Berlin. Deutlich weniger Teilnehmer als angekündigt haben am Tag der Deutschen Einheit in Berlin für einen konsequenten Mietendeckel demonstriert. Zunächst fanden sich gegen 13 Uhr am Haus des Lehrers am Alexanderplatz in Mitte nur etwas mehr als 1000 Demonstranten ein. Die Zahl der Teilnehmer stieg später auf etwa 2500 an. Zuvor war die Berliner Polizei von bis zu 10.000 Teilnehmern ausgegangen. Um 20 Uhr soll der Zug mit einer Kundgebung am Kottbusser Tor enden.
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Ein Bündnis aus rund 50 Initiativen und Gruppen fordert vom Berliner Senat einen konsequenten Mietendeckel und die Verstaatlichung großer Immobilienkonzerne. Mit einer Großdemonstration unter dem Motto: „Richtig deckeln, dann enteignen – Rote Karte für Spekulation“ am Donnerstag, wollen die Organisatoren ihrer Forderung Nachdruck verleihen.
Angesichts des angespannten Wohnungsmarktes in Berlin will die rot-rot-grüne Landesregierung alle Mieten per Gesetz für fünf Jahre einfrieren. Der Senat habe den Gesetzesentwurf jedoch an entscheidenden Stellen aufgeweicht, sagte Jonathan Diesselhorst von der Initiative „Stadt von Unten“. Das Bündnis kritisiert vor allem, dass der Entwurf die Interessen von Vermietern zu sehr schütze.
Initiative kritisiert „Verwässerung“ des Gesetzes
Auch die Initiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ gehört zu den Initiatoren des Protestmarsches. Mit der Demonstration wolle man eine weitere „Durchlöcherung des Mietendeckels“ verhindern, teilte die Initiative mit. Die jüngsten Entwürfe zu dem Gesetz ließen „ein dramatisch verwässertes Gesetz voller Lücken und Ausnahmen“ befürchten. Demnach wären nur noch etwa zehn Prozent der Berliner berechtigt, ihre Miete zu senken, heißt es weiter.
„Wir brauchen einen radikalen Mietendeckel ohne erprobte Schlupflöcher für spekulative Vermieter. Und wir brauchen die Enteignung von Immobilienkonzernen“, so die Initiatoren. Zuletzt hatte die Initiative zusammen mit rund 280 Bündnissen im April 2018 zu einer Demonstration unter dem Motto „Mietenwahnsinn stoppen“ aufgerufen. Mehr als 35.000 Menschen kamen damals zur Demonstration, die zugleich auch den Auftakt für die Unterschriftensammlung für das Volksbegehren zur Enteignung großer Wohnungskonzerne bildete.
Senator Kollatz: Erhebliche rechtliche Probleme bei Absenkung von Mieten
Allerdings hängt die Einführung eines landesweiten Mietendeckels in der Hauptstadt nicht nur vom Willen der Landespolitiker ab. Denn beim geplanten Mietendeckel gibt es nach Meinung von Berlins Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) noch erhebliche rechtliche Probleme bei der Frage, ob über einer Obergrenze liegende Mieten abgesenkt werden könnten.
„Wenn man über Absenkungen nachdenkt, ist die Frage: Ist das durch das, was es an rechtlichen Möglichkeiten des Landes gibt, gedeckt oder nicht?“, sagte Kollatz am Dienstag. Es spreche einiges dafür, dass man sich darüber noch einmal Gedanken machen müsse. Der Senat beschäftige sich auf jeden Fall noch mit einer Reihe von rechtlichen Fragen, bekräftigte der Senator. Das Ziel, dass es einen Mietendeckel geben solle, sei in allen Ressorts allerdings unbestritten.
Regierender Bürgermeister Michael Müller gegen Absenkung von Mieten
Die Frage, ob Mieten nicht nur eingefroren werden sollen, sondern ab einer definierten Obergrenze sogar abgesenkt werden könnten, hatte schon vor Wochen Kontroversen ausgelöst. Nicht zuletzt von Seiten der Wohnungswirtschaft gab es daran scharfe Kritik. Auch der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) hatte sich bereits unter anderem in der ZDF-Talkshow „Markus Lanz“ gegen Absenkungen ausgesprochen.
Trotzdem hält er die Schwierigkeiten für überwindbar: „Dass es über Detailfragen verschiedene Vorstellungen bei den Koalitionspartnern gibt, ist ganz normal“, teilte der Regierende Bürgermeister am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur mit. „Ich bin davon überzeugt, dass wir uns im Interesse der Mieterinnen und Mieter zeitnah mit Augenmaß auf einen rechtssicheren Gesetzesentwurf einigen.“
Müller: Mietendeckel muss möglichst große Rechtssicherheit haben
Müller betonte erneut, er halte eine Absenkung von Bestandsmieten für problematisch. Der Mietendeckel müsse möglichst große Rechtssicherheit haben. „Deswegen ist es wichtig, dass wir nicht in bestehende Vereinbarungen über die Miete eingreifen, weil das eine Vielzahl von Prüf- und Widerspruchsfällen vor Gerichten nach sich ziehen wird. Im Übrigen würden wir damit einen erheblichen Verwaltungsaufwand produzieren.“
Die Berliner Sozialdemokraten stehen bei den Mieterinitiativen nicht nur wegen ihrer Haltung zum Mietendeckel unter besonderer Beobachtung. Weil die SPD als einzige Partei im Berliner Regierungsbündnis noch keine Stellung zu den Inhalten des Enteignungsbegehrens bezogen hat, erwarten viele mit Spannung den Landesparteitag am 26. Oktober. Zahlreiche Kreisverbände haben zum Thema Anträge eingebracht, in denen das Volksbegehren zwar generell als wichtiges Anliegen begrüßt wird.
CDU spricht von „Geisterfahrt“ der SPD
Während sich aber etwa der Kreisverband Friedrichshain-Kreuzberg „solidarisch“ mit den Forderungen erklärt und die „Vorschläge der Initiative ernsthaft diskutieren will“, plädieren etwa die Kreisverbände Marzahn-Hellersdorf und Reinickendorf in einem gemeinsamen Antrag für andere Instrumente der Mietenregulierung. Der Wirkungsbereich des Gesetzesvorhabens sei sehr begrenzt und zudem nicht zielgenau, heißt es zur Begründung.
Der Landesvorsitzende der Berliner CDU, Kai Wegner, kritisiert die Sozialdemokraten für die grundsätzlich positive Haltung, die sich in den Anträgen ausdrücke. „Die SPD ist dabei, ihren marktwirtschaftlichen Verstand zu verlieren. Müller muss diese Geisterfahrt endlich stoppen. Der Berliner Wohnungsmarkt wird sonst irreparablen Schaden nehmen“, so Wegner.
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