Berlin. Deutlich weniger Menschen als erwartet haben am Tag der Deutschen Einheit für einen konsequenten Mietendeckel protestiert. Nach Polizeiangaben startete der Protestmarsch vom Alexanderplatz in Richtung Kottbusser Tor mit rund 1600 Demonstranten. Die Veranstalter selbst sprachen von gut 4000 Teilnehmern. Zuvor hatten die Organisatoren für die Veranstaltung rund 10.000 Menschen angemeldet.
Rund 50 Gruppen und hatten unter dem Motto „Richtig deckeln, dann enteignen - Rote Karte für Spekulation“ geladen - darunter auch der Zusammenschluss „Deutsche Wohnen und Co. enteignen“. Es sei nur wenig Zeit gewesen, sagte Initiator Rouzbeh Taheri, angesichts der geringeren Teilnehmerzahl. „Aber wir wollten ein Zeichen setzen, dass wir die aktuellen Entwicklungen im Blick haben und mitgestalten wollen“, so Taheri weiter.
Mieterverein: Diskussion um Mietendeckel bereits starkes Signal
Der Berliner Senat will die Mieten in Berlin durch einen Mietendeckel zwar für fünf Jahre einfrieren, die Demonstranten befürchten nach wochenlanger Debatte nun jedoch ein aufgeweichtes und löchriges Gesetz. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) hatte sich unter anderem vehement gegen ursprünglich von Stadtentwicklungssenatorin Kathrin Lompscher (Linke) geplante Miet-Absenkungen ausgesprochen.
Es sei aber gut, dass sich der Senat für die Interessen der Mieter einsetze, sagte der Leiter der Rechtsabteilung des Mietervereins Berlin, am Stefan Schetschorke, bei der Kundgebung. Der Bund hingegen habe die Mieter mit einer „nicht wirkenden Mietpreisbremse“ im Stich gelassen. Die Diskussion um einen Mietendeckel an sich sei bereits ein Signal an die Vermieter. „Die Verunsicherung ist deutlich spürbar“, sagte Schetschorke. Als Reaktion darauf werde von Seiten der Immobilienwirtschaft die Zukunft der Stadt in schwarzen Farben ausgemalt. „Nichts von dem ist wahr, nichts von dem wird geschehen“, erklärte der Vereinsvertreter.
Schetschorke bezeichnete den Mietendeckel-Entwurf als „an zentralen Stellen“ verbesserungswürdig. Unter anderem seien noch immer zu viele Lücken und Ausnahme möglich, etwa was die Umlage der Kosten für Modernisierungsmaßnahmen auf die Mieter angehen. Zudem könne es nicht sein, dass Mieter zunächst ihr Einkommen offenlegen müssten, um ihre Miete senken zu können. Der Mietsenkungsanspruch müsse unabhängig vom Einkommen bestehen, sagte Schetschorke.
Sorgenvolle Mieter auf der Straße
Zahlreiche Teilnehmer hatten Schilder gebastelt, einige kamen auch kostümiert. Das Paar Nicole Lindner (42) und Steffen Doebert (51) hatte sich als Angela Merkel und Michael Müller verkleidet. Merkels CDU sei eine Partei, die auch die steigenden Mieten zu verantworten habe, sagte Lindner. „Die Bewohner der Stadt werden einfach ausgetauscht, gegen die, die mehr zahlen können“, so die Pankowerin mit Blick auf den angespannten Wohnungsmarkt in der deutschen Hauptstadt.
Barbara Gebing trug den Mietendeckel gewissermaßen als Kopfschmuck: Gebing, die in Charlottenburg wohnt, droht nach einer Modernisierung eine Mieterhöhung von rund 200 Euro monatlich. Das können sie sich als Beamtin zwar leisten, aber viele Bewohner ihres Hauses eben nicht. „Ich stehe hier auch stellvertretend für diejenigen, die nicht den Mut haben, laut zu werden“, erklärte Gebing.