Berlin. Bis kurz vor Schluss hatten die Organisatoren des antisemitischen Al-Quds-Marsches am Sonnabend versucht, die harten Auflagen zu verhindern. Mit einem Eilantrag vor dem Oberverwaltungsgericht wollten sie erreichen, dass sie Fahnen der Terrororganisation Hisbollah zeigen dürfen. Doch das Gericht lehnte den Antrag ab. Die harten Auflagen blieben bestehen. Gezeigt wurden stattdessen Plakate, auf denen antisemitische Sprüche standen wie: „Wir finanzieren nicht mehr die Verbrechen Israels“ oder „Schluss mit der Tötung Unschuldiger in Gaza durch Zionisten“.
Demonstranten verstoßen gegen Auflagen der Polizei
Die Bedingungen der Berliner Polizei hinderte die Demonstranten jedoch nicht daran, auch gegen weitere Auflagen zu verstoßen. Gleich zu Beginn riefen die Demonstranten „Kindermörder Israel“. Auch das wäre laut Auflagen nicht erlaubt gewesen. Die Demonstration mit etwa 1200 Anhängern durfte trotzdem laufen. „Wir haben alles dokumentiert und werden die Auflagen durchsetzen“, sagte Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) der Berliner Morgenpost am Rande einer Gegenkundgebung auf dem George-Grosz-Platz. Das heißt: Die Polizei lässt wie beim 1. Mai eine Demonstration lieber laufen, um eine Eskalation zu verhindern, und beginnt danach mit der Verfolgung von Straftaten und der Ahndung von Verstößen. Dieses Konzept hatte sich in der Vergangenheit bewährt. Zu den Auflagen gehörte, dass etwa Fahnen und Symbole der Hisbollah verboten sind, ebenso anti-jüdische Parolen und das Verbrennen von Gegenständen.
„Dieser Geist hat in Berlin nichts zu suchen“
Geisel betonte erneut, dass Berlin fest an der Seite Israels stehe und wie sehr ihn die Veranstaltung im Herzen der Hauptstadt ärgere. „Dieser Geist hat in Berlin nichts zu suchen“, sagte er. Bei seiner Rede auf der Gegenkundgebung vor etwa 1000 Menschen forderte er unter großem Applaus die Bundesregierung auf, die Hisbollah in Deutschland als Ganzes zu verbieten. In der Bundesrepublik ist nur der militärische Arm verboten.
Neben Geisel nahmen zahlreiche Politiker an der Gegenkundgebung teil. Darunter Petra Pau (Linke), Volker Beck (Grüne), Burkard Dregger, Kai Wegner (beide CDU) und der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein. Hauptredner waren der israelische Botschafter Jeremy Issacharoff und der US-Botschafter Richard Grenell. Beide kritisierten die Bundesregierung deutlich. Beide Diplomaten forderten ein Verbot der gesamten Hisbollah und eine deutliche Distanzierung vom iranischen Regime. Issacharoff sagte, dass er hoffe, dass der Al-Quds-Marsch das letzte Mal in Berlin stattfinde.
Kritik an der Veranstaltung war immer lauter geworden.
Die Linken-Bundestagsabgeordnete Petra Pau sagte: „Wenn Antisemiten ihr hassendes Haupt erheben, ist Widerstand angesagt. Deshalb sind wir hier“. Der Al-Quds-Tag war 1979 vom islamistischen iranischen Revolutionsführer Ayatollah Chomeini ins Leben gerufen worden und wird seitdem in der arabischen Welt für Massenaufmärsche genutzt. In Deutschland finden diese Demonstrationen regelmäßig in Berlin statt.
Zuletzt war die Kritik an der Veranstaltung immer lauter geworden. So forderte etwa der Antisemitismusbeauftragte Klein alle Bürger auf, diesen Sonnabend eine Kippa zu tragen. Jüdische Verbände kritisierten Klein dafür. Denn der Kampf gegen Antisemitismus, so ihre Argumentation, müsse 365 Tage im Jahr und nicht nur an symbolischen Tagen geführt werden. Am Sonnabend sagte Klein vor den Gegendemonstranten: „Kampf gegen Antisemitismus ist eine Bürgerpflicht“. Wie Vorredner Geisel bekam Klein dafür viel Applaus.
Polizei war mit 500 Beamten im Einsatz
Als der Al-Quds-Marsch vom Adenauerplatz den Kurfürstendamm entlangzog, kam er auch direkt am Grosz-Platz entlang. Beide Gruppen trennte nur die Polizei, die mit 500 Beamten im Einsatz war. In diesen Minuten des direkten Aufeinandertreffens fanden keine Reden statt. Die Organisatoren der Gegenkundgebung drehten einfach die Musik lauter und tanzten und schwenkten Israel-Fahnen. Laut Polizei blieb bis zum frühen Abend alles friedlich.
Zahlreiche Berliner bei der Gegenkundgebung
Unter den Gegendemonstranten waren Menschen wie Ursula Herzog (75) aus Reinickendorf. „Dieser Al-Quds-Marsch macht mir Angst“, sagte sie der Berliner Morgenpost. Deutschland habe eine besondere Verantwortung und müsse immer zu Israel stehen. Die Schrecken des Nationalsozialismus dürften niemals vergessen werden. Sie selbst habe in ihrer Jugend unter anderen den französischen Dokumentarfilm „Nacht und Nebel“ über die Vernichtungslager gesehen. „Das hat mich geprägt“, sagte sie. Wenn es heute, in der deutschen Hauptstadt, erneut möglich sei, antisemitische Demonstrationen abzuhalten, dann stimme sie das nachdenklich.