Interview

Burkard Dregger: „Anreize für effektives Arbeiten schaffen“

| Lesedauer: 7 Minuten
Isabell Jürgens
Auf dem Weg nach Thüringen: Burkard Dregger, Fraktionschef der Berliner CDU (vorn).

Auf dem Weg nach Thüringen: Burkard Dregger, Fraktionschef der Berliner CDU (vorn).

Foto: Olaf Wedekind

Zum Auftakt ihrer Klausurtagung berät die CDU-Fraktion über Wege aus dem Verwaltungschaos.

Am Freitag hat sich Berlins CDU-Fraktion auf den Weg nach Thüringen gemacht, um dort auf einer dreitägigen Klausurtagung über die strategische und politische Neuausrichtung der Partei für die zweite Halbzeit dieser Wahlperiode zu beraten. Schwerpunkt der Beratungen am ersten Tag: Berlin wieder regierbar machen, das Verwaltungschaos beenden. Fraktionschef Burkard Dregger hat sich viel vorgenommen, will in den kommenden zweienhalb Jahren die CDU zurück in die Regierungsverantwortung führen. Keine leichte Aufgabe: Laut einer aktuellen Forsa-Umfrage würden bei einer Abgeordnetenhauswahl derzeit nur 17 Prozent der Berliner Wahlberechtigten der CDU ihre Stimme geben, der Wunschpartner FDP kommt auf sieben Prozent. Damit es für eine schwarz-gelb-grüne Jamaika-Koalition – oder gar eine schwarz-gelbe Koalition – reicht, ist also noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten.

Sie wollen bei den Berlinern mit dem eher spröden Thema Verwaltungsreform punkten. Ist das nicht politischer Selbstmord?

Burkard Dregger Nein, denn auch die Bürger haben die Defizite längst erkannt und dürfen zu Recht eine moderne, effiziente, funktionierende Verwaltung erwarten. Ohne funktionierende Verwaltung kein funktionierender Staat.

Woran machen Sie das konkret fest?

Konkrete Beispiele kennt jeder von uns: Auf den Unterhaltsvorschuss warten wir in drei von vier Fällen länger als drei Monate. In den Bürgerämtern braucht es oft immer noch Wochen, um einen neuen Pass zu bekommen. Wohnungsummeldungen im gesetzlich vorgeschriebenen Rahmen sind fast in keinem Bezirk möglich. Kfz-Händler müssen in Berlin eigene Kredite aufnehmen, weil die bereits verkauften Autos immer noch viel zu lang auf die Anmeldung warten müssen. Sterbeurkunden gibt es erst nach mehreren Wochen. Gänge zur Rentenkasse, zu den Testamentseröffnungen und zur Abmeldung von Wohnung und Telefon werden so verzögert.

Ok, das reicht. Was schlägt Ihre Partei vor?

Die CDU-Fraktion hat sich mit vier Komplexen beschäftigt: Personalgewinnung, E-Government, das heißt elektronische Verwaltung, öffentliche Auftragsvergabe, Verhältnis zwischen Land und Bezirken. Wir wollen Personalwesen und E-Government in einer Senatsverwaltung zusammenführen. Dort wird ein Kompetenzzentrum Personalauswahl eingerichtet als Beratungsstelle für alle Behörden des Landes. Berlin muss als Arbeitgeber wieder wettbewerbsfähig werden. Wir wollen die Tarifangleichung an das Bundesniveau, die Wiederverbeamtung von Lehrern. Wir wollen das Dickicht unserer Vorschriften und Verordnungen lichten. Neue Regelungen wollen wir auf fünf Jahre befristen und einer Wirkungsanalyse unterziehen. Wir müssen in der Digitalisierung endlich Tempo machen. Für die landesweite IT-Steuerung wollen wir 60 Stellen schaffen. Wir wollen IT-Fachkräfte selbst ausbilden und die dann auch ordentlich bezahlen.

Die Schaffung einer neuen Senatsverwaltung klingt nach Selbstbeschäftigung und Schaffung weiterer hoch dotierter Posten...

Nein, wir wollen den Wasserkopf Berlins nicht vergrößern. Die Zahl der Senatsverwaltungen soll nicht wachsen, umso mehr aber ihre Effizienz durch passende Zuschnitte. So wie bisher kann es nicht weitergehen, denn die bisherigen Strukturen haben sich ja hinlänglich als ineffektiv erwiesen.

Wir haben bereits einen Staatssekretär für Verwaltung und eine Staatssekretärin für die Digitalisierung der Verwaltung. Macht nun noch obendrauf eine Behörde Sinn?

