Berlin. Am Dienstag hat der Senat die Eckpunkte des Mietendeckels beschlossen. Nur einen Tag zuvor, am Montag, klingelte es bei einer Morgenpost-Leserin aus Steglitz-Zehlendorf an der Tür. Draußen stand ihr Vermieter, der im gleichen Haus wohnt. „Tut mir leid, dass ich Sie so überfalle“, sagte er, „aber es ist dringend.“ In der Hand hielt er Kuverte, für jeden Mieter eins. Darin verpackt: die Mieterhöhung.
Berlinweit klagen etliche Mieter darüber, nach der Senatsankündigung, einen Mietendeckel einführen zu wollen, noch kurzfristig Mieterhöhungsschreiben der Hausbesitzer erhalten zu haben. Zu solchen hatte etwa der Eigentümerverband „Haus und Grund“ Vermieter zuletzt aufgerufen. Beim Berliner Mieterverein habe man in den Tagen vor der Senatssitzung eine starke Zunahme von Mieterhöhungen registriert, sagte der stellvertretende Geschäftsführer Sebastian Bartels. Mieter riefen deutlich häufiger an als gewöhnlich.
Vermieter sehen Wirtschaftlichkeit gefährdet
Im Fall der Mieterin aus Steglitz-Zehlendorf hatte der Vermieter die Miete am Wochenende neu berechnet. Für die Leserin bedeutet das eine Erhöhung von 58,38 Euro monatlich. Mitgebracht hatte der Eigentümer auch ein Schreiben an alle Mieter, in dem er nochmals schriftlich für Verständnis warb. Er sei bestrebt, das Wohnhaus in gutem Zustand zu erhalten bzw. notwendige Investitionen zu tätigen, wie das in der Vergangenheit auch immer wieder geschehen sei. „Dazu ist eine gewisse Wirtschaftlichkeit notwendig“, so der Vermieter. Diese könnten aufgrund des geplanten Mietendeckels seitens des Senats und stetig steigenden Handwerkerkosten in ein Ungleichgewicht kommen.
Die Mieterin unterschrieb die Mieterhöhung sogleich – ein Schritt, von dem Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) abrät. Erhöhungen seien demnach erst wirksam, wenn Mieter zustimmen, sagte die Senatorin. Wenn sie das nicht machten, zähle die bestehende Miete zum 18. Juni, der als Stichtag für den Mietendeckel gilt.
Degewo verschickt Mieterhöhung trotz Mietendeckel
Aus diesem Grund hat Martin Wagner von einer Unterschrift bisher abgesehen. Bei dem Mieter aus Gesundbrunnen landete die Mieterhöhung am 18. Juni im Briefkasten, abgesendet von der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft Degewo. Sie fordert nun 4 Prozent mehr.
Für Wagner ist das unverständlich. „Von einer stadteigenen Wohnungsbaugesellschaft würde ich eigentlich erwarten, dass sie Vorreiter ist beim bremsen der Mietsteigerungen.“ Wenn es auch die Wohnungsunternehmen in Landeshand nicht schafften, mit gutem Beispiel voran zu gehen, führe dies das Konzept der Mietpreisdeckelung ad absurdum.
Bausenatorin Lompscher verlangt, Mieterhöhungen zurückzunehmen
Mit dem angekündigten Senatsbeschluss habe die Mieterhöhung nichts zu tun gehabt, verteidigt sich die Degewo. „Die Koinzidenz mit dem Mietendeckel ist nicht geplant gewesen und ist ein Zufall“, sagte Degewo-Sprecher Paul-Gerhard Lichtenthäler. Die Anhebungen würden turnusmäßig durchgeführt, etwa als Anpassung an den im Mai vorgelegten neuen Berliner Mietspiegel. In der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung sieht man das Verhalten der Degewo trotzdem nicht gerne. Bereits am 7. Juni hatte Senatorin Lompscher einen Brief an die sechs landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften geschrieben mit der Anweisung, kurzfristige Mieterhöhungen auszusetzen. „Alle Mieterhöhungsverlangen, die zum 18. Juni nicht rechtswirksam sind, sollen zurück genommen werden“, sagte Petra Rohland, Sprecherin der Stadtentwicklungsverwaltung. Wie die Degewo damit umgehen wolle, sei noch offen, sagte Sprecher Lichtenthäler. Mieter Martin Wagner jedenfalls, wird mit seiner Unterschrift noch abwarten und sehen, wie sich die Dinge entwickeln.