Bildung

Neue Ideen: So könnten Berliner Kinder gefördert werden

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Susanne LEinemann
Kitas können die Welt erklären und spannend machen - wie beim „Bunte Bienen-Blumen – Kita-Kinder bringen Blumen zum Blühen“-Projekt der Kindertagesstätten Berlin Süd-West

Kitas können die Welt erklären und spannend machen - wie beim „Bunte Bienen-Blumen – Kita-Kinder bringen Blumen zum Blühen“-Projekt der Kindertagesstätten Berlin Süd-West

Foto: Anikka Bauer

Berlins Kinder sollen mehr lernen - in der Schule, aber auch in der Kita. Dafür hat sich eine Kommission gebildet. Was schlägt die vor?

In der Hauptstadt sollen Schulleistung und Schulqualität besser werden – und dafür setzt man zuallererst bei den Kitas an. „Eine erfolgreiche Schulkarriere beginnt nicht in der Schule, sondern lange davor“, sagte Bildungsforscher Olaf Köller, der im Sommer von Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) als Vorsitzender einer Expertenkommission zur Schulqualität eingesetzt worden war. Nun stellte Köller zusammen mit anderen Expertenmitgliedern erste Empfehlungen vor, wie schon im frühkindlichen Bereich die Bildung verbessert werden kann, damit diese Kinder dann gut vorbereitet in die Schule wechseln können.

Was muss ein Kind zu Schulbeginn können?

„Dafür muss man sich erstmal klar werden, was soll ein Kind bis dahin können?“, erläuterte Köller. Sprachfähigkeit, ein spielerisches Grundverständnis von Mathematik und eine gewisse „Fähigkeit zur Selbstregulation“ – sprich ein älteres Kita-Kind kann auch mal einen längeren Zeitraum konzentriert an etwas arbeiten. Es gehe aber nicht darum, die Kitas zu verschulen. Sondern Fähigkeiten zu vermitteln, damit die Kita-Kinder später einen guten Schulstart hätten und nicht gleich mit großen Defiziten loslegten, die danach kaum noch ausgeglichen werden könnten. Der Pisa-Schock von 2000 habe klar vor Augen geführt, dass man viel früher mit der Bildung ansetzen müsse.

Inzwischen besuchen rund 96 Prozent der Berliner Kinder eine Kita. Eigentlich ideale Voraussetzungen, gilt doch der Kita-Besuch als Schlüssel für Bildung. Gerade Kinder aus Familien, bei denen zu Hause nicht oder kaum Deutsch gesprochen wird, sollen hier die richtige Sprachgrundlage erhalten. Doch trotz der hohen Kita-Besuchsquote bleiben die Leistungen vieler Berliner Schüler später in der Grundschule schwach. Im Vergleichstest Vera 3, der in der dritten Klasse verpflichtend geschrieben wird, erreichten 2019 über die Hälfte der getesteten Schüler den Regelstandard weder in Deutsch, noch in Mathematik. Und das, obwohl – wie Senatorin Scheeres betonte – nirgends sonst in Deutschland so viel Geld pro Kind in puncto Bildung ausgegeben wird wie hier. Deshalb stelle sich die Frage, wie man das Geld gezielter einsetzen könne.

Die Möhre - daran kann man viel erklären

Doch was schlägt die Kommission nun konkret vor? Vieles davon klingt vertraut. „Ausschlaggebend ist die pädagogische Qualität“, erklärte Kommissionsmitglied Yvonne Anders, die an der Universität Bamberg zu frühkindlicher Bildung forscht. Sprich: Was man macht, muss man gut machen. Das kann schon mit einer Möhre beginnen. Wie sieht eine Möhre ungeschält aus, wie geschält? Schmeckt sie anders, wenn man sie mit dem Schäler bearbeitet hat? Welche Möhre ist länger, welche kürzer? So spielerisch kann man Kindern wissenschaftliche Neugier vermitteln. Und eine erste Ahnung von Abstraktion.

In den USA heißen auch Erzieher einfach „teacher“

Dafür braucht es allerdings gut ausgebildete Erzieher, die schon in der Ausbildung Dinge wie frühkindliche Mathematik erlernen. In den USA gebe es keinen Unterschied zwischen Erziehern und Lehrern. Alle seien „teacher“. Zu dieser Haltung müsse man auch in Deutschland kommen, so die Kommission. Auch Fortbildungen müssten wichtiger werden.

Der Kita-Alltag solle eine Mischung aus „ungelenktem Freispiel, gelenkten Spieleinheiten und Unterrichtsmomenten“ werden, schlägt Anders vor. Ganz entscheidend sei danach aber auch die Diagnostik – wo steht das einzelne Kind, wo liegen die Stärken, wo braucht es noch Unterstützung? Dafür sollten Erzieherinnen und Erzieher gezielt ausgearbeitete Tests an die Hand kriegen, mit denen sie sich schnell ein Urteil bilden könnten. Außerdem solle mehr Arbeitszeit für die Vor- und Nachbereitung der Einschätzung von Kindern freigeräumt werden. Häufig müssen Erzieher solche Dinge jetzt in ihrer Kaffeepause erledigen. Überraschender Vorschlag der Kommission: Das grüne Sprachlerntagebuch, das 2006 für alle Kitas verbindlich eingeführt wurde, soll nun nicht mehr verpflichtend sein. Die Kommission machte deutlich, dass es andere, einfachere Möglichkeiten gebe, gezielt den Sprachstand eines Kindes zu erfassen.

Die Praxiskommission entscheidet nun, was machbar ist

Zu guter Letzt soll enger mit den Eltern zusammengearbeitet werden. Außerdem gibt es rund 1000 ältere Nicht-Kita-Kinder, die es gilt, noch vor der Schule sprachlich zu fördern. Hier sollen beispielsweise Stadtteilmütter helfen. Klar ist der Kommission aber auch, dass all die Vorschläge mehr Erzieher und Multiplikatoren erfordern, die hervorragend aus- oder fortgebildet sind. Nun darf sich bis zum 15. Januar 2020 die Praxiskommission dazu äußern. Und urteilen, was wirklich machbar ist.