Berlin braucht bald viel mehr Geld als gedacht, um seinen Beamten Pensionen zu bezahlen. Bald könnten auch die Lehrer dazu gehören.
Berlins Beamte kommen im Ruhestand das Land deutlich teurer zu stehen als bisher angenommen. Die bereits eingegangen Pensionsverpflichtungen belaufen sich aktuell auf 57 Milliarden Euro. Das hat Finanzstaatssekretär Fréderic Verrycken (SPD) der AfD-Finanzexpertin Kristin Brinker in der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage mitgeteilt. Zuletzt hatte die Finanzverwaltung die künftig sicher anfallenden Ausgaben für Pensionen auf 35 bis 40 Milliarden beziffert.
Durch die neuen Berechnungen, die der Staatssekretär vorab aus einem gerade fertig gewordenen versicherungsmathematischen Gutachten genommen hat, verdoppele sich de facto der Berliner Schuldenstand, stellte Brinker fest. Die Verbindlichkeiten Berlins liegen derzeit bei 58 Milliarden Euro. Anders als bei Bankschulden, die das Land auch weiter mit sich herumtragen und über Zinszahlungen finanzieren kann, bedeuten die Pensionsverpflichtungen echte, reale Ausgaben in der Zukunft.
Zurückgelegt hat der Senat nur 1,1 Milliarden Euro
Dafür hat der Senat nur in geringem Umfang Vorsorge getroffen. In der „Versorgungsrücklage“ des Landes liegen laut Finanzverwaltung bisher 1,1 Milliarden Euro. Dabei hat der Senat in den vergangenen Jahren bereits deutlich mehr Geld für Pensionen zurückgelegt als früher. Die gute Haushaltslage erlaubte es 2018, fast 200 Millionen Euro zurückzulegen, 2017 waren es 80 Millionen Euro.
Die Ergebnisse sind umso brisanter, weil auch in Berlin darüber diskutiert wird, die Zahl seiner Landesbeamten deutlich zu erhöhen. So wird der SPD-Landesparteitag am Sonnabend die Verbeamtung von Lehrern diskutieren. Wie das Votum ausgeht, ist offen. Linke und Grüne sind aber weiterhin gegen Verbeamtung. Fraktionschef Raed Saleh wirbt schon länger für eine Kursänderung.
Nur bei beamteten Lehrern sei es möglich, sie in die Brennpunktschulen zu entsenden, wo derzeit vornehmlich Quereinsteiger ohne pädagogische Ausbildung landen. Stets waren solche Stimmen in der SPD auf Ablehnung von Finanzsenator Matthias Kollatz und Bildungssenatorin Sandra Scheeres getroffen. Aber beide Politiker haben ihre Meinung offenbar geändert.
Wettbewerbsnachteil im Kampf um Lehrkräfte
Weil Berlin als einziges Bundesland Lehrer nicht verbeamtet, bestehe ein Wettbewerbsnachteil im Kampf um Lehrkräfte. Hatte Scheeres lange versichert, dennoch genügend Lehrer zu bekommen, heißt es nun, Berlin sei ansonsten nicht konkurrenzfähig. Die Stadt verliere jedes Jahr 450 Lehrer infolge der „Nicht-Verbeamtung“, rechnet die Bildungsverwaltung jetzt vor.
In einem vertraulichen Papier der Finanzverwaltung wird nun auch das lange vorgetragene Argument zusätzlicher Kosten für das Land durch Beamte infrage gestellt. Über die Lebensarbeitszeit gesehen gebe es keine „gravierenden Unterschiede zwischen beamteten und tarifbeschäftigten Dienstkräften, schreibt der Finanzstaatssekretär.
Sollten alle Lehrer bis 45 Jahre verbeamtet werden, würde das 12.900 der 19.000 angestellten Lehrer betreffen. Zunächst würde das Land sparen, denn brutto verdienten Angestellte Beamte am Anfang 1600 Euro weniger als Angestellte. Das kehrt sich dann aber um, und über das gesamte Arbeitsleben erhalten Beamte 84.000 Euro mehr als Angestellte, hinzu kommen die erheblich höheren Pensionen. Bei den Finanzexperten der Koalition gibt es erhebliche Zweifel, ob diese Rechnung aufgeht.