Machtkampf

Darum gärt es in der Berliner CDU

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Es wird eng für Monika Grütters (M.). Kritik kommt auch von Spandaus Kreischef Kai Wegner (3.v.r.).

Es wird eng für Monika Grütters (M.). Kritik kommt auch von Spandaus Kreischef Kai Wegner (3.v.r.).

Foto: imago stock&people / imago/IPON

In der Partei steht der nächste Machtkampf bevor. Grund ist die Unzufriedenheit mit der Landesvorsitzenden Monika Grütters.

Berlin. Es ist ein Parteitag, der eigentlich nur intern wichtig ist. Am 10. November 2018 trifft sich die sogenannte Landesvertreterversammlung der Berliner CDU in Adlershof, um über die Europapolitik zu diskutieren und den Kandidaten für die Europawahl zu nominieren.

Die Wahl ist lange hin, erst am 26. Mai 2019 wird gewählt, die Sache ist eigentlich klar. Und erst am Vorabend hat sich der CDU-Landesvorstand für Carsten Spallek, Stadtrat aus Mitte, ausgesprochen. Einstimmig. Also auch Monika Grütters, die Landesvorsitzende und Kulturstaatsministerin.

Wie das Gleichgewicht zwischen den Kreisverbänden wiederhergestellt werden sollte

Spallek ist zwar noch nicht als großer Europapolitiker aufgefallen, aber Mitte, der CDU-Kreisverband, sollte wieder mit einem Posten bedacht werden. Schließlich hat Frank Henkel, der frühere Innensenator und gescheiterte Spitzenkandidat, der aus Mitte kommt, bei der Aufstellung der Bundestagskandidaten-Liste keinen sicheren Listenplatz bekommen.

Henkel konnte also nicht in den Bundestag aufrücken, sondern sitzt weiter als einfacher Abgeordneter im Berliner Landesparlament. Grütters wollte ihm zwar zum Sprung in den Bundestag verhelfen, konnte sich aber nicht durchsetzen.

Auch in der CDU-Fraktion hat Mitte einen attraktiven Geschäftsführer-Posten nach der Wahl von Fraktionschef Burkard Dregger im Frühsommer 2018 verloren. Nun also Spallek - und damit sollte das Gleichgewicht zwischen den Kreisverbänden wieder hergestellt werden. So ticken Parteien, so tickt die Berliner CDU.

Europawahl: Benteles Kandidatur sorgt für Entsetzen

Doch in Adlershof tritt überraschend Hildegard Bentele, die Abgeordnete aus Tempelhof-Schöneberg, an. Morgens hat sie ihre Kandidatur per SMS angekündigt, hat aber natürlich im Vorfeld schon mit Unterstützern gesprochen und auch einen Redetext vorbereitet. Sie kennt sich aus mit Europapolitik, sie spricht gut und überzeugend.

Monika Grütters spricht auch zu den Delegierten, zur Lage der CDU, zu Europa. Sie spricht sich aber nicht für die Wahl von Spallek aus.

Hildegard Bentele wird gewählt – mit 141 zu 90 Stimmen. Sie feiert, doch in der Partei herrscht blankes Entsetzen.

Für Außenstehende nur schwer zu verstehen

„Wenn keine Absprachen mehr eingehalten werden, dann können wir hier einpacken“, sagen Kreisvorsitzende. „Monika Grütters hätte das verhindern müssen“, sagen andere.

Für Außenstehende ist das schwer zu verstehen, denn gilt nicht der Grundsatz: Der bessere setzt sich durch? Ist ein Wettbewerb nicht immer besser als ausgekungelte Kandidaturen?

„Wettbewerb ist immer besser“, darin sind sich alle einig, mit denen man im Nachhinein über diesen Parteitag spricht. Aber zu diesem Zeitpunkt in Adlershof geht es offensichtlich schon nicht mehr nur um Spallek oder Bentele, es geht um Monika Grütters, die Landesvorsitzende, die so viele Jahre an führender Position in der Berliner CDU dabei ist und nach der letzten Wahlniederlage 2016 die Partei führt.

