BVG-Tarifkonflikt

Nach BVG-Streik sorgen Graffiti für U-Bahn-Ausfälle

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Thomas Fülling
Viele U-Bahnzüge sind an Werkstätten wie hier in Friedrichsfelde abgestellt. Ein Großteil der Wagen steht aber oft unbeobachtet in Tunneln.

Viele U-Bahnzüge sind an Werkstätten wie hier in Friedrichsfelde abgestellt. Ein Großteil der Wagen steht aber oft unbeobachtet in Tunneln.

Foto: euroluftbild.de/Bernd Clemens

Sprayer haben während des 24-stündigen Verdi-Ausstands rund 140 U-Bahnwagen besprüht. Das sorgt für Ausfälle auf sechs U-Bahnlinien.

Berlin. Es ist kein gutes Zeichen: Nach dem 24-stündigen Streik der Beschäftigter bei den Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) am Montag, geht der Schlagabtausch zwischen Verdi und der BVG-Führung in die nächste Runde. Dieses Mal geht es um die Frage, wer die Verantwortung für die vielen Zugausfälle bei der U-Bahn am Tag nach dem Streik trägt.

Im morgendlichen Berufsverkehr hatten viele BVG-Kunden erleben müssen, dass Züge ausfielen oder mit weniger Wagen als sonst fuhren. Fahrgäste berichteten der Berliner Morgenpost, dass es etwa im U-Bahnhof Spichernstraße fast zu Handgreiflichkeiten gekommen war, weil die Züge bereits bei der Einfahrt überfüllt waren. Weil sich die Ein- und Ausstiege dadurch verzögerten, führte das im gesamten U-Bahn-Netz zu Verspätungen. Wie die BVG mitteilte, sei es vor allem auf den Linien U2, U3, U6, U7, U8 und U9 zu längeren Wartezeiten und verkürzten Zügen gekommen.

Als Hauptgrund für die Ausfälle nannte die BVG Vandalismusschäden. Trotz aller Sicherheitsvorkehrungen sei es während des Streiks am Montag zu erheblichen Graffitischäden an den in Kehr- und Aufstellanlagen abgestellten Zügen gekommen, hieß es. Insgesamt seien während des Ausstands, der erst am Dienstagmorgen 3 Uhr beendet wurde, 140 Wagen mit Graffiti besprüht worden. Betroffen von den Vandalismus-Attacken sei immerhin ein Zehntel der gesamten Wagenflotte der U-Bahn.

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BVG setzte mit Graffiti besprühte Züge dennoch ein

Um die Zahl der Ausfälle zu begrenzen, setzte die BVG 65 der besprühten Wagen am Dienstagmorgen dennoch ein. Bei den übrigen 75 Wagen sei dies aus Gründen der Betriebssicherheit nicht möglich gewesen, sagte BVG-Sprecher Jannes Schwentu. Eine U-Bahn kann zum Beispiel dann wegen eines Graffito nicht mehr fahren, wenn Lichter oder Fenster übersprüht sind. Dadurch könnten beispielsweise Hörgeschädigte nicht mehr erkennen, wann eine Tür schließt, so der BVG-Sprecher. Diese Fahrzeuge müssten nun zur Reinigung in eine Werkstatt. Da die Kapazitäten zur Graffiti-Beseitigung dort begrenzt seien, werden die Fahrgäste die Folgen des Wagenmangels noch einige Tage zu spüren bekommen, kündigte die BVG an.

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Die Ausfälle kamen allerdings nicht überraschend. Die Graffiti-Szene hatte in den sozialen Netzwerken bereits am Wochenende vor dem Streik angekündigt, den langen Stillstand der U-Bahnen während des Streiks für gezielte Sprayer-Aktionen nutzen zu wollen.

Die Gewerkschaft Verdi distanzierte sich am Dienstag von den Attacken, mit denen öffentliches Eigentum beschädigt wurde. Die Verantwortung dafür wird aber der BVG-Führung gegeben, weil diese eine im Februar geschlossene Notdienstvereinbarung nicht in Kraft gesetzt habe. Bei deren Anwendung hätten Sicherheitskräfte während des Streiks zur Bewachung von U-Bahnen eingesetzt werden können. „Wäre die Vereinbarung angewendet worden, wäre es sicherlich möglich gewesen, größere Schäden zu verhindern, denn während des Warnstreiks hätte verstärkt patrouilliert werden können“, erklärte Verdi-Verhandlungsführer Jeremy Arndt.

BVG: Vorfälle nicht wegen fehlender Sicherheitsmitarbeiter

Die BVG-Führung sagt wiederum, dass die Vorfälle nicht auf fehlendes Sicherheitspersonal zurückzuführen seien. Demnach waren insgesamt 150 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eines externen Dienstleisters im Einsatz, außerdem Mitarbeiter des BVG-eigenen Sicherheitsdienstes, die nicht am Streik teilgenommen hätten. Auch mit der Polizei sei „wie immer“ sehr eng zusammengearbeitet worden. „Das Problem war vielmehr die streikbedingte lange Standzeit der Züge, die den Graffitisprayern ungewöhnlich viel Zeit ließ“, sagte der BVG-Sprecher.

Vandalismus und Graffiti-Schmierereien sind seit vielen Jahren ein großes Problem im Berliner Nahverkehr. BVG und S-Bahn müssen für die Beseitigung der Schäden jedes Jahr rund zehn Millionen Euro aufwenden. Laut S-Bahnchef Peter Buchner nehmen die Attacken beständig zu. Ein Rundum-Schutz aller Abstellanlagen sei aber auch bei der S-Bahn nicht zu gewährleisten. „Inzwischen werden viele Züge selbst während der Fahrt besprüht“, so Buchner. Gemeinsam mit der Bundespolizei konzentriere man sich darauf, konkrete Täter zu überführen und zivilrechtlich zu belangen. Schadensersatzansprüche würden bis zu 30 Jahre lang geltend gemacht.

Bislang werden in Berlin allerdings aber nur wenige Täter ermittelt und von der Justiz belangt. Das führt dazu, dass es inzwischen eine regelrechten Graffiti-Tourismus in die Stadt gibt. „Erst jüngst haben unsere Mitarbeiten einen 16-jährigen Sprayer aus Australien gestellt“, berichtete Buchner.