Berlin/Schönefeld. Wenn über der Sixtinischen Kapelle in Rom weißer Rauch aufsteigt, wird das in aller Welt bejubelt. Weiß die Christenheit dann doch, dass im Vatikan endlich ein neuer Papst gefunden worden ist. Auch am neuen Hauptstadtflughafen BER in Schönefeld (Dahme-Spreewald) hoffen die Verantwortlichen, dass Rauch über dem Fluggasterminal aufsteigt – und das möglichst an der richtigen Stelle. Wäre dies doch das Signal, dass die elektronisch gesteuerten Ventilatoren und Lüfter den Qualm wie geplant aus dem Gebäudekomplex herausblasen. Bleiben die giftigen Gase jedoch im Terminal, könnte dies das endgültige Ende für das milliardenschwere BER-Projekt bedeuten.
Tests mit Heißluft und Rauchgas gehören zu den umfangreichen Praxisprüfungen, die am Montag am BER begonnen haben. Bei den sogenannten Wirk-Prinzip-Prüfungen werden von externen Sachverständigen vor allem die verschiedenen Brandschutzeinrichtungen im Flughafengebäude – inzwischen als Terminal T1 bezeichnet – unter Realbedingungen in Betrieb genommen. Ein Erfolg der Tests gilt als entscheidende Voraussetzung dafür, dass der Flughafen wie zuletzt mehrfach angekündigt im Oktober 2020 tatsächlich eröffnet werden kann. Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup ist da sehr zuversichtlich. „Wir erwarten keine größeren Probleme“, sagte er am Montag dem RBB-Inforadio.
Der von der Kapazität her drittgrößte Flughafen in Deutschland sollte eigentlich schon im Oktober 2011 in Betrieb gehen. Doch auch eine für Juni 2012 verkündete BER-Eröffnung musste von den Flughafeneignern, den Ländern Berlin und Brandenburg sowie dem Bund, abgesagt werden. Zehntausende kleine und große Baumängel sowie gravierende Technikprobleme und Planungsfehler verzögerten die Fertigstellung des 2006 begonnenen größten Infrastrukturvorhabens der Region.
Vor allem beim Brandschutz in den Terminalgebäuden gab es Mängel grundsätzlicher Art. Die Flughafengesellschaft FBB versuchte, diese in den vergangenen sieben Jahren mit umfangreichen und überaus teuren Umbauten und Ergänzungen zu beseitigen. Die Baukosten haben sich – auch aufgrund von Kapazitätserweiterungen – von ursprünglich zwei Milliarden auf inzwischen mehr als sechs Milliarden Euro mehr als verdreifacht.
Ob es Flughafen-Verantwortlichen und den von ihnen beauftragten Firmen wie Siemens, Bosch und ROM Technik tatsächlich gelungen ist, die Mängel abzustellen, muss sich nun im anstehenden Stresstest für die Gebäudetechnik erweisen. Vorgenommen werden die „übergeordneten Wirk-Prinzip-Prüfungen“ (WPP) dabei durch Sachverständige des Technischen Überwachungsvereins (Tüv) Rheinland. Sie testen, ob die verschiedenen Anlagengruppen und technischen Einrichtungen im Zusammenspiel funktionieren. Dazu zählen zum Beispiel die Brandmelde- und Alarmierungsanlagen sowie die Sicherheitsstromversorgung. Bislang sind zwölf wichtige Anlagengruppen, die in Aktion treten müssen, einzeln geprüft worden. Die FBB hat auch schon Systemtests durchgeführt. Diese seien erfolgreich verlaufen, ist zu hören. Ob das auch unabhängige Experten mit ihrer Unterschrift bestätigen, wird sich nun zeigen.
Insgesamt soll es mehr als 300 unterschiedliche Testszenarien geben, die von den Gutachtern durchexerziert werden. Dabei wird zum Beispiel ein Brand in einem Teil des Gebäudekomplexes simuliert. Geprüft wird, ob rechtzeitig Feueralarm ausgelöst wird, ob Warndurchsagen erfolgen, die Sprinkler an der richtigen Stelle Wasser versprühen und die Fahrstühle wie vorgesehen stoppen. An einem Tag wird auch die reguläre Stromversorgung gekappt. Dann müssen die Notstromaggregate automatisch anspringen und alle sicherheitsrelevanten Anlagen mit Energie versorgen.
Für die WPP sind laut Flughafen 40 Arbeitstage, das sind rund zwei Monate, veranschlagt. Einen weiteren Monat haben die Sachverständigen Zeit, Prüfprotokolle und Abnahmedokumente zu erstellen. Dann wäre es Ende Oktober, ziemlich genau ein Jahr vor der angekündigten BER-Eröffnung. Erst wenn diese Unterlagen komplett vorliegen, kann die Flughafengesellschaft beim Bauordnungsamt des Landkreises Dahme-Spreewald die Baufertigstellungsanzeige abgeben. Diese ist wiederum Voraussetzung, dass die Behörden die Unterlagen abschließend prüfen und der Flughafen-Inbetriebnahme ihr Okay geben. Nach Ansicht von Experten darf in diesen Ablauf nichts mehr dazwischenkommen, um den Eröffnungstermin im Oktober nächsten Jahres halten zu können. Die Berliner CDU bleibt da weiter skeptisch. „Flughafenchef Lütke Daldrup hatte die Prüfungen seit dem Frühjahr wiederholt angekündigt, den Termin aber immer weiter nach hinten geschoben. Nun geschieht es in diesem Monat buchstäblich auf den letzten Drücker“, sagte Christian Gräff, CDU-Obmann im BER-Untersuchungsausschuss im Berliner Abgeordnetenhaus. Es bleibe weiterhin unklar, ob sich der für Ende 2020 geplante Eröffnungstermin halten lasse. „Bisher wurden weder Deutsche Flugsicherung noch die Airlines informiert. Sie benötigen zur Vorbereitung eines Umzugs ein gutes Jahr“, so Gräff.
Umzug nach Schönefeld soll drei Wochen dauern
Dem widerspricht die Flughafengesellschaft. „Natürlich sind wir mit allen Beteiligten im Gespräch. Und sie wissen, dass wir den BER im Oktober 2020 eröffnen wollen“, so der Flughafensprecher. Im kommenden Vierteljahr, so kündigte es Flughafenchef Lütke Daldrup an, soll mit allen Partnern von den Bodenverkehrsdiensten bis zu den Airlines der genaue Ablauf des Umzugs besprochen werden. Die Mieter am BER hätten bereits im November vorigen Jahres begonnen, die rund einhundert Mietbereiche in der ersten Stufe auszubauen. Im kommenden Winter soll dann der Endausbau der Ladenflächen erfolgen.
Der Umzug von Tegel zum BER in Schönefeld soll maximal drei Wochen dauern. Danach werde der Flugverkehr komplett am BER abgewickelt.