Politik wird in den Ortsverbänden gemacht

Mit ihr ist die Unzufriedenheit in den Monaten davor stetig gewachsen, nun bricht sie sich Bahn. Denn das haben Grütters und ihre Unterstützer unterschätzt: In der Partei stehen in den Wochen nach dem Europa-Parteitag die Wahlen in den Ortsverbänden und den Kreisverbänden an. Hier wird Politik gemacht. Hier wird bestimmt, wer in den Vorständen sitzt, wer als Delegierte zu den Parteitagen geschickt wird. Wer hier für Mehrheiten sorgt, der kann fast alles beeinflussen. Das ist in der Berliner CDU nicht anders als in allen anderen Parteien.

Und so kommt es, wie es diejenigen, die die Machtmechanismen einer Partei kennen, schon in Adlershof vorhersagen: „Nun werden neue Mehrheiten gemacht.“ Und das heißt so viel wie: Mehrheiten ohne oder sogar gegen Grütters. Und da interessiert es nicht, wie die Außenwirkung ist, wie das Ansehen von Monika Grütters national oder in der Kulturszene ist, dass mit ihr die Berliner CDU ein liberales, ein großstädtisches Image bekommt hat. Da interessiert nur der Blick nach innen - und der Blick auf die Umfragen.

In Umfragen liegt die Partei zwischen 18 und 19 Prozent

In den Umfragen sieht es seit Jahren schlecht aus. Die Berliner CDU kommt bei der letzten Abgeordnetenhauswahl 2016 mit Frank Henkel als Spitzenkandidat nur noch auf 17,6 Prozent – nochmals 5,7 Prozent weniger als 2011.

Seitdem hat sich die Lage kaum verbessert – mal liegt die CDU in den Umfragen bei 18, mal bei 19 Prozent der Stimmen. Die Grünen sind in Berlin inzwischen vorn, auch die Linken sind stark, die SPD schwächelt noch mehr und liegt in Umfragen derzeit sogar hinter der CDU.

Von einer Machtperspektive in Berlin ist die CDU meilenweit entfernt. Und dies, obwohl die Kritik im bürgerlichen Berlin an der rot-rot-grünen Regierung so groß ist.

Engagement für Berlin wird vermisst

In der Berliner CDU weiß man um die Qualitäten von Monika Grütters, vermisst aber ihr Engagement für die Stadt, für die Berliner Themen. „Sie ist viel zu wenig präsent“, heißt es immer wieder. „Sie lebt in ihrem Amt als Kulturstaatsministerin, aber nicht für die Berliner CDU“, sagen einige, die sie gut kennen.

Andere wünschen sich mehr Angriffslust gegenüber dem rot-rot-grünen Senat, klare Worte, den Mut, den Konflikt mit dem Regierenden Bürgermeister Michael Müller zu suchen. „Die Berliner CDU hat unglaublich viel Potenzial, das sie bei der desaströsen Landespolitik des Senats noch besser einbringen könnte“, sagt Christoph Wegener, Ortsvorsitzender in Dahlem, einem der größten Ortsverbände der Berliner CDU, und einer der wenigen, der sich zum neuen Machtkampf äußert. „Deshalb wünsche ich mir einen Landesvorstand, der hier kräftigeren Gegenwind entwickelt“, sagt Wegner. Er ist nicht der einzige, der das so sieht.

Machtkampf mit den Kreisvorsitzenden

Auch Kai Wegner ist unzufrieden. Wegner ist das, was man in der Partei „einen Strippenzieher“ nennt. Er ist seit Jahren Kreisvorsitzender in Spandau - und erst am vergangenen Sonnabend mit 98,4 Prozent wieder zum Kreischef gewählt worden.

