Abgeordnetenhaus

Senatoren wollen Sitzung fernbleiben - dürfen aber nicht

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Jens Anker
Katrin Lompscher und Dirk Behrendt

Katrin Lompscher und Dirk Behrendt

Foto: Christoph Soeder / picture alliance/dpa

Gleich vier Senatoren wollen sich für die kommende Parlamentssitzung entschuldigen lassen - das lehnt der Regierende Bürgermeister ab.

Im Ältestenrat des Abgeordnetenhauses ist ein Streit darüber entbrannt, welche Senatoren bei der kommenden Parlamentssitzung fehlen dürfen und wer nicht. Gleich drei Senatoren und der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) wollen fehlen. Das lässt das Parlament aber nicht zu.

Eine Mindestzahl an Regierungsmitgliedern muss anwesend sein – so sehen es die Regeln für das hohe Haus vor. Das Parlament müsse ausreichend Gelegenheit haben, die Regierung zu befragen und zu kontrollieren.

Michael Müller will den Justizsenator nicht fahren lassen

Nun kam es im Ältestenrat und einen Tag später in der Runde der Geschäftsführer zum Eklat: Der Regierende Bürgermeister bat den Präsidenten des Abgeordnetenhauses, Ralf Wieland (SPD), zwar, die Abwesenheit von Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) für die Teilnahme an der Kultusministerkonferenz, die Abwesenheit der Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (ehemals Kolat, SPD) für die Gesundheitsministerkonferenz und seine eigene Abwesenheit für die Ministerpräsidentenkonferenz zu entschuldigen – nicht aber die Abwesenheit des Grünen-Justizsenators Dirk Behrendt für die Justizministerkonferenz in Travemünde.

Behrendt wittert dahinter politisches Kalkül

Das sah Behrendt nicht ein und witterte parteitaktisches Kalkül. „Herr Behrendt plant, zur Justizministerkonferenz zu fahren, so wie es auch SPD-Senatsmitglieder bei Fachkonferenzen dürfen“, sagte der Sprecher der Justizverwaltung, Sebastian Brux.

Dabei verweist die Justizverwaltung auf einen Senatsbeschluss. „Aus aktuellem Anlass bekräftigt der Senat seine Position, dass die Teilnahme eines Senatsmitgliedes an einer Fachministerkonferenz eine Entschuldigung für eine Nichtteilnahme an einer Sitzung des Abgeordnetenhauses rechtfertigt“, hatte der Senat beschlossen – für alle Senatoren, egal welcher Parteizugehörigkeit.

Der Parlamentspräsident nahm das Schreiben zur Kenntnis

Der Justizsenator wollte sich daraufhin selber beim Parlamentspräsidenten entschuldigen und schickte ein entsprechendes Schreiben an Wieland. Das ist ein äußerst ungewöhnlicher Vorgang. Wieland nahm das Schreiben nach Angaben seines Büros zur Kenntnis – ignorierte es aber, da die Entschuldigung von Senatsmitgliedern durch den Regierenden Bürgermeister erfolgt.

Der Streit zwischen Müller und Behrendt hat eine Vorgeschichte: Schon bei der letzten Parlamentssitzung fehlte Behrendt. Müller entschuldigte den Justizsenator, bat ihn aber darum, dieses Mal anwesend zu sein. Dem wollte Behrendt nicht folgen.

Die Opposition reagierte mit Unverständnis

Am Mittwoch eskalierte die Lage zunächst in der Runde der Geschäftsführer, die die Parlamentssitzung am heutigen Donnerstag vorbereitet. Mit dabei war auch Parlamentspräsident Ralf Wieland, der von Behrendt mehr Respekt vor den parlamentarischen Regeln gefordert haben soll.

Die Opposition verfolgte den regierungsinternen Zoff mit Kopfschütteln. „Es kann nicht sein, dass sich der Senat selbst ,hitzefrei‘ gibt, er ist kein Reiseunternehmen“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion, Heiko Melzer. „Wir erwarten, dass er vollständig anwesend ist, so dass wir als Parlament unser Kontroll- und Fragerecht ausüben können.“ Sollte Behrendt am heutigen Donnerstag nicht im Parlament erscheinen, werde die CDU seine Anwesenheit erzwingen.

Nur noch zwei Senatsmitglieder dürfen künftig fehlen

Doch so weit wird es wohl nicht kommen. Das Parlament schlägt nun einen Kompromiss vor: Demnach muss Behrendt, der bereits am Mittwoch zur Justizministerkonferenz gereist ist, am Donnerstag zurückkommen und im Plenum anwesend sein. Gleichzeitig verzichtet Sandra Scheeres auf die Fahrt zur Kultusministerkonferenz. Da Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci in diesem Jahr noch keine Ministerkonferenz besucht hat, wird sie entschuldigt, ebenso wie der Regierende Bürgermeister, der Berlin auf der Konferenz der Ministerpräsidenten vertreten soll.

Gleichzeitig drängen die Parlamentarier darauf, dass künftig nicht mehr als zwei Senatsmitglieder bei Parlamentssitzungen fehlen dürfen.

Aber auch ohne die Klärung des Streits besteht Redebedarf. Denn die Regel, wonach der Regierende Bürgermeister die Abwesenheit von Senatskollegen beantragen muss, stammt aus Zeiten des Kalten Krieges. Damals musste der Regierende Bürgermeister sicherstellen, dass der Senat in der Mauerstadt im Krisenfall auch handlungsfähig ist und die Mehrheit der Berliner Regierungsmitglieder nicht in West-Deutschland weilt. Die politische Situation Berlins hat sich seitdem glücklicherweise entspannt, sodass es nicht mehr auf die Zustimmung des Regierenden Bürgermeisters ankommt.