Feuerwehr in Berlin

Darum rückt die Feuerwehr mit weniger Personal aus

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Alexander Dinger
So verläuft eine typische Nachtschicht bei der Feuerwehr

So verläuft eine typische Nachtschicht bei der Feuerwehr

Berlins Feuerwehrmänner arbeiten in Doppelschichten und haben 2016 über 500.000 Überstunden angehäuft. Wir waren eine Nacht dabei.

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Löschfahrzeuge werden anders besetzt, um den Rettungsdienst zu stützen. Das sorgt bei Gewerkschaften und Feuerwehrleuten für Kritik.

Berlin. Als vor drei Wochen bei einem Brand eines Mehrfamilienhauses in Neukölln am Wildenbruchplatz mit zwei Toten neun Minuten nach der Alarmierung das erste Löschfahrzeug eintraf, war das mit vier statt sechs Feuerwehrleuten besetzt. Zu wenige, sagen Gewerkschafter und Feuerwehrleute. Leider notwendig, wenn man auch in Zukunft der wachsenden Stadt gerecht werden wolle, heißt es aus der Behörde.

Das hängt mit einer fundamentalen Veränderung zusammen, die von der größten Berufsfeuerwehr Deutschlands in den vergangenen Monaten weitestgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit vorgenommen wurde.

Noch vor einem Jahr musste die Behörde beinahe täglich den Ausnahmezustand verhängen. Das passierte immer dann, wenn zu viele Notrufe eingingen. An manchen Tagen erreichen die Feuerwehr bis zu 1700 Alarmierungen. Das war in früheren Zeiten nur bei besonderen Einsatzlagen der Fall – etwa bei Sturm.

Personal von Löschfahrzeugen in Rettungswagen eingesetzt

In der Einsatzplanung wurden dann Löschfahrzeuge aus dem Dienst genommen. Das freigewordene Personal wurde dann auf Rettungswagen eingesetzt. Das führte dazu, dass mehr Fahrzeuge des Rettungsdienstes auf der Straße waren, aber weniger Löschfahrzeuge, die zu Bränden geschickt werden konnten.

Um die permanenten Ausnahmezustände zu unterdrücken, hat die Behördenleitung einen Voralarm eingeführt und ihren Fuhrpark umstrukturiert und ist so – zumindest auf dem Papier – einsatzfähiger.

Noch vor etwa einem Jahr gab es in Berlin auf den Wachen Weißensee, Urban und Wedding jeweils drei „Rettungswagen Ausnahmezustand“. Gab es viele Einsätze in der Stadt und wurde der Ausnahmezustand ausgerufen, wurden auf diesen Wachen die Löschfahrzeuge aus dem System genommen und Rettungswagen besetzt. Heute gibt es auf die ganze Stadt verteilt zehn dieser „Rettungswagen Ausnahmezustand“.

Gehen zu viele Notrufe bei der Feuerwehr ein, wird auf diesen Wachen jeweils ein von zwei Löschfahrzeugen aus dem Dienst genommen. Die Besatzungen wechseln in die Rettungswagen und auf die Drehleiter-Fahrzeuge. Damit ist der Rettungsdienst abgesichert. Das Personalproblem, das die Feuerwehr immer noch hat, wird damit auf die ganze Stadt verteilt.

GdP: Ausnahmezustand wird verschleiert

Bei Einsätzen mit Feuer kann das aber laut behördeninternen Kritikern zu Engpässen führen, weil weniger Löschfahrzeuge mit weniger Besatzung im Dienst sind. Feuerwehr-Sprecher Thomas Kirstein sagte der Berliner Morgenpost auf Nachfrage hingegen: „Wir können Rettungswagen jetzt besser einsetzen. Früher konnte es passieren, dass wir von Weißensee nach Spandau gefahren sind.“

Der stellvertretende Landeschef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Oliver Mertens, sagte: „Durch die neue Regelung wird der Ausnahmezustand verschleiert“. Mertens, selbst Hauptbrandmeister und als GdP-Vizechef auch für die Feuerwehr zuständig, wirft der Behördenleitung Schönrechnerei vor. „Beim Rettungsdienst gibt es immer noch extreme Steigerungen bei den Einsatzzahlen. Löschfahrzeuge werden gemindert, um Rettungswagen besetzen zu können“, so Mertens weiter.

Das habe zur Folge, dass bei Bränden Löschfahrzeuge mit zu wenig Personal eintreffen würden. „Wir brauchen schnell und dringend mehr Personal. Wir haben immer noch einen absoluten Einsatznotstand“, so Mertens.

Erste Minuten am Einsatzort entscheidend

Feuerwehrexperten wie Mertens sagen auch, dass gerade die ersten Minuten an einem Einsatzort entscheidend seien. Treffen zu viele Fahrzeuge mit zu wenig Besetzung aus unterschiedlichen Wachen an einem Einsatzort ein, werde das Risiko erhöht. „Gerade die Anfangszeit eines Einsatzes ist wichtig“, beteuert Mertens.

Bei dem Brand am Wildenbruchplatz in Neukölln rückte die Feuerwehr zunächst von den Wachen Urban und Kreuzberg an, weil die Wache Neukölln gerade zu einem anderen Einsatz unterwegs war. „Natürlich sieht das erstmal blöd aus, wenn bei einem Vollbrand nur vier Feuerwehrleute aus einem Löschfahrzeug steigen“, sagte ein Feuerwehrmann der Berliner Morgenpost.

Hinzu kam, dass das erste Löschfahrzeug ohne Wassertrupp eintraf. Allerdings seien bereits zehn Minuten nach Alarmierung 26 Einsatzkräfte vor Ort gewesen, weil man mit dem neuen System flexibler sei, heißt hingegen es aus der Behörde.