Er war viele Jahre in der Jungen Union aktiv, er war unter Henkel Generalsekretär der CDU und ist viel in der Partei unterwegs. Der 46-Jährige mag das auch, mit den Menschen an der Parteibasis reden, Mehrheiten organisieren. Monika Grütters löste ihn als Generalsekretär ab, als sie im Dezember 2016 den Parteivorsitz übernahm. Und bekam gleich die Macht der Kreisvorsitzenden zu spüren, die den von ihr gewünschten Generalsekretär Stefan Evers im ersten Wahlgang durchfallen ließen. Im zweiten Wahlgang wurde Evers dann gewählt. Es war eine reine Machtdemonstration.

Fronten verhärten sich nach der Causa Knabe

In den Monaten danach hat sich das Verhältnis zwischen Grütters und den einflussreichen Kreisvorsitzenden nur wenig entspannt. Mehr noch: Die Fronten haben sich nach der Entlassung von Hubertus Knabe, dem in der CDU hoch angesehenen Leiter der Stasiopfer-Gedenkstätte Hohenschönhausen, weiter verhärtet.

Auch Wegner war zutiefst entsetzt - und kann Grütters Argumentation, man habe einen Neuanfang in der Gedenkstätte gebraucht, es gehe um die Frauen, nicht um Knabe - bis heute nicht nachvollziehen. Wie andere auch - unter ihnen beispielsweise auch Frank Henkel.

Henkel war es, der Mitte Februar in der CDU-Fraktion offen ankündigte, er werde für den von der FDP vorgeschlagenen Untersuchungsausschuss zum Fall Knabe votieren - wohl wissend, dass Grütters und Fraktionschef Dregger diesen strikt ablehnten. Zum Schluss verständigte sich die Union völlig überraschend auf einen eigenen Untersuchungsausschuss - und in der Partei wundern sich noch mehr Menschen über Grütters’ und Dreggers Führungsqualitäten.

Zerstritten wie nie

Und so präsentiert sich die Berliner Union in diesen Frühjahr zerstrittener denn je. Der Kreisverband Mitte macht, was er will. In Reinickendorf trat der langjährige Kreisvorsitzende Frank Steffel nicht mehr an - offiziell freiwillig, aber er hätte wohl keine Mehrheit mehr gehabt.

In Charlottenburg-Wilmersdorf kippte jetzt der Ortsverband Grunewald - und damit auch die Mehrheit für den derzeitigen Kreisvorsitzenden und Generalsekretär Stefan Evers. Er muss um seine Mehrheit bangen, der Bundestagsabgeordnete Klaus-Dieter Gröhler könnte sein Nachfolger werden, heißt es.

In Tempelhof-Schönberg ist der Frieden ebenfalls dahin, seitdem Bentele unabgestimmt für das EU-Mandat kandidierte. In Marzahn-Hellersdorf, wo Monika Grütters noch ihren Bundestagswahlkreis hat, ist die Stimmung schon länger im Keller, nachdem Grütters vor rund einem Jahr verhindert hat, dass der ehemalige Sozialsenator und Kreisvorsitzende Mario Czaja neuer Fraktionschef werden kann.

Mitglieder wollen bei Personalien mitentscheiden

„Die Unzufriedenheit unter den Mitgliedern ist groß und muss kanalisiert werden“, sagt der CDU-Politiker Wegener, der auch die Initiative Hauptstadt leitet und viele Veranstaltungen mit Multiplikatoren organisiert. Er spricht sich für Regionalkonferenzen aus, sollte es mehrere Bewerber für den Landesvorsitz geben.

Nach dem Vorbild auf Bundesebene, als Annegret Kramp-Karrenbauer gegen Friedrich Merz und Jens Spahn antrat. „Die Mitglieder wollen die Personalien nicht mehr nur fertig serviert bekommen, sondern in die Entscheidungsfindung involviert werden“, ist der CDU-Mann überzeugt. Auch mit dieser Ansicht ist er nicht alleine.