Cottbus/Berlin. Mit umfangreichen Razzien ist die Polizei am frühen Mittwochmorgen in vier Bundesländern gegen rechtsextreme Hooligans vorgegangen. Der Schwerpunkt des Einsatzes von Landeskriminalamt Brandenburg (LKA) und Staatsanwaltschaft lag vor allem im Raum Cottbus und dort in der Gemeinde Kolkwitz.
Auch in Frankfurt (Oder) und Hennigsdorf gab es Kontrollen. In Berlin waren nur einzelne Objekte in Marzahn und Lichtenberg betroffen, sowie in Görlitz (Sachsen) und in Kühlungsborn (Mecklenburg-Vorpommern). Die Einsatzkräfte durchkämmten ab 5 Uhr morgens Büros, Gewerberäume und Wohnungen. Festnahmen gab es nach Angaben eines Polizeisprechers zunächst nicht. „Es wurden keine Haftbefehle vollstreckt“, sagte er.
Verdacht der Bildung einer kriminellen Vereinigung
Allein in Brandenburg waren 30 Objekte betroffen. Die Durchsuchungen richteten sich gegen 20 Beschuldigte, denen die Bildung einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen wird. Durchsucht wurde in Cottbus auch der Laden eines bei Rechtsextremen beliebten Modelabels.
„Die Durchsuchungen dienen dazu, den Verdacht zu erhärten und Beweismittel zu sichern,“ sagte Torsten Herbst, Sprecher der Polizei Brandenburg, der Berliner Morgenpost. Die Ermittlungen laufen seit April 2018.
Der Einsatz sollte voraussichtlich bis in den Nachmittag andauern. Zu möglichen Ergebnissen wollte der Sprecher zunächst nichts sagen. Dazu kündigte er für Donnerstagvormittag eine Pressekonferenz in Potsdam an, um über die Ergebnisse zu informieren. Die Razzia, hieß es aus Polizeikreisen, diene aber auch dazu, Unruhe in der rechtsextremen Szene zu stiften.
Netzwerk in Cottbus gebildet
In den vergangenen Jahren hat sich in Cottbus ein Netzwerk gebildet. Es besteht aus Rechtsextremisten, Kampfsportlern, Sicherheitsfirmen und Fußball-Hooligans und soll sich mit organisierten Kriminellen verbunden haben. Auch die Ausschreitungen in Chemnitz sind unter anderem auf Aktivitäten dieses Netzwerks zurückzuführen. Die Verbindungen der Gruppe sollen auch ins Ausland reichen. Auch Verbindungen ins Rockermilieu, etwa in Spremberg, werden einzelnen Mitgliedern nachgesagt.
Seit einem Jahrzehnt im Fokus
Ein Gründungsmitglied, Markus W., der Hooligan-Gruppierung war deutscher Meister im Kickboxen, Inhaber einer bei rechtsextremen beliebten Modemarke und fiel bereits 2011 durch eine Reise nach Mallorca auf, bei der Markus W. und seine 17 Mitstreiter am Flughafen in Dresden mit Hitler-Gedenkshirts angetroffen wurden. Auf den Shirt stand: „A.H. Memorial Tour 2011 – Protectorat Mallorca“ und „Seit 66 Jahren vermisst. Du fehlst uns. Wir brauchen dich“. W. stach im Jahr 2013 einen Hells Angel in Cottbus nieder, wurde dafür auch verurteilt und kam ins Gefängnis. W. ist inzwischen wieder auf freiem Fuß und erneut in der Hooligan- und rechtsextremen Kampfsportszene unterwegs.
Hooligans schüchtern Fans ein
Konkret geht es um die Hooligan-Gruppierung Inferno-Cottbus, die sich kurz bevor sie als kriminelle Vereinigung eingestuft werden sollte, aufgelöst hatte und danach im Untergrund weiter agiert haben soll. Auch in der im Jahr 2012 verbotenen, rechtsextremen Gruppierung „Widerstandsbewegung Südbrandenburg“ waren Mitglieder der Hooligans von Inferno aktiv. Den nun Beschuldigten werden insgesamt 50 Straftatbestände vorgeworfen. Es geht dabei um Bedrohung, Körperverletzung, illegalen Waffenbesitz, Steuerhinterziehung und ähnliche Delikte. Mitglieder von Inferno sind noch heute im „Stadion der Freundschaft“ in Cottbus aktiv. Fans, die sich gegen Rechtsextremismus positionieren, werden regelmäßig bedroht und eingeschüchtert.
Cottbus: „Wir haben Probleme mit Rechtsextremismus“
„Wir haben Probleme mit Rechtsextremismus und den Strukturen“, sagte der Sprecher der Stadt Cottbus, Jan Gloßmann, am Mittwochmorgen. Nun sollten zunächst die Ergebnisse der Durchsuchungen ausgewertet werden.
Der Raum Cottbus ist aus Sicht des Verfassungsschutzes der „Hotspot“ des Rechtsextremismus in Brandenburg. „Es ist für uns als Verfassungsschutz ein toxisches Gebilde“, sagte der Referatsleiter Öffentlichkeitsarbeit des Verfassungsschutzes Brandenburg, Heiko Homburg, Anfang des Jahres dem Sender RBB.
Das rechtsextremistische Potenzial liege im Raum Cottbus bei etwa 400 Personen, in Cottbus selbst bei 170, sagte Verfassungsschutzchef Frank Nürnberger im Februar. Die rechtsextreme Szene sei vielschichtig. Sie reiche vom Rockermilieu über die Türsteher-Szene bis hin zu Teilen des Security-Gewerbes. Wirtschaftliche Grundlage für Mitglieder der Szene sind zum Beispiel Tattoo-Studios oder Shops, die rechte Modelabel oder Fitnesspräparate verkaufen.