Berlin. Geübte Demonstranten waren in der Minderheit am Montagmorgen auf der Westseite des Brandenburger Tores. Am Montag morgen hatten Bauwirtschaft, Immobilienunternehmen und die Initiative Neue Wege für Berlin mobil gemacht, um gegen den Mietendeckel der rot-rot-grünen Koalition und für mehr Neubau zu trommeln. 240 Baufahrzeuge, vom Handwerker-Transporter bis zum Kranwagen, rollten aus drei Richtungen zum Platz des 18. März und stellten sich auf der Straße des 17. Juni auf. Nach Schätzungen der Polizei waren 1500 Menschen dem Ruf gefolgt.
Mietendeckel verhindert Arbeit im Winter
André Josefowski war mit seinen Leuten aus Karlshorst gekommen. Zwei große Aufträge hat der Bauunternehmer schon verloren. „Wegen des Mietendeckels“, sagt er. Ein Mietshaus sollte er mit seinen zwölf Mitarbeitern sanieren. „Das war unsere Winterarbeit“, so der Unternehmer. Aber der Eigentümer wolle jetzt erst mal abwarten, wie sich die Lage entwickelt. Zwei seiner Leute habe er deshalb zum Jahresende entlassen müsse, so Josefowski. Seine Leute nickten zustimmend. Ob ihnen der Mietendeckel nicht helfe, als Mieter? „Was habe ich von einer niedrigen Miete, wenn ich keine Arbeit habe“, sagt einer.
Obwohl auch viele Bauarbeiter ihrem Ärger über die aus ihrer Sicht arbeitsplatzvernichtende Politik des Senats Luft machten, hatte die Kundgebung auch etwas wenig Spontanes. Die Organisatoren statteten die Teilnehmer mit gelben Sicherheitswesten aus. Sie sahen aus wie die Wutbürger in Frankreich, nur viel friedlicher. Auch klappern und Trillerpfeifen hatten Sponsoren bezahlt.
Unterschriftensammler werden von Initiative bezahlt
Zwischen den Teilnehmern liefen junge Menschen mit Unterschriftenlisten herum. Sie sammelten für das Volksbegehren für 100.000 bezahlbare Neubauwohnungen, das die Initiative Neue Wege für Berlin angefangen hat. Dass diese Sammler mit 13 Euro pro Stunde bezahlt werden, bestritt Initiativen-Vorstand Heiko Kretschmer nicht. Das sei wie bei Greenpeace, man hole sich für solche Kampagnen professionelle Hilfe, sagte er. Auch viele Schilder waren einheitlich gestaltet und dann verteilt worden. „Mietendeckel bauen keine Wohnungen“, stand darauf oder „Häuser brauchen Dächer und keine Deckel“. Die Fachgemeinschaft Bau hatte den Teilnehmern einen Zettel mit Argumenten gegen den Mietendeckel verteilt.
Carsten Steinike brauchte diese Hilfe nicht. Er fürchtet um die Zukunft seiner Firma. Noch habe er gut zu tun, so der Rohbauer. „Aber wir reden ja nicht vom Jetzt, sondern von der Lage in ein paar Monaten“, so Steinike. Die Branche macht sich Sorgen, dass die bisher gute Konjunktur durch die Eingriffe in Folge des Mietendeckels abgewürgt werde. Bis zu 50.000 Jobs werde der Mietendeckel kosten, hieß es.
IG Bau spricht von „Angstmacherei“
Die Industriegewerkschaft Bau wandte sich am Montag gegen solche „Skandalzahlen“. das sei „Humbug und Angstmacherei“, sagte IG Bau-Regionalleiter Nikolaus Landgraf. „Wenn Vermieter gegen den Mietendeckel auf das teuerste Pflaster Berlins ziehen, um fürs eigene Portemonnaie zu demonstrieren, dann ist das ein Protest einer expliziten ‚Komfortzonen-Klientel‘“, so Landgraf. Niemand in der Baubranche glaube ernsthaft daran, dass die Wohnungswirtschaft auch nur im Traum daran denke, bis zu 90 Prozent ihrer Investitionen im Sanierungsbereich und bis zu 60 Prozent ihrer Investitionen im Neubau zu streichen.
