Berlin. Bei der Razzia sind Zoll und Bundespolizei in ganz Berlin gegen Schleuser im Baugewerbe vorgegangen. 1900 Beamte waren im Einsatz.

Mit einem Großeinsatz von 1900 Beamten sind am Mittwoch Beamte der Bundespolizei und der Zollbehörden gegen Schwarzarbeit am Bau in Berlin, Brandenburg und Sachsen-Anhalt ausgerückt. Dabei wurden nach Angaben der Berliner Generalstaatsanwaltschaft und des federführenden Hauptzollamtes Berlin mehr als 80 Baustellen, Büros, Geschäftsräume, Wohnungen und Sammelunterkünfte durchsucht.

Bei den Razzien ging es den Angaben zufolge um den Verdacht, dass Sozialversicherungsbeiträge nicht abgeführt worden seien. Ferner besteht der dringenden Verdacht, dass Ausländer eingeschleust und auf Baustellen ausgebeutet würden. Zudem sollen die Vorschriften zum Mindestlohn nicht eingehalten worden sein. Ermittler sprachen von einem gravierenden Fall von Menschenhandel.

Razzia in Berlin: Schaden durch Schwarzarbeit in Höhe von 1,7 Millionen Euro

Die Durchsuchungen begannen am frühen Vormittag und dauerten bis zum Nachmittag. Dabei wurde umfangreiches Beweismaterial, insbesondere Datenträger auf Computern und Smartphones sichergestellt. Die Behörden sprachen von einem Schaden in diesem Ermittlungskomplex in Höhe von 1,7 Millionen Euro. Festgenommen wurde den Angaben zufolge niemand. Im Visier der Ermittlungen stehen demnach sechs Verantwortliche eines Baugewerbe-Unternehmens. Der Razzia vorangegangen waren intensive Ermittlungen über einen längeren Zeitraum.

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Durchsucht wurden zeitgleich auch Geschäftsräume in Falkensee in Brandenburg sowie in Dessau und Halle in Sachsen-Anhalt. Die Beamten waren im Auftrag der Staatsanwaltschaft Berlin im Einsatz, die zuvor die notwendigen richterlichen Durchsuchungsbeschlüsse erwirkt hatte. Die Federführung bei den Durchsuchungsmaßnahmen hatte die „Finanzkontrolle Schwarzarbeit“, eine eigens für diesen Tatkomplex ins Leben gerufene Dienststelle, die eng mit dem Zollkriminalamt (ZKA) in Köln und den regionalen Zollfahndungs- und Zollämtern kooperiert.

Hintergrund: Schwarzarbeit: Wo betrogen wird – und wie Arbeitnehmer leiden

Schwarzarbeit: Verbände begrüßen Großrazzia in Berlin

Fachverbände der Baubranche reagierten am Mittwoch positiv auf die Razzia.„Das muss Schule machen“, erklärte der Bundesvorsitzende Robert Feiger der Industriegewerkschaft Bauen Agrar Umwelt (IG BAU). Nur durch ständige Kontrollen könne in der Baubranche illegale Beschäftigung wirksam bekämpft werden. Ähnlich reagierte die Fachgemeinschaft Bau, die vor allem mittelständische Unternehmen vertritt „Die Bekämpfung der Schwarzarbeit ist ein zentrales Anliegen der Fachgemeinschaft Bau. Daher begrüßen wir den heutigen Großeinsatz. Die Behörden müssen rigoros gegen bandenmäßigen Menschenhandel zur Arbeitsausbeutung im Baugewerbe vorgehen. Schwarzen Schafen muss klar sein, dass Verstöße konsequent geahndet werden“, sagte Manja Schreiner, Hauptgeschäftsführerin der Fachgemeinschaft Bau Berlin und Brandenburg.

Im Zusammenhang mit den Durchsuchungsmaßnahmen wurde bekannt, dass das „Berliner Beratungszentrum für Migration und gute Arbeit“ mit seinen bescheidenen Mitteln derzeit etwa 100 Bauarbeiter aus Südosteuropa dabei unterstützt, ihre Rechte und Lohnansprüche gegenüber den Baufirmen durchzusetzen. Die 100 Arbeiter stellten mit hoher Wahrscheinlichkeit nur einen Bruchteil der in Berlin tätigen Billiglohnkräfte dar. Vielen der Betroffenen wird der Lohn häufig gänzlich vorenthalten.

Am Alexanderplatz sind in einem Gebäude 180 polnische Firmen gemeldet

Der Einsatz ausländischer Billiglohnkräfte wird nach Auffassung von Branchenexperten und Ermittlern durch gesetzliche Regelungen geschaffen, die ein nahezu undurchdringliches Geflecht an General-, Sub- und Sub-Sub-Unternehem ermöglichen, dass sich beliebig ausweiten lässt. Allein in Berlin sind mehrere 100 Baufirmen vor allem aus Polen und Bulgarien offiziell und mit Firmenanschrift gemeldet, ohne dass dort irgendwelche Geschäftstätigkeiten erkennbar wären. So haben beispielsweise in einer Nebenstraße des Alexanderplatzes in einem unscheinbaren Gebäude 180 polnische Trockenbaufirmen ihren offiziellen Berliner Firmensitz. Das Gebäude könnte von seiner Größe maximal drei bis vier Unternehmen beherbergen.

Die Einschaltung ausländischer Firmen hat für Bauherren und Projektgesellschaften vor allem den Vorteil, dass diese Firmen mit besten Kontakten in ihre Heimatländer problemlos jede gewünschte Zahl von Arbeitskräften nach Berlin bringen kann. Diese Arbeiter, die zumeist nicht einmal Deutsch verstehen, wissen nichts über Tarife oder Arbeitsschutzbestimmungen in Deutschland-

Im vergangenen Jahr war die Finanzkontrolle Schwarzarbeit des Berliner Hauptzollamtes bei rund 1600 Prüfungen wegen Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung im Einsatz, das waren rund 100 Fälle mehr als im Vorjahr. Dabei wurden 4100 Ermittlungsverfahren eingeleitet sowie Buß- und Verwarnungsgeld in Höhe von rund 1,4 Millionen Euro verhängt. Die Schadenssumme lag den Angaben zufolge bei 88,6 Millionen Euro.

Neben dem Baugewerbe waren damals nach Angaben der Zollbehörden vor allem Hotels, Gaststätten, Speditionsfirmen sowie Reinigungsunternehmen überprüft worden.