Klimawandel

Berlins Straßenbäume sind von der Dürre bedroht

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Thomas Fülling
Der Zustand der Bäume in Berlin ist "teilweise bedenklich".

Der Zustand der Bäume in Berlin ist "teilweise bedenklich".

Foto: Reto Klar / FUNKE Foto Services

Die Bezirke haben 2019 bereits mehr als 3300 Straßenbäume fällen lassen. SPD-Umweltpolitiker fordert einen regelmäßigen „Sommerdienst“.

Berlin. Bei Umfragen zur Lebensqualität in den Metropolen der Welt kann Berlin vor allem mit seinem Grün punkten. Ausgedehnte Wälder am Stadtrand, viele Grünanlagen in den Innenstadtbezirken und zahlreiche Bäume auch an den Straßenrändern sorgen für einen guten Ruf der deutschen Hauptstadt. Doch dieser Status ist ernsthaft bedroht.

Hitze und Trockenheit der beiden vergangenen Sommer haben dem Berliner Grün kräftig zugesetzt. Der Senat schätzt die Lage des Baumbestandes in der Stadt „als teilweise bedenklich“ ein, wie aus einer Antwort von Umweltstaatssekretär Stefan Tidow auf eine parlamentarische Anfrage der Berliner SPD-Fraktion hervorgeht.

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Einparkende Autos, Hundekot, Tausalz schaden den Bäumen in Berlin

Besonders großen Handlungsbedarf sieht die Senatsumweltverwaltung bei den rund 430.000 Straßenbäumen in der Stadt. Wegen oft zu kleiner Baumscheiben, Beschädigungen durch einparkende Autos sowie Hundekot und Tausalz sind diese Bäume schon unter normalen Bedingungen stark belastet. Doch der Wassermangel der letzten Sommer hat die Lage nochmals dramatisch verschärft.

Nach vorläufigen Angaben haben die Bezirke in den vergangenen Monaten bereits mehr als 3300 Straßenbäume fällen müssen, ein Großteil davon, weil sie vertrocknet sind. Hunderte weitere Bäume am Straßenrand werden voraussichtlich noch bis Ende der Fällperiode im März 2020 abgeholzt. Darunter sind auch viele besonders alte und damit wertvolle Gewächse, wie einige Bezirke in ihren Stellungnahmen an den Senat konstatieren.

Bäume in Berlin: Bestand an Straßenbäumen verringert sich stark

Diese kommen zugleich mit dem Nachpflanzen kaum hinterher. Im Jahr 2018 standen 6228 gefällten Bäumen gerade einmal 2135 Neupflanzungen gegenüber. Der Bestand an Straßenbäumen hat sich demnach um fast 4100 verringert. Eine Entwicklung, die von Experten auch für dieses Jahr prognostiziert wird. Daniel Buchholz, der umweltpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, spricht von „alarmierenden und erschreckenden Zahlen“, die durch seine Anfrage offen gelegt wurden. Einige Bezirke hätten angegeben, dass sie vier- bis sechs Mal so viele Bäume fällen mussten, wie nach normalen Sommern.

„Es ist nicht zu übersehen: Der Klimawandel ist in Berlin angekommen. Und zwar messbar und real“, sagte der SPD-Abgeordnete am Sonntag der Berliner Morgenpost. Seiner Ansicht nach sind die Auswirkungen der beiden Dürresommer in ihrem vollen Ausmaß noch nicht absehbar. „Die Folgen des Hitzestresses werden oft erst nach Jahren sichtbar“, so Buchholz. Er befürchtet, dass künftig noch öfter als bisher Straßenbäume unvermittelt und scheinbar grundlos umfallen werden.

Erst Ende Oktober war, wie berichtet, eine Autofahrerin auf der Koenigsallee in Grunewald während der Fahrt durch einen umstürzenden Straßenbaum getroffen und dabei tödlich verletzt worden. Der Sturz des Baumes erfolgte laut Polizei „plötzlich und ohne erkennbaren Grund“. Eine konkrete Ursache ist bislang noch nicht bekannt. Auf Fotos war aber zu erkennen, dass die Wurzeln des Spitzahorns abgestorben und vertrocknet waren. „Dies könnte durchaus eine Folge der Dürre dieses Jahres sein“, sagte damals ein Sprecher der Umweltverwaltung.

Pro Baum in Berlin gibt es 45 Euro, 80 Euro wären aber nötig

Die Bezirke verweisen darauf, dass es ihnen an Personal und Geld mangelt, um die Straßenbäume speziell im Sommer besser pflegen und vor allem ausreichend wässern zu können. Statt der aktuell rund 45 Euro pro Jahr würden mehr als 80 Euro pro Baum benötigt.

Buchholz verweist darauf, dass Rot-Rot-Grün auf die Klagen der Bezirke reagiert habe. Mit dem gerade beschlossenen Doppelhaushalt würden den Bezirken für die Grünpflege kurzfristig rund 60 Millionen Euro zusätzlich bereitgestellt. Bezirkspolitiker wie der Pankower Bürgermeister Sören Benn (Linke) sehen das aber als nicht ausreichend an.

Winterdienst-Fahrzeuge könnten im Sommer Bäume in Berlin wässern

Angesichts der dramatischen Lage fordert Buchholz, in der Stadt einen regelmäßigen und flächendeckenden „Sommerdienst“ zu etablieren. Fahrzeuge, die von Firmen im Winterdienst zum Schneeräumen eingesetzt werden, müssten im Sommer nicht ungenutzt herumstehen. Sie könnten etwa zu Tankwagen umgerüstet und zum Wässern von Straßenbäumen eingesetzt werden.

Mit den Bezirken müsse nun die beste Organisationsform dafür gefunden werden. „Entweder, die Bezirke machen es in eigener Regie, oder Dritte, wie etwa die Stadtreinigung, werden damit beauftragt“, sagte Buchholz. Bisher gebe es in der Regierungskoalition aber leider keine Mehrheit für dieses Konzept.