Gleichwohl hat beim Ausbauhandwerk die Krise schon begonnen. „Leerwohnungen werden nicht mehr gemacht“, sagt ein Tischler. Mit 55 Jahren fürchtet er um seine Altersvorsorge. „Man weiß nicht, ob der Arbeitsplatz bleibt“, sagt der Mann traurig.
Heiko Kretschmer, Vorsitzender der Neue Wege für Berlin, sagte, nur der Neubau von 100.000 bezahlbaren Wohnungen sei das Instrument gegen Wohnungsmangel. „Uns hilft kein Mietendeckel, der letztlich ein Investorendeckel ist“, sagte Kretschmer. Ein paar Befürworter des Mietendeckels hatten sich unter die Demonstranten gemischt. Sie zeigten ironisch gemeinte Plakate mit Nordkoreas Diktator Kim Jong Un („Alle Wege der Regulierung führen nach Pjöngjang“), dem CDU-Politiker Friedrich Merz (Mehr Kapitalismus wagen“) oder abgewandelten Sprüchen wie „Die Häuser denen, die sie kaufen“.
Alles blieb friedlich
Aber alles blieb friedlich. Bernhard Schodrowski, Sprecher von Neue Wege für Berlin, kritisierte die Gegendemonstranten und warf ihnen „elitäres Gehabe“ vor. „Ihr habt ja alle eine Wohnung, die noch kommen wollen, haben keine“. Und er riet den Mietendeckel-Befürwortern, sich mal bei den Bauunternehmern zu erkundigen, wie Investitionen und Mietpreise kalkuliert werden.
Der Präsident der Fachgemeinschaft Bau, der Stuckateur-Meister Klaus-Dieter Müller, warnte, die Klimaziele des Senats seien gefährdet, weil auch energetische Sanierungen erschwert würden. „Auch dagegen demonstrieren wir“, sagte Müller. Die rot-rot-grüne Koalition wolle die „schwarzen Schafe in der Immobilienwirtschaft bestrafen, aber sie treffen alle“. Ein Kleinvermieter, der ein Mehrfamilienhaus in Steglitz besitzt, warnt vor den Folgen des Deckels. „Investitionen werden nicht mehr gemacht“, sagte Gerold Happ, „ein neues Bad wird es für Mieter nicht mehr geben“. Vermieter Axel Tamke warnte, arme Leute würden unter dem Mietendeckel noch schlechter Wohnungen finden als bisher schon. Er werde natürlich noch stärker solvente und seriöse Mieter bevorzugen, kündigte Tamke an: „Die Bevölkerungsgruppen werden gegeneinander ausgespielt“, bilanzierte er: „Die, die eine Wohnung haben gegen die, die eine suchen.“
Neues Gutachten: Mietendeckel nicht verfassungswidrig
Eine Handvoll Befürworter des Mietendeckels hatten sich unter die Demonstranten gemischt. Sie zeigten ironisch gemeinte Plakate mit Nordkoreas Diktator Kim und dem CDU-Politiker Friedrich Merz. Aber alles blieb friedlich.
Bernhard Schodrowski, Sprecher von Neue Wege für Berlin, beschimpfte die Gegendemonstranten und warf ihnen „elitäres Gehabe“ vor. „Ihr habt ja alle eine Wohnung, die noch kommen wollen, haben keine." Und er riet den Mietendeckel-Befürwortern, sich mal bei den Bauunternehmern zu erkundigen, wie Investitionen und Mietpreise kalkuliert werden.
Unterdessen kommt ein neues Gutachten zu dem Schluss der geplante Mietendeckel nicht verfassungswidrig sei. Zuletzt hatten mehrere andere Gutachten das Gegenteil ergeben. In dem am Montag vorgestellten Gutachten im Auftrag der Rosa-Luxemburg-Stiftung heißt es, landesrechtliche Maßnahmen zur öffentlich-rechtlichen Regulierung der Mieten seien zulässig. Dies kollidiere nicht mit dem Bundesrecht, dem die Gestaltung des privaten Mietvertragsrecht obliege.
Für Berlin bedeute dies den Gutachtern vom Zentrum für Europäische Rechtspolitik der Universität Bremen zufolge: "Sowohl ein Mietpreismoratorium als auch eine Mietpreisobergrenze beziehungsweise eine Mietpreisabsenkung sind weder vom Bundesrecht ausgeschlossen noch diesem gegenläufig." Der Landesgesetzgeber habe die Kompetenz, entsprechende Vorschriften einzuführen.