Berlin. Der jahrelange wirtschaftliche Aufschwung Berlins kommt auch bei den Arbeitslosen und Geringverdienern an. Die Zahl der Haushalte, die von Grundsicherung (Hartz IV) leben, ist seit 2006 um 86.000 auf noch 259.000 im Juni 2019 gesunken. 351.900 Menschen beziehen jetzt Grundsicherung, 2006 waren es noch fast 100.000 mehr.
Nach Daten der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg der Bundesagentur für Arbeit (BA) war der Abbau in den vergangenen beiden Jahren besonders stark. Der Rückgang fand trotz starken Zuzugs von Flüchtlingen statt, von denen inzwischen 27.000 Haushalte mit 37.000 Personen ins System der Grundsicherung gewechselt sind. 15.000 Flüchtlinge haben inzwischen in Berlin reguläre Arbeit gefunden. 850 machen eine Ausbildung.
Inzwischen müssen in Berlin auch weniger Menschen ihre zu geringen Löhne mit Sozialleistungen ergänzen, um genug zum Leben zu haben. Die Zahl der so genannten Aufstocker hat von 120.000 vor vier Jahren auf 94.000 abgenommen. Dahinter stehen steigende Löhne. So liege Berlin bei den monatlichen Durchschnittsverdiensten nur noch 62 Euro hinter dem Bundesniveau zurück, sagte der Chefs der Regionaldirektion Bernd Becking der Berliner Morgenpost: „Auch in den unteren Lohngruppen ist Bewegung.“
Das bestätigen aktuelle Daten des Statistischen Landesamtes. Demnach haben Berliner Arbeitnehmer im ersten Quartal 2019 2,9 Prozent mehr verdient als im Vorjahr. Der Durchschnittsverdienst stieg damit auf 3382 Euro brutto im Monat. Im in der Regel weniger gut bezahlten Dienstleistungssektor war das Plus sogar noch etwas höher. Angelernte Arbeitnehmer waren unterdessen die großen Gewinner. Die hohe Nachfrage von Lieferdiensten, Sicherheitsfirmen oder Handelsketten sorgte in dieser Gruppe für ein Lohnplus von 5,8 Prozent. Gleichzeitig lässt ein starker Zuwachs an Stellen für Hochqualifizierte von 25 Prozent über vier Jahre das Verdienstniveau generell steigen.
Die Arbeitslosenquote in Berlin wird nach Einschätzung des Regionaldirektions-Chefs Becking weiter sinken, auch wenn die Marke von sieben Prozent in Berlin (derzeit 7,8 Prozent) wohl in diesem Jahr nicht mehr unterboten werde. Zwar sorgten die Schließung des Philipp-Morris-Werks in Neukölln oder der Stellenabbau beim Online-Bezahldienst PayPal für eine steigende Zahl an Arbeitslosen. Deren Zahl liege aktuell um 2300 über dem Niveau des Vorjahres, sagte Becking. Bei den von den Jobcentern betreuten Langzeitarbeitslosen finde aber ein stärkerer Rückgang statt, sodass die Arbeitslosigkeit insgesamt zurückgehen werde.
Jobs mit Lohnkostenzuschuss sind in Berlin sehr begehrt
Auch der Aufbau neuer sozialversicherungspflichtiger Stellen hat sich etwas verlangsamt. Lag die Zahl der neuen Stellen in den vergangenen Monaten oft um mehr als 50.000 über den Werten der Vorjahresmonate, entstünden derzeit lediglich 45.000 bis 49.000 neue Jobs: „Andere Länder würden davon träumen“, sagte Becking. Die Jobcenter leisten mit dem neuen, sogenannten Teilhabechancengesetz des Bundes einen Beitrag zum Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit. 1900 Menschen haben sie seit Anfang des Jahres mit bis zu 100-prozentigen Lohnzuschüssen an Betriebe vermittelt. 5000 solcher Stellen seien für Berlin finanzierbar, sagte Becking. Er hoffe, dass viele dieser Menschen auch nach Auslaufen der Förderung in den Unternehmen bleiben werden.
Das Bild aus Berlin und Brandenburg bestätigte BA-Vorstandschef Detlef Scheele. In ganz Deutschland sei es bis Ende Juni gelungen, 21.300 Langzeitarbeitslose in öffentlich geförderte Jobs zu bringen. „Wenn das so weitergeht, haben wir bereits 2020 so viele Arbeitsverhältnisse geschaffen, wie wir theoretisch mit den vorhandenen Mitteln finanzieren können.“ Insgesamt stehen für den Sozialen Arbeitsmarkt vier Milliarden Euro für fünf Jahre bereit.
Am Geld soll auch die Unterstützung für die Berliner Arbeitssuchenden nicht scheitern. „Wir haben genügend Geld“, betonte Regionaldirektions-Chef Becking. Das Budget für die Eingliederung ist erheblich gestiegen. Die drei Berliner Arbeitsagenturen verfügen über 142 Millionen Euro, zehn Prozent mehr als im Vorjahr. Die zwölf Jobcenter dürfen 468 Millionen Euro ausgeben, ein Plus von neun Prozent. Insgesamt steht pro Erwerbslosem nun 30 Prozent mehr Geld zur Verfügung als noch 2016.
„Die meisten Menschen finden Jobs“