Berlin Trend

Grüne stärkste Kraft, Linke verliert in ihren Hochburgen

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Joachim Fahrun
Der Berlin Trend im November 2019

Der Berlin Trend im November 2019

Foto: Babette Ackermann-Reiche C. Schlippes, BM Infografik / bm infografik

CDU gewinnt leicht und ist zweitstärkste Partei. Berliner sind laut Berlin Trend sehr unzufrieden mit dem rot-rot-grünen Senat.

Berlin. Das Egebnis des Berlin Trends mutet paradox an: Einerseits würden die Berliner die den Senat tragenden Parteien mit einer deutlichen Mehrheit wieder wählen. Grüne, Linke und SPD kommen zusammen auch im November 2019 auf eine solide Mehrheit von 56 Prozent. Gleichzeitig zeigen sich zwei von drei Befragten im repräsentativen Berlin Trend der Berliner Morgenpost und der RBB-Abendschau unzufrieden mit der Arbeit des Senats, den diese drei Parteien seit nunmehr bald drei Jahren tragen.

Dabei sinkt die Zustimmung zum Senat seit Mai 2017 stetig, die Unzufriedenheit steigt entsprechend an. Diese Stimmung zeigt sich quer durch alle Altersgruppen und Bildungsniveaus. Zwar wird die Arbeit der Landesregierung von den Anhängern der Oppositionsparteien wenig überraschend noch einmal deutlich negativer eingeschätzt. Aber auch die Sympathisanten der Regierungsparteien bewerten den Senat überwiegend negativ.

Die Grünen bleiben auch im November 2019 die stärkste Partei in Berlin. Der derzeit noch kleinste Partner in der rot-rot-grünen Koalition kommt im Berlin Trend auf 23 Prozent und wiederholt damit exakt das Ergebnis aus der letzten Umfrage im Mai dieses Jahres. Die Grünen halten damit ihr Niveau seit gut einem Jahr.

Berlin Trend: SPD bleibt weit hinter ihrem Wahlergebnis zurück

Zweitstärkste Kraft ist die CDU, die einen Punkt zugelegt hat und auf 18 Prozent kommt, was etwa ihrem Wahlergebnis von 2016 entspricht. Es folgt – nach Verlusten von zwei Prozentpunkten – die Linke mit 17 Prozent. Der stärkste Regierungspartner SPD holt zwar einen Punkt auf und kommt auf 16 Prozent, bleibt aber weit hinter ihrem Wahlergebnis von 21,6 Prozent zurück.

Knapp dahinter liegt die AfD, die im Vergleich zu ihrem vergleichsweise schwachen Mai-Ergebnis vier Punkte aufholte und jetzt auf 14 Prozent kommt. Die FDP muss nach einem Minus von einem Punkt mit fünf Prozent aktuell um den Wiedereinzug ins Berliner Abgeordnetenhaus fürchten. Die anderen Parteien würden sieben Prozent der Wählerstimmen bekommen (minus drei Punkte).

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Nur wenige Koalitionen sind laut dem Berlin Trend rechnerisch möglich

Mit diesem Ergebnis der Umfrage, für die Infratest dimap vom 11. bis 16. November 1003 wahlberechtigte Berliner per Telefon befragte, hätten die drei Koalitionsparteien Grüne, Linke und SPD weiterhin eine solide Mehrheit, wenn auch in veränderter Reihenfolge. 56 Prozent der Befragten würden für das grün-rot-rote Lager stimmen. Eine Mehrheit ohne eine oder zwei der derzeitigen Regierungsparteien ist nicht in Sicht. CDU und FDP sind zusammen nur so stark wie die Grünen alleine. Selbst mit der AfD, mit der beide eine Zusammenarbeit ablehnen, kämen sie nur auf 37 Prozent.

Auch andere Koalitionsalternativen sind rar. Für eine umgedrehte Ampel aus Grünen, SPD und FDP reichte es ebensowenig wie für Jamaika aus Grünen, CDU und FDP. Einzig ein Kenia-Bündnis, wie es SPD, CDU und Grüne gerade in Brandenburg geschlossen haben, hätte in Berlin ebenso eine Mehrheit wie Rot-Rot-Grün.

Berlin Trend ergibt: Verluste für die Linken im Osten der Stadt

Auffällig ist der Abschwung der Linken in ihren Hochburgen in den östlichen Bezirken der Stadt. Hier musste die Partei ein Minus von vier Prozentpunkten hinnehmen, das jenseits der statistischen Schwankungsbreite liegt. Dennoch bleiben die Linken im Osten Berlins mit 24 Prozent mit Abstand stärkste politische Kraft. Im Westen holten sie nur die Hälfte der Stimmen.

Gleichwohl hat sich die Linke auch im Westteil mit deutlich zweistelligen Ergebnissen etabliert. Die Rolle der Linken im Osten spielen die Grünen im Westen. Ihr Vorsprung ist hier mit 26 Prozent vor der CDU mit 20 und der SPD mit 18 Prozent deutlich größer als im gesamten Stadtgebiet. Grün zu wählen ist auch in Berlin eine Frage von Bildung und sozialem Status. Unter den Befragten mit Abitur oder Fachhochschulreife entschied sich fast jeder dritte (29 Prozent) für die Öko-Partei, gefolgt von der Linken mit 19 Prozent.

