Berlin. Kaum eine Kommune hatte in den vergangenen Jahrzehnten so stark mit ihrer Schuldenlast zu kämpfen wie das Land Berlin. Nach der Wiedervereinigung kannten die roten Zahlen in der Hauptstadt nur den Weg steil nach oben. So hatte sich der Schuldenberg innerhalb von 15 Jahren von 10,8 Milliarden Euro im Jahr 1991 auf 60,1 Milliarden Euro im Jahr 2006 fast versechsfacht. Den Höchststand erreichten Verbindlichkeiten der Bundeshauptstadt im Jahr 2011 bei 62,9 Milliarden Euro. Weder im Bundeshaushalt noch in den Etats anderer Länder waren ähnliche Entwicklungen zu verzeichnen.
Die Berliner Senatsfinanzverwaltung führt drei Gründe für Berlins hohe und schnell anwachsende Schuldenlast an. Zum einen sei das neu geschaffene Land in den Jahren 1991 bis 1994 aus der Bundeshilfe in den Verbund des Länderfinanzausgleichs überführt worden. Das habe einen Einnahmeneinbruch von mehr als fünf Milliarden Euro pro Jahr zur Folge gehabt. Daneben habe die verfehlte Wohnungsbaupolitik ab den späten 60er-Jahren zu langfristigen Belastungen des Haushalts geführt. Als dritter großer Faktor werden die Erblasten der Berliner Bankenkrise im Jahr 2001 ausgemacht.
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Schulden in Berlin: Keine neue Kreditaufnahme ein zentrales Ziel
Zu Beginn des neuen Jahrtausends gelang es Berlin, den Anstieg der Ausgaben zu bremsen. Die Anstiegsraten wuchsen zwischen 2001 und 2013 auf insgesamt 6,6 Prozent, also weniger als ein halbes Prozent im Jahr. Im Vergleich dazu stiegen im Durchschnitt der Länder die Ausgaben um 22,7 Prozent.
Aufgrund wachsender Einnahmen kann Berlin seine Schulden seit 2012 abbauen. So weist die Senatsfinanzverwaltung nach einer sechsjährigen Konsolidierungsphase bis Ende 2018 einen Rückgang um mehr als fünf Milliarden Euro auf einen Schuldenstand von 57,6 Milliarden Euro aus. Keine neue Nettokreditaufnahme sei seit Jahren ein zentrales Ziel in der Haushaltspolitik. Man erfülle schon jetzt das Ziel, dass ab 2020 mit der Schuldenbremse zwingend gelte. Alle Maßnahmen zur Konsolidierung werden seit 2010 auch von einem Stabilitätsrat beobachtet. Das gemeinsame Gremium von Bund und Ländern schloss im Jahr 2012 mit Berlin eine Sanierungsvereinbarung ab, aus der die Stadt 2017 aufgrund der Konsolidierungserfolge entlassen wurde.
Im Vergleich zu anderen Ländern ist die Verschuldung Berlins allerdings immer noch sehr hoch. Auf die Einwohner umgerechnet trägt jeder Berliner eine Last von 15.783 Euro. Damit ist nicht nur der für Stadtstaaten ohnehin höher angesetzte Schwellenwert von 14.619 Euro überschritten. Der Länderdurchschnitt liegt sogar nur bei 6645 Euro. Berlin liegt bei der Pro-Kopf-Verschuldung aber keineswegs an der Spitze, sondern hinter dem Saarland (17.499 Euro), Hamburg (18.750 Euro) und Bremen (31.770 Euro) an vierter Stelle. Mit 1040 Euro sind die Sachsen am geringsten belastet.
Bund der Steuerzahler sieht Vorschlag skeptisch
Die hohen Schulden der Kommunen resultieren laut dem Präsidenten des Deutschen Städtetags und Leipziger Oberbürgermeisters Burkhard Jung (SPD) vor allem darin, dass den Bürgern weniger angeboten werden könne. Sichtbar werde das etwa beim Sanierungsstau bei Schulen, Schwimmbädern oder Straßen. „Die betroffenen Städte brauchen endlich Hilfe von Bund und Ländern, weil sie sich allein von dieser Last nicht befreien können“, sagte Jung der Berliner Morgenpost. Er appellierte an die Bundesregierung, „ein Zeichen für die von Altschulden geplagten Städte zu setzen“ und diese finanziell zu unterstützen.
Der Bund der Steuerzahler sieht Jungs Vorschlag skeptisch. Zwar beobachte er das beschriebene Problem durchaus auch, sagt der Berliner Landesvorsitzende Alexander Kraus. Er sehe aber das Risiko einer „Vollkaskoversicherung“. „Die Lehre für die Kommunen könnte sein, dass sie weiter Schulden machen können, weil die im Zweifel vom Bund übernommen werden.“ Am Mittwoch will das Bundeskabinett Empfehlungen für gleichwertige Lebensverhältnisse beschließen.