Ernährungs-Projekt

Berlins Kantinen sollen mehr Bio-Essen servieren

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Christian Latz
Senator Dirk Behrendt (Grüne, l.) will das Berliner Kantinenessen gesünder machen. Helfen sollen Geschäftsführer Philipp Stierrand (m.) und Projektleiter Patrick Wodni, des Trägers Speiseräume.

Senator Dirk Behrendt (Grüne, l.) will das Berliner Kantinenessen gesünder machen. Helfen sollen Geschäftsführer Philipp Stierrand (m.) und Projektleiter Patrick Wodni, des Trägers Speiseräume.

Foto: DAVIDS/Frank Lehmann

Das Projekt Kantine Zukunft Berlin soll die Speisen in Berlins Großküchen gesünder machen. Doch die Umsetzung dürfte langwierig werden.

Pommes, Currywurst und der Schnitzeltag: Was in Berlins öffentlichen Kantinen auf den Tellern landet, mag den Mitarbeitern der Verwaltung schmecken, ihre Fitness fördern die häufig bereits fertig verarbeiteten Speisen nicht immer. Bei solch schwerer Kost soll es nach Willen des Senats nicht bleiben.

Das Essen in Berlins Kantinen soll gesünder werden. Zudem sollen künftig mehr Gerichte aus regionalen Bio-Lebensmitteln auf dem Speiseplan stehen. Um das zu erreichen, nimmt ab Oktober die von der Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung initiierte Kantine Zukunft Berlin ihre Arbeit auf.

Kantinen in Berlin sollen Schulungen bekommen

Das Projekt soll Köche der öffentlichen Landeskantinen sowie in Schulen, Kitas, Krankenhäusern und Museen dazu motivieren, wieder selbst zu kochen und dafür saisonale Zutaten aus der Region einzusetzen. „In den Kantinen der Stadt sollen keine Tüten mit Fertigprodukten mehr aufgeschnitten und erwärmt werden“, sagte Verbraucherschutzsenator Dirk Behrendt (Grüne) bei der Vorstellung des Projekts am Montag. Stattdessen wünsche er sich mehr saisonales, regionales und biologisches Essen auf den Tellern. Umso glücklicher sei er, dass die Kantine Zukunft Berlin nun nach einigem Vorlauf starten könne.

Betrieben wird das Projekt vom Träger Speiseräume, der als Sieger aus einem im März gestarteten Interessenbekundungsverfahren hervorgegangen ist. „Wir freuen uns, dass wir endlich loslegen dürfen“, sagte Geschäftsführer Philipp Stierand. Ziel sei, einen Beitrag für eine nachhaltige Ernährung in der Stadt zu leisten. „Unser zentraler Hebel wird dafür der Einsatz von mehr Biolebensmitteln sein.“

Selbst kochen wird das Unternehmen in den Kantinen nicht. Das Projekt sieht vor, Köche und Personal in den Großküchen des Landes zu schulen, wie auf Fertigprodukte verzichtet und stattdessen mit möglichst vielen frischen Bio-Lebensmitteln der Speiseplan bestritten werden kann. In den kommenden Monaten würden dafür gemeinsam mit den Köchen Modellprojekte entwickelt, so Stierand. „Im nächsten Jahr wollen wir in den Regelbetrieb und mit größeren Küchenzahlen in die Umstellung gehen.“

Vorbild ist das „House of Food“ in Kopenhagen

Zentrales Element dabei ist das Programm Küchenlift. Über ein halbes Jahr lang sollen dabei die Köche bei ihrer Arbeit begleitet werden. Zudem werde es Schulungen geben. Es werde dabei vor allem darum gehen, die Strukturen in den Küchen zu ändern, erklärte der stellvertretende Projektleiter von Küchenlift Patrick Wodni. „Ich zweifle nicht daran, dass die Köche kochen können.“ Es brauche jedoch ein anderes Zeitmanagement für die frische Zubereitung, genügend Mitarbeiter und Interesse am Kochen beim Personal. „Ich muss die Menschen dafür begeistern, diese Arbeit zu machen.“ Und natürlich müsse man ein attraktives Angebot schaffen, dass die Gäste wollten, so Wodni. „Sonst kann man es sich gleich sparen.“ Dass Wodni weiß, wovon er spricht, zeigt ein Blick in seine Vita. Der Koch hat zuvor die Verpflegung im Krankenhaus Havelhöhe auf bioregionales Essen umgestellt. Bei Kantine Zukunft Berlin liege nun der Schwerpunkt auf pflanzlichen Produkten, sagt Wodni. Aber auch auf Fleisch oder Milchprodukte würde nicht verzichtet, betont er.

Das Ziel, den Anteil an Bio-Essen in Kindertagesstätten, Schulen, Kantinen, Mensen bis 2021 deutlich zu erhöhen, hatte die rot-rot-grüne Landesregierung bereits im Koalitionsvertrag festgehalten. Vorbild des Berliner Projekts ist das „House of Food“ in Kopenhagen. Dort ist es in den vergangenen Jahren gelungen, die Kantinen der dänischen Hauptstadt zu 100 Prozent mit Bio-Lebensmitteln zu versorgen, ohne dass es die Mahlzeiten dadurch teurer geworden wären.

Das Abgeordnetenhaus hat den Senat aufgefordert, in Berlins öffentlichen Küchen zumindest 50 Prozent Bio-Produkte zu nutzen. Bis die Stadt diesen Wert auch nur ansatzweise erreicht, werden jedoch Jahre vergehen. „Wir werden das nicht bis zum nächsten Sommer schaffen“, gestand Behrendt. Er hoffe aber, das Ziel in den nächsten Jahren zu erreichen. „Wir haben uns einen Anteil von 60 Prozent Bio-Lebensmittel vorgenommen und dass Mehrkosten entstehen“, sagte Speiseräume-Geschäftsführer Stierand. Dieser Zielwert bezieht sich jedoch nur auf jene Küchen, die an der halbjährigen Schulung teilnehmen. Dabei konnten weder die Speiseräume-Vertreter noch Behrendt am Montag auf Nachfrage benennen, wie viele Kantinen und Caterer für öffentliche Einrichtungen es überhaupt derzeit in Berlin gibt. Soviel sei jedoch klar, sagte Stierand: „Es gibt genug Arbeit, davon können sie ausgehen.“

Standortfrage des Projekts sorgt für Ärger

Noch nicht sicher ist, wo das Projekt in Zukunft seinen Sitz haben wird. Zunächst hat die Kantine Zukunft Berlin ihre Räume im Haus der Statistik. „Da werden wir eine der Pioniernutzungen sein“, sagte Stierand. Langfristig sei das Projekt auf der Suche nach einem anderen Standort. Ins Spiel gebracht hatte sich dafür auch die Markthalle Neun in Kreuzberg – sehr zum Ärger einiger Anwohner. „Die Menschen hier im Kiez werden davon kaum profitieren“, teilte die Initiative „Kiezmarkthalle“ mit, die seit einiger Zeit auch gegen die Pläne der Hallen-Betreiber protestiert, den dortigen Aldi-Supermarkt durch einen Drogeriemarkt zu ersetzen. Zumindest vorläufig wird die Kantine Zukunft Berlin jedoch nicht in die Markthalle ziehen, hieß es von der Verbraucherschutzverwaltung. Wohl mindestens bis Ende 2020 werde das Projekt im Haus der Statistik bleiben, sagte ein Sprecher.