Berlin. Die Charité schließt 2018 mit knappem Überschuss von 800.000 Euro ab. Krankenkassen stellen 26 Prozent aller Rechnungen in Frage.
Die Krankenkassen beanstanden in erheblichem Umfang Rechnungen der Berliner Universitätsklinik Charité. Nach Aussagen der für die Finanzen zuständigen Klinikumsdirektorin Astrid Lurati stellt der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) Berlin Brandenburg 26 Prozent aller Rechnungen in Frage. Diese umfassten die Hälfte des Umsatzes in der Krankenversorgung, der bei gut 900 Millionen Euro pro Jahr liegt.
Nach Diskussionen zwischen Charité und dem Vertreter des Kostenträgers für Kassenpatienten musste die Universitätsklinik über die vergangenen Jahre auf 35 Prozent der mit den untersuchten Rechnungen erwarteten Erlöse verzichten. Das bedeutet, dass die Klinik jedes Jahr erwartete Einnahmen in dreistelliger Millionenhöhe nicht realisieren konnte, weil die Rechnungen bei den Prüfern des MDK durchfielen.
Dort klagt man schon länger über die Qualität der Abrechnungen aus der Charité, wo Leistungen oft nicht richtig dokumentiert und mit den richtigen Codes versehen seien. Das führt der MDK auch auf den mangelnden Grad der Digitalisierung in der Charité, Personalmangel, aber auch den Einsatz von häufig wechselnden Ärzten zurück, die mit den Routinevorgängen der Dokumentation und Abrechnung nicht so gut vertraut seien.
Charité steht finanziell unter Druck
Für den Vorstand gehört der Dauer-Streit mit dem MDK zu einer der wichtigsten Aufgaben. Denn das Geld bleibt knapp an der Charité. Das Jahr 2018 wurde mit einem knappen Überschuss von 800.000 Euro abgeschlossen, teilte das Universitätsklinikum am Freitag bei der Vorlage des Jahresergebnisses mit. Tarifsteigerungen, 500 zusätzliche Stellen im Laufe des Jahres 2018 und der politische Wunsch, Tochtergesellschaften für die Service-Dienstleistungen (CFM) und die Therapeuten (CPPZ) wieder ins Stammhaus und den dazu gehörenden Tarifvertrag einzugliedern, setzen die Charité finanziell unter Druck. Hinzu kommt ein auch nach der Sanierung des Betten-Hochhauses in Mitte erheblicher Investitionsbedarf.
Im Aufsichtsrat der Charité, dem der Regierende Bürgermeister und Wissenschaftssenator Michael Müller (SPD) angehören, sind die Abrechnungsprobleme der Charité schon lange ein Thema. Klinikumsdirektorin Astrid Lurati sagte, man habe in den vergangenen Monaten die Ärzte und anderen Mitarbeiter verstärkt auf die Bedeutung ordentlicher Abrechnungen hingewiesen und sie geschult. Der Anteil der beanstandeten Rechnungen sei inzwischen niedriger als in früheren Jahren, sagte Lurati.
Mittlerweile 788 Abrechnungen unter falschem Institutsnamen
Zuletzt waren an der Charité wie berichtet Unregelmäßigkeiten bei der Abrechnung ambulanter Leistungen an Privatpatienten aufgetaucht. Rechnungen wurden bis 2015 unter Namen von Instituten gestellt, die es gar nicht gab. Im von der Senatswissenschaftsverwaltung angeforderten Bericht der Innenrevision hat sich die Zahl der Rechnungen unter falschem Institutsnamen nach Informationen der Berliner Morgenpost auf 788 erhöht. Zuletzt war von etwa 60 Fällen weniger die Rede gewesen. Noch am Anfang des Jahres hatte der Vorstand in der Antwort des Senats auf eine parlamentarische Anfrage der FDP noch bestritten, dass es solche Fälle überhaupt gegeben habe.
Der Vorstand verwies auf Ausfälle von 2,7 Millionen Euro, die im vergangenen Jahr entstanden seien, weil die Charité auf den Kosten für die Versorgung von Patienten ohne Versicherungsschutz sitzen geblieben sei. Um die Probleme vor allem bei der Abrechnung ambulanter Fälle zu bekämpfen, würden jetzt viele Patienten, die sich länger in den Rettungsstellen aufhielten, als tagesstationär gewertet, um teure Diagnosen und Behandlungen leichter bei den Kassen geltend machen zu können. Die Zahl der ambulant behandelten Patienten sank deshalb 2018 um fast 10.000 auf 693.000. Stationär wurden 152.000 Patienten behandelt, drei Prozent mehr als ein Jahr zuvor.
Ärzte sollen weiter befristet beschäftigt werden
Charité-Vorstand Karl Max Einhäupl wies Forderungen der Ärztegewerkschaft Marburger Bund und der Berliner Koalition zurück, Ärzte nicht mehr befristet zu beschäftigen. Die Uni-Klinik als großer Ausbildungsbetrieb brauche die jungen Ärzte als Treiber der Innovation, sagte Einhäupl. Wenn alle fest angestellt würden, wäre die „Charité nicht mehr die Charité“.
Insgesamt zog der Vorstand aber ein positives Fazit des vergangenen Jahres. Vor allem in der Wissenschaft seien Fortschritte erzielt worden. So stieg die Summe der eingeworbenen Drittmittel für Forschungsprojekte auf den Rekordwert von 171 Millionen Euro.