Berlin/Braunschweig. Geschädigte des VW-Abgasskandals konnten jetzt auch in Berlin einen wichtigen Erfolg erringen. Wie erst jetzt bekannt wurde, hat das Landgericht Berlin am 19. März ein Autohaus dazu verurteilt, dem Käufer eines Dieselfahrzeugs mit Schummelsoftware das Auto durch ein fabrikneues zu ersetzen und darüber hinaus mehr als 2000 Euro Schadensersatz zu zahlen.
In der Vergangenheit konnten VW-Käufer – wenn überhaupt – lediglich eine Erstattung des Kaufpreises bei Rückgabe des Autos abzüglich einer Nutzungsentschädigung erreichen. „Das neue Urteil geht weit darüber hinaus und ist richtungsweisend auch für heutige Fälle“, sagte Anwalt Thomas Schmidt, der nach eigenen Angaben rund 20 Geschädigte aus Berlin und Brandenburg juristisch vertritt.
Im konkreten Fall geht es um einen Rentner aus Wilmersdorf, der im Januar 2015 einen VW Touran mit Dieselmotor gekauft hatte. Im September desselben Jahres war dann in den USA öffentlich geworden, dass die Volkswagen AG eine illegale Abschalteinrichtung in der Motorsteuerung ihrer Diesel-Fahrzeuge einsetzt, mit deren Hilfe die strengen US-Abgasnormen eingehalten werden konnten – allerdings nur auf dem Prüfstand. Im Normalbetrieb auf der Straße wurde die Reinigungsanlage weitgehend abgeschaltet und die Schadstoffwerte lagen um ein Vielfaches über den zulässigen.
Doch während in den USA die betroffenen Käufer ihre Autos zurückgeben konnten und zudem noch entschädigt wurden, müssen VW-Kunden in Deutschland ihre Ansprüche bisher einzeln vor Gericht durchzusetzen. Ein Unterfangen mit oft ungewissem Ausgang. Eine Wende zugunsten der deutschen VW-Käufer brachte der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe. Der kam im Februar zu der Einschätzung, dass die illegale Abgastechnik in den Autos als Sachmangel einzustufen ist. Die obersten Zivilrichter stellen außerdem klar, dass Händler betroffenen Neuwagenkäufern die Lieferung eines anderen Autos nicht einfach verwehren können, nur weil das Modell nicht mehr hergestellt wird – und stellt sich damit der bisherigen Argumentation von VW entgegen.
Ex-VW-Chef Winterkorn wird zudem Untreue vorgehalten
Unterdessen wurde im Abgas-Skandal von Volkswagen der frühere Konzernchef Martin Winterkorn von der Staatsanwaltschaft Braunschweig unter anderem wegen schweren Betrugs angeklagt. „Das Landgericht Braunschweig hat die Anklage am Freitag erhalten und wird jetzt die Klage-Zulassung prüfen“, bestätigte am Montag der zuständige Oberstaatsanwalt Klaus Ziehe. Die Klage richtet sich dabei gegen fünf Führungskräfte, die „eine in einer einzigen strafbaren Handlung verwirklichte Mehrzahl von Straftatbeständen“ begangen haben sollen. Dabei gehe es um einen besonders schweren Fall von Betrug sowie einen Verstoß gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb. Winterkorn wird zudem Untreue vorgehalten, weil er nach dem 25. April 2014 nach Kenntnis von rechtswidrigen Manipulationen an Diesel-Motoren diese nicht umgehend bekanntgegeben habe. Der Vorwurf: Der Konzern soll während des Abgas-Skandals zwischen April 2014 und Mai 2015 den weiteren Einbau der sogenannten Abschaltvorrichtungen nicht untersagt haben. Insgesamt ermittelt die Behörde gegen eine Vielzahl weiterer VW-Mitarbeiter.
Die Zahl ist exorbitant. Rund 2,2 Millionen Kunden sollen es in Deutschland gewesen sein, die in den Jahren 2009 bis 2015 beim Volkswagen-Konzern ein Auto erworben haben, das nicht das einhält, was dem Käufer versprochen wurde – nämlich die Einhaltung der Abgaswerte. Im September 2015 flog der Schwindel in den USA auf. Wie die Behörden dort ermittelten, hielten die als besonders sauber hochgelobten Diesel-Pkw von VW die strengen Abgaswerte nur auf dem Rollstand ein. Waren sie dagegen draußen auf der Straße unterwegs, stießen sie ein Vielfaches der Umweltschadstoffe wie Stickoxide aus.
VW-Kunden in Deutschland müssen Ansprüche einzeln vor Gericht durchsetzen
Doch während in den USA die betroffenen Käufer ihre Autos zurückgeben konnten und zudem noch entschädigt wurden, müssen VW-Kunden in Deutschland ihre Ansprüche einzeln vor vor Gericht durchsetzen. Ein Unterfangen mit oft ungewissem Ausgang.
