In Berlin sind im vergangenen Jahr Fahrräder im Wert von 18,2 Millionen Euro gestohlen worden. Insgesamt registrierte die Polizei 27.529 Fahrraddiebstähle. Am gefährlichsten war es demnach, sein Rad in Pankow Zentrum und im Gräfekiez in Kreuzberg abzustellen. Hier erfolgten mit 547 und 403 die meisten Diebstähle. Das geht aus der Antwort des Innensenators auf eine Anfrage der Grünen hervor. Auch in den vergangenen Jahren lagen die Zahlen mit 27.500 (2017) und 30.200 (2016) sehr hoch. Die Aufklärungsquote liegt mit 4,0 Prozent dagegen auf sehr niedrigem Niveau.
Grüne fordern Ermittlungsgruppe bei der Polizei
„Da müssen wir ran“, sagt der Fahrrad-Experte der Grünen, Stefan Taschner. „Es zeigt sich, ohne dagegen zu steuern, ändert sich nichts“, sagt Teschner. Die Grünen fordern daher eine dauerhafte eigene Ermittlungsgruppe bei der Polizei, um mehr Raddiebstähle aufzuklären. München habe damit in den vergangenen Jahren gute Erfahrungen gemacht. Dort liege die Aufklärungsquote mit 15 bis 18 Prozent in den vergangenen Jahren deutlich höher.
Schon vom 1. Mai 2018 bis zum 30. April 2019 hatte es eine Ermittlungsgruppe „Velo“ bei der Berliner Polizei gegeben. Die Ergebnisse dieses Pilotprojekts sollen nach Angaben der Innenverwaltung jetzt ausgewertet werden. Dabei ging es vor allem um Erkenntnisse zur Organisation der Täter und Banden und den jeweiligen Absatzwegen.
Auch der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC) fordert eine ständige Ermittlungsgruppe bei der Polizei. „Fahrraddiebstahl ist kein Kavaliersdelikt“, sagt ADFC-Sprecher Nikolas Linck. „Fahrradklau ist eine sehr organisierte Art von Kriminalität.“ International operierende Banden seien hoch spezialisiert und international unterwegs. Das mache eine systematische Verfolgung notwendig. „Es liegt in der Verantwortung der Sicherheitsbehörden, dagegen vorzugehen“, sagt Linck. Bislang verfolge die Polizei mit dem Hinweis auf Personalmangel den Fahrraddiebstahl nur halbherzig, kritisiert der ADFC.
Wo Fahrraddiebe zugreifen: Die Kieze mit den meisten Diebstählen
Charlottenburg-Wilmersdorf: 3.124
Ernst-Reuter-Platz: 214
Karl-August-Platz: 168
Breitscheidplatz: 134
Amtsgerichtsplatz: 129
Rüdesheimer Platz: 122
Friedrichshain-Kreuzberg 4.005
Graefekiez: 403
Samariterviertel: 309
Boxhagener Platz: 282
Urbanstraße: 250
Chamissokiez: 231
Lichtenberg: 1.601
Weitlingstraße 227
Rüdigerstraße 198
Sewanstraße 141
Victoriastadt 130
Frankfurter Allee Süd 102
Marzahn-Hellersdorf: 835
Alt-Mahlsdorf: 84
Alt-Kaulsdorf: 71
Alt-Biesdorf: 63
Biesdorf Süd: 49
Oberfeldstraße: 49
Mitte: 3.857
Alexanderplatzviertel: 243
Oranienburger Straße: 205
Emdener Straße: 191
Invalidenstraße: 184
Rehberge: 166
Neukölln: 1.652
Reuterkiez: 261
Rixdorf: 221
Flughafenstraße: 137
Donaustraße: 114
Körnerpark 111
Pankow: 3.929
Pankow Zentrum: 547
Pankow Süd: 367
Humannplatz: 328
Helmholtzplatz: 273
Kollwitzplatz: 222
Reinickendorf: 892
Hermsdorf: 105
Frohnau: 95
Teichstraße: 75
Alt-Tegel: 62
Wittenau Süd: 48
Spandau: 949
Carl-Schurz-Straße: 132
Borkumer Straße: 96
Adamstraße: 78
Rohrdamm: 76
Motardstraße: 47
Steglitz-Zehlendorf: 1.998
Zehlendorf Mitte: 306
Schloßstraße: 137
Markelstraße: 98
Fischerhüttenstraße: 86
Lichterfelde West: 84
Tempelhof-Schöneberg: 2.486
Friedenau: 270
Kaiser-Wilhelm-Platz: 197
Neu-Tempelhof: 182
Nollendorfplatz: 177
Schöneberger Insel: 174
Treptow-Köpenick: 1.951
Bölschestraße: 177
Elsenstraße: 176
Adlershof West: 149
Dammvorstadt: 126
Schnellerstraße: 118
Unbekannt in Berlin: 250
Gesamtergebnis: 27.529
Wert gestohlener Räder steigt seit Jahren an
Für die Banden ist der Diebstahl ein immer lukrativeres Geschäft, denn die gestohlenen Fahrräder haben einen immer höheren Wert. Der durchschnittliche Schaden habe im vergangenen Jahr 663 Euro betragen, 2017 waren die gestohlenen Räder im Schnitt noch 629 Euro wert. Der Anstieg sei „wahrscheinlich auch auf die zunehmende Verbreitung von E-Bikes und damit gestiegenen durchschnittlichen Neupreisen zurückzuführen“, heißt es in der Antwort der Innenverwaltung.
