Die Exzellenzstrategie. Sperrig kommt der Begriff daher, mit dem außerhalb der Wissenschaftscommunity wenige etwas anzufangen wissen und der morgen doch die Schlagzeilen bestimmen wird. In diesem größten Forschungswettbewerb der deutschen Geschichte steht am Freitag wieder die Kür der Exzellenzuniversitäten an. Dann werden sich die Blicke nach Bonn richten, wo die institutionellen Oscars der deutschen Wissenschaft vergeben werden.
Langjährige Kenner schließen bereits Wetten ab – nicht ob, sondern wann die Live-Übertragung der Ergebnisse traditionell schon wegen völliger Überlastung zusammenbricht. Nur elf Gewinner kann es geben, sagen die Regeln von Bund und Ländern, in sieben Jahren können dann vier weitere dazustoßen. Mit im Rennen sind die Freie Universität, die Humboldt-Universität, die Technische Universität zusammen mit der Charité. Ihr Ziel: nach Erfolgen in 2007 und 2012 den begehrten Exzellenztitel nun zum dritten Mal in die Hauptstadt holen. Damit auch zusätzliche finanzielle Mittel und die Anerkennung, zu den besten zu gehören. Nicht als Einzelkämpferinnen treten sie diesmal an, sondern als Team, mit einer mutigen gemeinsamen Zukunftsvision.
Eine Liebeserklärung an die Berlin University Alliance
Höchste Zeit also für eine Liebeserklärung an die Kooperation, an die Berlin University Alliance. Man muss zugeben, Berlin war nicht immer der Ort großer Zuneigung für seine Wissenschaftseinrichtungen. Die Sparzwänge einer über lange Zeit finanzschwachen Stadt trafen auch die Hochschulen hart. Diskussionen um Schließungen und Zusammenlegungen förderten ungesunde Konkurrenzen und störten das Vertrauen unter den Institutionen und zur Politik. Während man andernorts stolz mit Innovation, Laptops und Lederhosen warb, krähte in Berlin kaum ein Hahn nach der Wissenschaft, mussten Universitäten und Hochschulen um Aufmerksamkeit kämpfen. Das ist heute anders.
Vorreiter bei Themen wie Digitalisierung oder Medizin
International gehört die Hauptstadt inzwischen zu den spannendsten Wissenschaftsmetropolen, eine richtige Sogwirkung hat sie in den vergangenen Jahren entwickelt. Jeder dritte neue Studierende kommt aus dem Ausland, immer mehr Forschergrößen, neue Stiftungen und innovative Unternehmen zieht es an die Spree. Nirgends in Deutschland ist die Bandbreite an Forschungsexpertise so groß, das institutionelle Mosaik so vielfältig. Wir sind Vorreiter bei Themen wie Digitalisierung oder Medizin, setzen Impulse über die Stadtgrenzen hinaus. Und: Berlin steht fest zu seinen Hochschulen und Forschungseinrichtungen, nicht nur mit herzlichen Worten, sondern auch mit Milliardeninvestitionen. Weil das langfristig der wichtigste Faktor ist für eine nachhaltig positive Entwicklung unserer Stadt. Davon bin ich fest überzeugt. „Crossing boundaries“, Grenzen überwinden, steht da auf dem Cover des Berliner Antrags im Exzellenzwettbewerb, darüber funkeln in den Farben der FU, HU, TU und Charité die großen Letter „Berlin University Alliance“. Ein Kilo wiegt das Werk, auf gut 270 Seiten wird die Vision beschrieben, wie man Berlin zu einem integrierten Forschungsraum formen will.
19 Bewerber haben ihre Konzepte eingereicht
In einer Stadt, die vor 30 Jahren die Teilung überwand, entsteht durch Kooperation ein einmaliges Potenzial, das wir für die Auseinandersetzung mit den großen Zukunftsherausforderungen unserer Gesellschaft nutzen wollen. Das ist der Kern der Berliner Idee. Sie hätten auch das Zeug gehabt, jede für sich in den Ring zu steigen. Alle drei Universitäten haben im Vorentscheid zum morgigen Finale hervorragend abgeschnitten, sieben millionenschwere Forschungscluster im Wettbewerb errungen, ihre Forschungsstärke und Innovationskraft bewiesen.
Universitäten wählten den gemeinsamen Weg
Dass alle drei Universitäten zu den deutschen Top 10 gehören, belegen die gängigen Rankings regelmäßig. Es wäre vielleicht der einfachere Weg gewesen, sie wählten aber den gemeinsamen. Weil es an einem Wissenschaftsstandort wie Berlin der natürliche nächste Schritt ist und die ausgeprägte Kooperationskultur inzwischen Berlins besonderes Markenzeichen. Das sagen nicht nur wir, sondern auch die Deutsche Forschungsgemeinschaft. Es ist ohne Zweifel eine ambitionierte Roadmap und auch ein Novum im Exzellenzwettbewerb.
Landauf, landab reisten in den vergangenen Monaten hunderte internationale Gutachterinnen und Gutachter, verglichen die Konzepte der 19 Bewerber, von Kiel bis nach Konstanz, wälzten Tausende von Antragsseiten und Zahlenwerke. Als sie nach Berlin kamen, saßen ihnen gegenüber nicht nur Berliner. Die Uni-Chefs aus Oxford und Jerusalem waren angereist, um Seite an Seite für die Vision der Berliner zu werben. Weil auch sie von diesem Weg überzeugt sind und weil ihre Institutionen mit der Berlin University Alliance jetzt schon eng kooperieren. Dass das Berliner Beispiel auch andernorts Widerhall findet, bestätigt unseren Kurs.
Auch in Stockholm wollen die Universitäten kooperieren
Just vor zwei Monaten verkündeten die renommierten Universitäten der schwedischen Hauptstadt die Gründung einer Stockholm University Alliance. Ein Modell für die Zukunft also, oder wie es die Bundesforschungsministerin kürzlich bei unserem gemeinsamen Termin zur Integration des Berliner Instituts für Gesundheitsforschung in die Charité grundsätzlich formulierte: Vernetzung ist der Schlüssel zum Erfolg. Morgen also der Tag, an dem sich für die Wissenschaft in Deutschland einiges entscheidet und Bilder von Universitätsgebäuden in der „Tagesschau“ zu sehen sein werden. Dann wissen wir, ob die innovative Berliner Idee überzeugen konnte. Hunderte waren an ihrer Entwicklung beteiligt, die Mitwirkung in den Universitäten so breit wie nie zuvor. Eine ganz besondere Aufbruchstimmung, die auch einen Regierenden Bürgermeister begeistert, wenn er gegenüber der Begutachtungskommission die uneingeschränkte Unterstützung des Landes für die Berlin University Alliance erklären kann.
„Sekt oder Selters?“ schreiben die drei Berliner Universitäten und die Charité in ihrer Einladung zum Public Viewing der Ergebnisse am Freitag in der Urania. Welches Getränk es auch sein wird, wir werden tags darauf weiter daran arbeiten, Grenzen zu überwinden und Kooperationen zu fördern. Weil es unser, weil es der Berliner Weg ist.