Nun konnten die Käufer von VW-Dieselautos mit Schummelsoftware einen wichtigen Erfolg erringen. Wie jetzt bekannt wurde, verurteilte die 22. Kammer des Landgerichts Berlin bereits am 19. März ein VW-Autohaus dazu, dem Käufer eines Dieselfahrzeugs das Auto durch ein fabrikneues zu ersetzen und darüber hinaus mehr als 2000 Euro Schadensersatz zu zahlen. In der Vergangenheit konnten VW-Käufer – wenn überhaupt – oft nur eine Erstattung des Kaufpreises bei Rückgabe des Autos abzüglich einer Nutzungsentschädigung erreichen. „Das neue Urteil geht weit darüber hinaus und ist richtungsweisend auch für heutige Fälle“, sagte dazu der Anwalt des Klägers, Thomas Schmidt, der nach eigenen Angaben rund 20 Geschädigte aus Berlin und Brandenburg juristisch vertritt.
Im konkreten Fall geht es um einen Wilmersdorfer Rentner, der im Januar 2015 einen VW Touran mit dem Zusatz BlueMotion Technology gekauft hatte. Der war mit eben jenem Dieselmotor mit der VW-internen Bezeichnung EA 189 ausgerüstet, der kurz darauf in den USA als Schummler entlarvt wurde. War doch die elektronische Steuerung des Motors mit spezieller Software so eingestellt, dass dieser zwar auf dem Prüfstand die Abgasnormen erfüllt, im normalen Fahrbetrieb allerdings nicht.
Das Kraftfahrtbundesamt (KBA) stufte die Software bereits im Oktober 2015 als unzulässige Abschalteinrichtung ein und forderte die Volkswagen AG auf, diese zu entfernen und geeignete Maßnahmen zur Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit zu ergreifen. Was geeignet ist, die Vorschriftsmäßigkeit wieder herzustellen, da gibt es zwischen dem Autokonzern und den Kunden sehr unterschiedliche Ansichten. VW setzte zumindest in Deutschland von Anfang an auf die für sie kostengünstigste Variante einer nachträglichen Änderung der Software für die Motorsteuerung. Viele Kunden gaben sich damit nicht zufrieden. Viele wollten ihr Auto, das durch den Makel der Schummelsoftware über Nacht stark an Wert verloren hatte, am liebsten an VW zurückgeben. Die meisten Autohäuser lehnten dieses Ansinnen jedoch strikt ab. Wer damit nicht einverstanden war, musste vor Gericht ziehen.
Berliner Landgericht: Unzulässige Abschalteinrichtung bei VW ein Sachmangel
Das Berliner Landgericht gab in dem aktuellen Verfahren (Az. 22 O 135/17) jetzt dem Kläger, der kein Softwareupdate hatte durchführen lassen, umfassend Recht. Es bestätigte, dass das Auto durch den Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung einen Sachmangel aufweist. Das Autohaus wurde verurteilt, dem Kläger einen fabrikneues, typengleiches Fahrzeug mit gleicher oder gleichwertiger Sonderausstattung zu liefern. Zudem wurde es verurteilt, dem Kläger 2077 Euro nebst Zinsen rückwirkend zum Dezember 2017 als Schadensersatz zu zahlen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, Revision bei der nächsthöheren Instanz ist zugelassen.
Für Anwalt Schmidt ist das Urteil ein Meilenstein bei der Stärkung der Rechte der geschädigten VW-Kunden. Habe doch das Landgericht Berlin erstmals den Beschluss des Bundesgerichtshofes vom 8. Januar 2019 (VIII ZR 234/15) umgesetzt. Der kam zur Einschätzung, dass die illegale Abgastechnik in den Autos als Sachmangel einzustufen ist. Die obersten Zivilrichter stellen außerdem klar, dass Händler betroffenen Neuwagenkäufern die Lieferung eines anderen Autos nicht verwehren können, nur weil das Modell nicht mehr hergestellt wird – und stellte sich damit der bisherigen Argumentation von VW entgegen.
Laut Anwalt Schmidt haben VW-Kunden bis Jahresende Zeit, Ansprüche geltend zu machen. Allerdings inzwischen nicht mehr gegenüber dem Händler, bei dem sie das Auto einst gekauft haben, sondern nur noch gegen den VW-Konzern selbst. Für Schmidt geht das Urteil weit über den Rechtsstreit mit VW hinaus. „Gerade erst ist ja der Verdacht aufkommen, dass auch Daimler bei den Abgaswerten geschummelt hat“, sagt er. Auch Mercedes-Kunden könnten nun verlangen, dass der Hersteller ein Fahrzeug zurücknimmt und durch ein gleichwertiges neues ersetzt.