Die tatsächliche Zahl der Diebstähle liegt sehr viel höher, denn viele Taten werden von den Besitzern nicht gemeldet, vor allem weil die Räder nicht versichert waren oder die Besitzer sich keinen Erfolg davon versprechen, den Diebstahl zu melden.
Der gefährlichsten Bezirk für Rad-Besitzer ist Friedrichshain-Kreuzberg. Dort wurden im vergangenen Jahr 4005 gestohlen, es folgten Pankow (3929) und Mitte (3857). Die wenigsten Diebstähle gab es in Marzahn-Hellersdorf (835). Vor allem vor Bahnhöfen, wo viele Räder abgestellt werden, schlagen die Täter zu. So ist in Mitte der Alexanderplatz mit 243 Diebstählen Spitzenreiter, in Steglitz-Zehlendorf werden die meisten Räder in Zehlendorf Mitte rund um den S-Bahnhof gestohlen (306).
Zehlendorf: Bau eines Rad-Parkhauses geplant
Um die Zahl der Diebstähle zu reduzieren, ist in Zehlendorf am Bahnhof der Bau eines Rad-Parkhauses geplant. Ähnliche Pläne existieren für das Ostkreuz, am Gesundbrunnen soll es eine umzäunte, doppelstöckige Abstellanlage geben. „Solche sicheren Abstellplätze brauchen wir, um dem Diebstahl Herr zu werden“, sagt ADFC-Sprecher Linck. Im neuen Mobilitätsgesetz sind solche sicheren Abstellmöglichkeiten vorgeschrieben. Vielerorts fehlten allerdings noch stabile Bügel, an denen die Radfahrer ihre Fahrzeuge anschließen können.
Die meisten der Räder verschwanden auf der Straße oder aus dem Hof, nur in jedem sechsten Fall handelt es sich um Diebstähle aus Kellern. Der ADFC empfiehlt deshalb, das Rad am besten mit in die Wohnung zu nehmen.
Derzeit arbeitet die Berliner Polizei gemeinsam mit der Beuth-Hochschule im Projekt „FindMyBike“ an standardisierter Soft- und Hardware, um im Falle des Diebstahls Zugriff auf die Positionsdaten zu ermöglichen. GPS-Sender könnten dazu führen, Räder schnell wiederzufinden und Diebe zu überführen, hofft die Polizei.
Teure Schlösser und Codierungen sollen helfen
Der ADFC rät Radfahrern, die Räder mit guten Schlössern, die 50 Euro oder mehr kosten, anzuschließen. „Wer ganz sicher gehen will, verwendet zwei verschiedene Schlösser, ein Bügel- und ein Kettenschloss“, rät der Sprecher des Fahrradclubs, Nikolas Linck. Fahrraddiebe seien häufig auf eine bestimmte Schlossart spezialisiert und trügen leichtes Werkzeug dabei, um schnell und unerkannt zuzuschlagen.
Eine abschreckende Wirkung haben auch Codierungen, die von der Polizei und dem ADFC vorgenommen werden. Dabei werden Nummern in den Rahmen des Fahrrads gefräst, die die Räder und deren Halter registrieren. Das erschwert den Weiterverkauf gestohlener Räder. Gegenüber einer neuen Technik, Räder mit GPS-Ortungsgeräten auszustatten, ist der ADFC dagegen zurückhaltend. „Die Geräte sind teuer und wenn ein gestohlenes Rad im Ausland geortet wird, geschieht nichts“, sagt Linck. Anders als beim Autodiebstahl, wo europaweit gut zusammengearbeitet werde, fehle eine derartige Kooperation beim Fahrraddiebstahl.