Nur 30 Prozent sind mit dem Senat laut Umfrage zufrieden

Trotz der stabilen Mehrheit für die Parteien der rot-rot-grünen Koalition sehen die Berliner das Wirken ihrer Stadtregierung auch zwei Jahre vor den nächsten Wahlen zum Landesparlament kritisch. Nicht einmal jeder dritte Befragte (30 Prozent) zeigte sich zufrieden oder sehr zufrieden mit dem Senat. Das ist noch mal ein Punkt weniger als im Mai. 66 Prozent schätzen die Arbeit der Mannschaft von Michael Müller (SPD) negativ ein. 42 Prozent äußern sich weniger zufrieden (minus drei Punkte), 24 Prozent sind „gar nicht zufrieden“ (plus drei).

Hälfte der SPD-Anhänger sieht Senat im Berlin Trend positiv

Einzig unter den auf 16 Prozent geschrumpften Wählern der SPD übersteigt die Zahl der zufriedenen Bürger die der unzufriedenen knapp. 50 Prozent bewerten die Arbeit des Senats positiv, 47 Prozent negativ. Im Lager von Grünen und Linken müssen sich die Verantwortlichen aber mit Blick auf die Ergebnisse der Umfrage von Infratest dimap schon fragen, ob sie innerhalb der Koalition zur Geltung kommen oder dort richtig aufgehoben sind. Grünen-Anhänger sind zu 56 Prozent unzufrieden mit „ihrem Senat“, 42 Prozent sind zufrieden. Bei den Linken fällt das Missverhältnis mit 61 Prozent unzufriedenen und nur 37 zufriedenen Befragten noch stärker aus.

Nur 30 Prozent der Berliner sind mit Senat zufrieden

Weil in den Lagern der Oppositionsparteien die Ablehnung des rot-rot-grünen Senats noch deutlich größer ist und bei 76 Prozent unter CDU-Wählern, 80 Prozent im AfD-Lager und sogar 90 Prozent unter FDP-Anhängern liegt, bleibt Berlins Senat die unbeliebteste Regierung Deutschlands. Mit 30 Prozent zufriedenen Bürgern liegt Berlin in den Erhebungen von Infratest dimap sogar noch knapp unterhalb des Wertes von 32 Prozent, die die Meinungsforscher kürzlich für die große Koalition im Bund gemessen haben.

Anderer wenig beliebte Landesregierungen wie die Schwarz-Gelb in Nordrhein-Westfalen oder die inzwischen abgewählte rot-rote Regierung in Brandenburg kommen auf 44 beziehungsweise 46 Prozent. Normal in Deutschland sind Werte von über 50 Prozent wie etwa CDU und SPD in Sachsen oder CDU und Grüne in Hessen. Besonders angesehen bei ihren Landeskindern sind die Regierungen von SPD und CDU in Niedersachsen (64 Prozent Zufriedenheit, Grünen und CDU in Baden-Württemberg (65 Prozent) und CDU, Grünen und FDP in Schleswig-Holstein (68 Prozent).

Kein rot-rot-grüner Spitzenpolitiker in Berlin überzeugt

Die besonders kritische Gefühlslage der Berliner wird wohl auch dadurch gespeist, dass es keine Persönlichkeit im Senat gibt, hinter denen sich die Menschen versammeln könnten, wie etwa Wilfried Kretschmann (Grüne) in Baden-Württemberg oder Daniel Günther (CDU) in Schleswig-Holstein. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller weckt auch kurz vor dem beginn seines fünften Amtsjahres wenig Begeisterung.

Unverändert 36 Prozent der Befragten ist zufrieden mit Müller. 48 Prozent sind es aber nicht. Die restlichen Befragten können Müllers Arbeit nicht beurteilen. Einen Pluspunkt kann Müller aber auf der Haben-Seite verbuchen: Wer jetzt noch SPD wählen würde, hat auch mehrheitlich eine positive Meinung zu Müller. 57 Prozent der SPD-Sympathisanten äußern sich zufrieden über den Senatschef. Nur 26 Prozent sind da anderer Ansicht. Aber schon in den Lagern der Koalitionspartner Linke und Grüne kann Müller die Mehrheit der Menschen nicht von sich überzeugen.

Viele Berliner kennen weder Ramona Pop noch Klaus Lederer

Aber auch die führenden Köpfe der Bündnispartner haben mit ähnlichen Problemen zu kämpfen wie der Frontmann der Berliner Sozialdemokratie. Kultursenator Klaus Lederer (Linke) wird von gut einem Viertel (27 Prozent) positiv eingeschätzt. Fast ebenso viele Befragte (28 Prozent) sind unzufrieden mit dem Linken-Spitzenmann. Und ein weiteres Problem des Senators; 39 Prozent sagen, Lederer sei ihnen unbekannt oder sie könnten seine Arbeit nicht beurteilen. Aber auch im Falle des Linken gilt: Im eigenen Lager kommt er ordentlich an. 53 Prozent der Linken-Sympathisanten sind mit Lederer zufrieden, nur 13 Prozent sagen das Gegenteil.

Bei der grünen Wirtschaftssenatorin Ramona Pop, die nach derzeitigem Umfrage-Stand gute Chancen hätte, Regierende Bürgermeisterin zu werden, ist die Lage noch schlechter als bei Klaus Lederer. Nur ein Fünftel (22 Prozent) schätzt ihre Arbeit positiv ein. 34 Prozent sagen hingegen, sie seien unzufrieden mit Ramona Pop. Und mit 36 Prozent kennen sie fast so viele Berliner nicht wie den linken Kultursenator. Auch im eigenen grünen Lager kommt Pop nur begrenzt gut an. 37 Prozent zufriedene stehen 22 Prozent unzufriedene Grünen-Anhänger gegenüber. Jeder dritte, der angibt Grün wählen zu wollen, kennt die Spitzenfrau nicht.