Radfahrer in Deutschland fühlen sich im Straßenverkehr immer unsicherer. Das ist ein Ergebnis der großen Umfrage für den Fahrradklima-Test, den der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC) am Dienstagmittag in Berlin vorstellen will. Im Ergebnis bewerteten Radfahrer ihr Sicherheitsgefühl nur noch mit der Schulnote 4,2. Bei der vergangenen Befragung im Jahr 2016 lag dieser Wert noch bei 3,9. Vor allem in großen Städten haben Eltern Sorge, ihre Kinder allein auf dem Rad fahren zu lassen.
Die wohltuende Wetterlage kann darüber nicht hinwegtäuschen: Radfahren in Berlin ist in keiner Jahreszeit das reine Vergnügen. Der alte Ratschlag, sich den Stress des Autofahrens zu ersparen und aufs Rad umzusteigen, zieht längst nicht mehr. Wer mit dem Velo unterwegs ist, vor allem wenn man es im Berufsverkehr nutzt, muss auf der Hut sein. Für mich etwa vergeht keine Woche, in der ich nicht zwei, drei Mal lebensgefährlichen Situationen ausweichen muss.
In vielem hat Berlin da Besserungsbedarf. Etwa beim Zustand der Radwege. Je weiter es in die Party-Bezirke geht, desto größer ist die Glasscherben-Dichte, etwa auf der Skalitzer Straße in Kreuzberg. An der Clayallee in Zehlendorf indes hat jemand die pfiffige Idee gehabt, den Glascontainer direkt am Fahrradweg zu postieren. Die Scherben sieht man nachts in seinem Fahrradlicht funkeln - oder nicht rechtzeitig. Dann heißt es bald: schieben.
Unter den Eichen in Steglitz ist der Radfahrweg vor dem Botanischen Garten so von Wurzeln angehoben, dass jeder nebenan auf den Bürgersteig ausweicht.
Baustellen als stetige Gefahr
Andernorts fehlen dringend Radwege. An der Kurfürstenstraße in Schöneberg etwa nimmt niemand die Straße mit ihrem holperigen Kopfsteinpflaster. Jeder kurvt auch dort scharf an den Fußgängern vorbei. Wer aus seinem Hauseingang tritt, schaut dort meist erst links und rechts, ob das Trottoir wirklich unbefahren ist. Schlimm ist auch, wie unbedacht Baustellen an Radweg-Führungen angepasst werden. Unter den Yorckbrücken beispielsweise geht es abrupt in einen abgesperrten Radbereich auf der Fahrbahnstrecke. An der Bundesallee in Friedenau und Wilmersdorf gibt es zwei ebenso kurzfristige Richtungsänderungen entlang der Autos. Das wird auch bei moderatem Tempo schnell halsbrecherisch.
Ein Riesenärgernis für Radler ist die Nutzung von Busspuren durch Fahrer, die dort einfach nicht hingehören. Auf dem Kurfürstendamm teilen sich Busse, Notfahrzeuge, Taxis und eben Velofahrer die Spur. Meist in aufeinander angepasster Geschwindigkeit. Wer querschlägt sind jene Autofahrer, die die Spur als beschleunigte Ausweichstrecke sehen, mit der man prima jene überholen lassen, die an ihrem Steuer artig nebenan nur im Schritttempo vorankommen. Für sie sind Radfahrer ein echtes Hindernis. Da wird gedrängelt oder hautnah vorbei gefahren. Würde man auf den Kurfürstendamm, Höhe Schaubühne einen Polizisten stellen, der nur Autofahrer auf der Busspur aufschreibt: Davon ließen sich ganze Schulneubauten finanzieren.
Auch Fahrradfahrer können nerven
Die Rücksicht auf Radler fehlt mir auch, wenn ich Autofahrern ausweichen muss, die die Tür zu Straße oder Radfahrwegseite öffnen, achtlos aus der Parklücke auf die Fahrbahn ziehen, in der Kreuzberger Bergmannstraße mal wieder in der zweiten Reihe stehen bleiben, um zu parken oder - wann lernen die das endlich mal? - abbiegen ohne Schulterblick. Kein Witz: Wäre ich nicht Autofahrer, der weiß, wie man tickt und wo man leicht mal pennt, wäre ich als Radler nicht fit für den Verkehr.
Was mich dann richtig ärgert, ist, wenn Radfahrer ihrerseits alle Bemühungen um ein harmonisches Nebeneinander von Auto und Velo untergraben, indem sie das Klischee vom kaltschnäuzigen Chaos-Radler bedienen. In die falsche Richtung auf Radweg und Straße, völlig unpassend auf dem Bürgersteig, im Irrsinnstempo, ohne Klingel aber mit lautem Flüchen zwischen Autos kurvend. Zum Fremdschämen.
Infrastruktur, Respekt und Umgang: Vieles stimmt da noch nicht. Alles zusammen betrachtet, ist nicht zu übersehen, wie weit Berlin noch entfernt davon ist, Fahrradstadt zu sein.