Berlin. Während bei Stadler in Pankow die Züge für die nächste S-Bahn-Generation montiert werden, ist in der Landespolitik ein offener Streit darüber entbrannt, wie es langfristig mit dem S-Bahn-Verkehr in der Hauptstadt weitergehen soll. Die Regierungsparteien in Berlin sind sich zwar einig, dass sie mehr Einfluss auf diesen wichtigen Bereich des Nahverkehrs haben wollen. Über den Weg dahin gibt es allerdings sehr unterschiedliche Ansichten.
Vor allem Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos, für Grüne) dringt jetzt darauf, die Angebotsmacht der bundeseigenen Deutschen Bahn zu brechen. Der gehören nicht nur das Schienennetz und die Bahnhöfe, sie erbringt bislang über ihr Tochterunternehmen S-Bahn Berlin GmbH auch die gesamte Verkehrsleistung. Dafür zahlt das Land jährlich mehr als 300 Millionen Euro. Spätestens seit der durch Wartungsmängel und Personalabbau verursachten S-Bahn-Krise im Jahr 2009 will der Senat nicht nur Zahlmeister sein.
Bisher kann ein Anbieter alle Leistungen abdecken
Die Chance zum Eingreifen gibt der Politik das EU-Recht. Dieses fordert, Nahverkehrsleistungen, die die Kommune nicht durch eigene Unternehmen (wie in Berlin durch die BVG) erbringt, europaweit auszuschreiben. Nach der 2015 erfolgten Vergabe des Teilnetzes Ring (bei der wieder die Deutsch Bahn zum Zuge kam), stehen nun Ausschreibungen der Teilnetze Stadtbahn und Nord-Süd für die Zeit nach 2026 an.
Im Vorjahr einigte sich die Koalition auf ein sogenanntes Kombi-Modell. Danach werden einerseits für beide Teilnetze die Beschaffung neuer Fahrzeuge, deren Wartung und Betrieb getrennt ausgeschrieben. Zugleich ist es aber möglich, dass sich ein Anbieter für alle Aufträge gleichzeitig bewirbt.
Grüne wollen mehr unabhängige Akteure
Für Streit in der Koalition sorgen nun Überlegungen von Verkehrssenatorin Günther, im unmittelbar bevorstehenden Vergabeverfahren eine sogenannte Loslimitierung einzusetzen. Diese hätte zur Folge, dass ein Anbieter selbst dann nicht alle Posten des milliardenschweren Auftrags übernehmen kann, wenn er das jeweils günstigste Angebot abgibt. Vorbild dafür sind die Vergabeverfahren im Regionalbahnverkehr. So fahren in Berlin und Brandenburg nicht nur die roten Regionalzüge der Deutschen Bahn, sondern auch die der Odeg und der Niederbarnimer Eisenbahn.
Die Eisenbahner-Gewerkschaft EVG warnt davor, dass bei der S-Bahn auf diesem Weg ein technisch bewährtes Gesamtsystem unnötig zerschlagen wird. Sie befürchten zudem einen massiven Arbeitsplatzabbau sowie zusätzliche Probleme, da es bis zu acht unterschiedliche Akteure im System gibt. Auch SPD und Linke kritisieren das aktuelle Vorgehen Günthers, dass mit den Koalitionspartnern nicht abgesprochen sei.
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