Berlin bekommt zum ersten Mal eine Integrationsbeauftragte, die aus dem Ausland stammt. Katarina Niewiedzial, 41 Jahre alt, wurde in Polen geboren. Im Alter von zwölf Jahren kam sie mit ihrer Familie nach Deutschland.
„Wir waren damals zunächst in einer Erstaufnahmeeinrichtung in der Nähe von Göttingen untergebracht“, erzählte sie bei ihrer Vorstellung am Mittwoch in der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales. Sie habe keine Deutschkenntnisse gehabt und eine Willkommensklasse besucht. „Das Gefühl der Sprachlosigkeit hat mich sehr geprägt.“
Mit Stellenbesetzung ein Zeichen setzen
Niewiedzial tritt ihre Stelle im Mai an. Sie ist Nachfolgerin von Andreas Germershausen, der in den Ruhestand geht. Man wolle mit dieser Stellenbesetzung ein Zeichen setzen, sagte Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke). Niewiedzial habe auch die ungeteilte Zustimmung des Landesbeirats für Integrations- und Migrationsfragen bekommen, der in die Stellenbesetzung einbezogen war.
Katarina Niewiedzial ist Politikwissenschaftlerin. Sie arbeitete bereits 2003 bis 2007 als Projektkoordinatorin des Berliner Integrationsbeauftragten und war von 2007 bis 2014 Geschäftsführerin eines Think Tanks. Seit fünf Jahren ist sie Integrationsbeauftragte im Bezirksamt Pankow. „Ich habe dort viele Akzente gesetzt“, betonte sie und nannte das Welcome Center im Bürgeramt Prenzlauer Berg als Beispiel.
Initiierte Beschwerdemanagement in Flüchtlingsunterkünften
Dort gebe es eine mehrsprachige Beratung zu Themen wie Bildung, Arbeit, Familie und Gesundheit. Niewiedzial habe sich für das Qualitäts- und Beschwerdemanagement in Flüchtlingsunterkünften eingesetzt, sagte Senatorin Breitenbach. Ein Pilotprojekt von 2018, das derzeit in mehreren Bezirken läuft.
Ziel sei es, dieses in allen Berliner Unterkünften zu etablieren. „Berlin ist ein Magnet für Menschen aus dem Ausland“, so Niewiedzial. „Sie kommen gern in die Stadt und schätzen unsere Offenheit und tolerante Haltung.“ Sie habe jedoch das Gefühl, dass diese Offenheit und tolerante Haltung brüchig werden.
Ihr Ziel sei es, das offene Berlin zu stärken. Die Behauptung, dass die Integration gescheitert sei, treffe nicht zu. „Dagegen müssen wir etwas setzen.“
Respekt für die Herkunftssprache von Einwanderern
Es müssten mehr Geschichten von Menschen erzählt werden, deren Integration gelungen sei. Zudem sei es wichtig, frühzeitig gegen Vorurteile gegenüber Menschen anderer Herkunft vorzugehen. Katarina Niewiedzial hob Initiativen aus Pankow hervor, etwa das Projekt Interkultour.
„Da gehen wir mit Schülern aus Willkommensklassen in einen buddhistischen Tempel, in eine Kirche und in eine Synagoge.“ Es seien Kinder dabei, die in ihrem Herkunftsland für den Besuch einer Synagoge bestraft würden, berichtete die designierte Integrationsbeauftragte, die derzeit noch dasselbe Amt in Pankow verantwortet.
Wichtig sei ihr auch die Anerkennung und Wertschätzung der Herkunftssprache von Einwanderern. „Das ist ein Thema, bei dem man Familien und Migrantenorganisationen abholen kann.“
In allen Pankower Bibliotheken würden jährlich bilinguale Märchentage durchgeführt. „Die Geschichten werden in Deutsch und in einer anderen Sprache vorgelesen. Damit liegt der Fokus auf dem, was die Familien mitbringen, und nicht auf dem, was sie nicht können.“ Auch dieses Projekt könne auf ganz Berlin ausgeweitet werden.
Zu wenige Einwanderer im öffentlichen Dienst
Menschen mit Migrationshintergrund, die schon länger in Berlin leben, sollten „den öffentlichen Dienst als attraktiven Arbeitgeber entdecken“, sagte Katarina Niewiedzial weiter. Sie arbeite selbst im öffentlichen Dienst, so die 41-Jährige, und wundere sich, „wie wenig vielfältig dieser größte Arbeitgeber Berlins ist.
Wenn man in die Jugendämter und in die Sozialämter schaut, in die Bibliotheken und Volkshochschulen, aber auch in die Lehrerzimmer, dann stellt man fest: Da bildet sich die Einwanderungsgesellschaft nicht ab.“ 34 Prozent der Berliner hätten einen Migrationshintergrund. „Ich wünsche mir, dass diese Menschen auch in den Institutionen Fuß fassen.“
Es gebe dafür die Chance. „Denn der öffentliche Dienst steht vor einem Generationswechsel. Diese Einstellungswelle ist eine gute Möglichkeit.“ Es gehe darum, Menschen mit Einwanderungsgeschichte nicht nur am Infopoint einer Verwaltung einzusetzen, sondern in allen Ebenen und Bereichen einzustellen.
Mehr Kompetenz für das Amt gefordert
Wichtig sei außerdem, diese Menschen nicht nur anzuwerben, sondern sie auch in der Verwaltung zu halten. „Sie dürfen sich nicht diskriminiert fühlen.“
Auch das bringe sie aus Pankow mit: Dort werde, in Absprache mit dem Personalrat, eine Arbeitsgruppe zum Thema „Diskriminierungsfreier Arbeitgeber“ gebildet. Dies solle die Belegschaft sensibilisieren und Betroffene ermutigen.
In den Bezirken seien in den vergangenen Jahren 450 Integrationsprojekte angestoßen worden, resümierte Andreas Germershausen, seit Oktober 2015 Integrationsbeauftragter des Senats. Etwa 300 dieser Projekte würden bis in die Gegenwart weitergeführt.
In den Verwaltungen müsse die interkulturelle Kompetenz der Mitarbeiter gestärkt werden, forderte er, die Fähigkeit, „dass man ein Verständnis hat für unterschiedliche Lebensbedingungen, die in unterschiedlicher Herkunft begründet sind“. Dies sei eine Fachkompetenz. Germershausen forderte auch, dass die Position der Integrationsbeauftragten des Senats gestärkt werden müsse.