Es hat sich gezeigt, dass es keine gute Idee war, das Personalwesen vom Ressort Inneres in das Ressort Finanzen zu überweisen, wie es unter Rot-Rot-Grün geschehen ist. Digitalisierung und E-Government liegen hingegen in der Innenverwaltung von Senator Geisel. Zu allem Überfluss ist der neu eingerichtete Staatssekretär für Verwaltungsmodernisierung noch einmal woanders angesiedelt, nämlich beim Regierenden Bürgermeister in der Senatskanzlei. Dabei gehören diese Aufgaben zusammen. Aber natürlich muss auch die Frage gestellt werden, ob diese Positionen eigentlich mit den richtigen Personen besetzt sind.

Wer hat versagt?

Es ist offensichtlich, dass Sabine Smentek als Staatssekretärin für Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) eine Fehlbesetzung ist. Sie ist nun bereits seit Ende 2016 im Amt, bisher aber völlig ohne Wirkung – und das, obwohl ihr alle erforderlichen Haushaltsmittel und Kompetenzen zur IKT-Lenkung zur Verfügung stehen. Sie nutzt die weitreichenden Möglichkeiten nicht, die ihr das E-Government-Gesetz ausdrücklich einräumt. Sie hat allein zwei Jahre gebraucht, um einen Abteilungsleiter zu finden. Sie beschäftigt sich nach wie vor mit der Besetzung von Stellen, die wir noch in unserer Regierungsverantwortung vor drei Jahren bewilligt haben. Selbstbeschäftigung statt IKT-Lenkung.

Und Sie werden dann nach den gewonnenen Wahlen in zweieinhalb Jahren der neue Personal- und IT-Senator?

Wir haben eine Reihe von klugen Köpfen, die diese Aufgabe leisten können.

Dennoch bleibt die Frage, wie Sie das Personal für die neue Superbehörde finden wollen, wenn es derzeit noch nicht einmal gelingt, offene Stellen nachzubesetzen?

Es geht vorrangig um die Zusammenlegung existierender Abteilungen in den Bereichen E-Government, Personal und Verwaltungsmodernisierung. Im Übrigen brauchen wir in Berlin mehr Wertschätzung für die Kollegen und eine leistungsorientierte und angemessene Bezahlung. Gleiche Berufsgruppen in Land und Bezirken sind auch gleich zu bewerten und zu bezahlen. Wir sind für eine grundlegende Überprüfung der Tarif- und Besoldungsstruktur in den Bezirken. Der Personalmangel wird auf dem Rücken aller Beschäftigten ausgetragen. Besonders belastet sind Beschäftigte im direkten Kundenkontakt. Ich habe mal in der Ausländerbehörde hospitiert – die Arbeit ist alles andere ist als Friede, Freude, Eierkuchen.

Und was kostet das den Steuerzahler?

Unsere Fachleute rechnen mit einem mehrstelligen Millionenbetrag. Heute wäre das finanzierbar. Wir müssen das erneut prüfen, wenn wir Gelegenheit zur Umsetzung unserer Vorschläge erhalten.

Haben Sie noch weitere Reformideen in Weimar besprochen?

Durchaus. Wir wollen das Vergaberecht vereinfachen, damit das Land Berlin wieder erfolgreicher ausschreiben kann. In meinem Wahlkreis gibt es eine sanierungsbedürftige Turnhalle, die seit zwei Jahren ungenutzt bleibt, weil das Land keine Angebote auf seine Ausschreibung erhält. Das ist kein Einzelfall. Ebenso wollen wir die Bauordnung von fachfremden Inhalten befreien. Die Zuständigkeiten von Land und Bezirken müssen klar verteilt werden. Und es müssen Maximalfristen für die Mitwirkung der einzelnen Behörden bei Genehmigungsverfahren eingeführt werden, die für Bezirke wie Landesbehörden gleichermaßen gelten. Wir wollen wie bei der Verfolgung von Postsendungen über den Stand der Baugenehmigungsverfahren informieren. Das Ganze soll nicht über Strafmaßnahmen erzwungen werden...

Lassen Sie mich raten: Es wird mehr Geld geben?

Nicht nur. Wenn beispielsweise eine Baugenehmigung nicht fristgemäß ausgestellt wird, gilt sie als erteilt. Im Übrigen soll über die Finanzmittelzuweisung belohnt werden. Im Rahmen der Finanzmittelzuweisung können wir uns Bonizahlungen an die Bezirke, die gut arbeiten, vorstellen. Und bevor Sie mich jetzt fragen, was das kostet, verrate ich Ihnen, dass die Bezirke im vergangenen Jahr 89 Millionen Euro an Personalmitteln gar nicht ausgegeben haben. Im Doppelhaushalt 2019/2020 sind für die Bezirke nun 60 Millionen Euro weniger eingeplant. Wir halten das für den gänzlich falschen Weg. Dieses Geld sollte lieber dazu verwendet werden, Anreize für effektives Arbeiten zu schaffen.