Berlin. Wo sonst Talkshows gedreht werden, planen Berlins Schüler den Aufstand gegen die Bundesregierung. Berliner Union Film Ateliers, Studio 1. Im sieben Meter hohen Saal mit schwarzen Vorhängen an den Wänden haben sich am Dienstagabend an die 70 Schülerinnen und Schüler in einem großen Sitzkreis versammelt. Was sie hier planen, soll als der größte Klimastreik der Fridays-for-Future-Bewegung in die Geschichte eingehen. Die Organisatoren heißen Emma und Louis, Emil oder Anna Elena. Manche sind 12, manche 19 Jahre alt. Sie sind entschlossen und bestens organisiert.
Quang Anh Paasch, 18 Jahre alt und einer der vielen Pressesprecher der Bewegung in Berlin, sagt: „Wir demonstrieren seit neun Monaten. Das ist eine verdammt lange Zeit. Eine verdammt lange Zeit in der die Politik stillstand.“ Das stimmt so nicht ganz. Denn am Freitag will das Klimakabinett der Bundesregierung ein milliardenschweres Maßnahmenpaket gegen den Klimawandel präsentieren. Was auch stimmt: Klimaexperten halten das, was bislang über das Paket bekannt ist, für völlig unzureichend, um die Verpflichtungen aus dem Pariser Klimaabkommen einzuhalten. „Das ist höchstens ein erster Schritt“, sagt Quang Anh Paasch.
Deswegen sind sie heute hier, deswegen rufen sie am morgigen Freitag zum globalen Streik anlässlich des UNO-Gipfels in New York und des Klimakabinetts in Berlin auf. Demonstrationen in mehr als 150 Ländern und in mehr als 500 deutschen Städten sind angekündigt. In Berlin rechnet die Polizei mit 31 Demonstrationen, ein Großteil davon ist laut einem Sprecher der Klimapolitik gewidmet.
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Klimastreik in Berlni - Fridays for Future ruft alle Generationen zum Protest auf
Neu ist: Fridays for Future ruft alle Generationen zum Protest auf. Unter dem Motto „Alle fürs Klima“ haben sich Umwelt-, Sozial- und Menschenrechtsorganisationen zusammengetan, Kirchen, Gewerkschaften und Unternehmen unterstützen die Aktion. Die rot-rot-grüne Koalition im Abgeordnetenhaus hat die Schulen aufgerufen, sich dem Protest im Rahmen von Projekttagen anzuschließen. Oppositionsparteien wie etwa die CDU kritisieren das allerdings. Für die jungen Aktivisten von Fridays for Future heißt das vor allem eins: mehr Arbeit. Seit Wochen verteilen sie Flyer, kleben Plakate, agitieren auf Social Media. So wie Willi Schwope, ein 18-Jähriger aus Spandau mit Dutt. Er hat vergangenes Jahr Abitur gemacht und ist seit Monaten bei den Demonstrationen dabei. Am Freitag wird er zum ersten Mal auf einem der vielen Lautsprecherwagen moderieren. Er sagt: „Ich hoffe, dass wir am Freitag mehr als 40.000 auf die Straße bringen.“
Die Schulterschluss mit den älteren Generationen, mit anderen Bewegungen, er wurde kontrovers diskutiert. Denn gerade aus dem freitäglichen Streik gegen die Schulpflicht speisten die Aktivisten Kraft, wurden kritisiert und dadurch bekannt. Wenn jetzt sogar Schulen zum Demobesuch motivieren, ist das dann noch ein Klimastreik? Willi Schwope sieht das so: „Der Streik hat uns bekannt gemacht. Aber wir müssen wachsen. Das Klima geht uns alle an.“ Und so sitzen die Schüler nach dem Plenum in Studio 1 in kleinen Gruppen zusammen, beschließen Flyeraktionen, verteilen Sprüh-Schablonen, planen zusätzliche Aktionen am Freitag geht.
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Tatsächlich sind am Freitag nicht nur Fridays for Future mit 10.000 Teilnehmern um 12 Uhr am Brandenburger Tor angemeldet. Morgens beginnt eine Fahrraddemonstration am Ernst-Reuter-Platz, um 11 Uhr protestieren Unternehmer im Business-Anzug vor dem Finanzministerium, um 15 Uhr wollen Demonstranten zum Alexanderplatz tanzen: Das Motto der Protestierenden mit einem Faible für elektronische Musik lautet „Rave-Aufstand – No Future No Dancefloor“. Ab 16 Uhr hat dann die Umweltbewegung Extinction Rebellion Straßenblockaden an strategisch wichtigen Punkten in der Stadt angekündigt.
Polizei sieht Vermischung mit Linksradikalen
Ein Sprecher der Berliner Polizei sagt, man werde in der ganzen Stadt mit „sehr vielen Einsatzkräften“ unterwegs sein. Allerdings sei bislang jede der Klimademonstrationen absolut friedlich verlaufen. Damit rechnet die Polizei auch für diesen Freitag.
Mit Sorge betrachte man lediglich den radikaleren Ausleger Extinction Rebellion, hieß es aus Behördenkreisen. Sicherheitskreise beobachten Vermischungen der Klimaaktivisten mit dem linksradikalen Milieu. Ein Polizeisprecher sagt, bislang seien diese Aktionen des „zivilen Ungehorsams“ immer friedlich verlaufen. Bei Behinderung des Straßenverkehrs werde man das Gespräch und „eine Lösung suchen“, damit die Demonstranten die Straßen verlassen.