vermeiden. Die Mengenbegrenzung von 520.000 Tonnen fand sich in der ersten Variante des Leitantrags noch nicht, der Parteitag schärfte die Anforderungen nach.

Zwar solle die Müllverbrennungsanlage der BSR „energetisch optimiert“ werden, heißt im Leitantrag. Gleichwohl wollen die Grünen die Müllverbrennung auf ein Minimum begrenzen. „Wir wollen daher keinen Ausbau der Müllverbrennungsanlage“, so die Grünen-Basis. „Die Verbrennung von Abfall ist nicht klimaneutral“, so die Position der Partei.

Die Grünen dringen darauf, Berlin zur „Zero Waste City“ (Stadt ohne Abfall) zu machen, wo grundsätzlich kein Abfall anfällt, der nicht recycelt oder wieder verwendet wird. Die BSR hat stets darauf hingewiesen, dass die Anlage ökologisch sinnvoll sei, weil sie mit einer Kraft-Wärme-Koppelung Strom und Wärme zugleich erzeuge.

Tanja Wielgoß, bis Anfang 2019 Chefin der BSR und jetzt Vorstandsvorsitzende der Vattenfall Wärme AG, beruft sich auf das Vorgehen anderer Städte. „In Kopenhagen basiert die Geschichte der nachhaltigen Stadt auf einer sehr effizienten Müllverbrennungsanlage“, sagte Wielgoß der Morgenpost. „Auch in Wien und Oslo setzen sie zu großen Teilen auf „Waste to Energy“ (Müll zu Energie). Hamburg baue seine dritte Müllverbrennungsanlage, die Lausitz plante eine. „Da frage ich mich, ob es besser ist, den Müll in die Lausitz zu fahren als ihn hier zu nutzen. Wir sollten den Müll dort verbrennen, wo er anfällt“, sagte die Ex-BSR-Chefin. Natürlich sei Müllvermeidung die beste Lösung. Aber realistisch sei die Erwartung nicht, Abfall in wenigen Jahren weitgehend zu vermeiden. „Der Abfall-Entsorger kann auch die Gebühren senken, wenn er den Müll als Energieträger verkaufen kann. Hier hat man einen schönen Kreislauf.“