Berlin. Die Charité hat Hunderte Rechnungen unter falschen Institutsnamen abgerechnet. Nun soll die Innenrevision die Vorgänge prüfen.
Berlins Universitätsklinik Charité bleibt in der Affäre um falsche Institutsnamen bei Abrechnungen Antworten schuldig. „Wir haben noch viele erhebliche weitere Nachfragen“, sagte Wissenschafts-Staatssekretär Steffen Krach (SPD) als Reaktion auf den Bericht, den der Vorstand vergangene Woche vorgelegt hatte.
Er habe veranlasst, dass nun die Innenrevision der Charité die Vorgänge prüfen soll, sagte Krach der Morgenpost. Bis 21. März sollen die Ergebnisse der internen Ermittlungen vorliegen. Wie berichtet, hatte die Universitätsklinik ambulante Leistungen gegenüber Privatpatienten über Jahre bis 2015 unter dem Namen Institut für Immunologie, Tumorzentrum, Transfusionsmedizin abgerechnet, das so nie existiert hatte.
Hintergrund: Erfundene Institutsnamen - Charité muss sich erklären
Patientin brachte falsche Institutsnamen ans Licht
Insgesamt wurden nach bisherigen Angaben 726 Rechnungen mit diesem Institutsnamen ausgestellt. Der die Rechnung stellende Arzt hat zudem laut Unterlagen, die der Morgenpost vorliegen, auch unter anderen Organisationsbezeichnungen mit Patienten kommuniziert und etwa Rezepte für Medikamente ausgestellt. Die Charité hatte zunächst gegenüber der Wissenschaftsverwaltung Anfang Oktober 2018 und erneut auf schriftliche Nachfrage im Februar 2019 behauptet, es habe diesen Vorgang nie gegeben.
Diese Information reichte Staatssekretär Krach dann auch an den FDP-Abgeordneten Marcel Luthe als Antwort auf eine offizielle Parlamentsanfrage weiter. Später, nachdem eine Patientin Druck gemacht hatte, weil nach ihren Angaben einige Antworten auf Parlamentarische Anfragen unwahr waren, räumte der Vorstand auf Nachfrage ein, dass dieser Institutsname doch verwendet worden war. Krach musste seine Aussagen gegenüber dem Oppositionspolitiker korrigieren. Die Charité erklärt den Vorgang mit einem Versehen. Der Name sei einmal irrtümlich aus verschiedenen Namens-Elementen zusammengesetzt worden und dann vom Abrechnungsdienstleister PVS weiterverwendet worden.
Charité hatte den Senat zunächst falsch informiert
Warum allerdings die Uni-Klinik noch im Januar 2019 die Existenz dieses Fehlers bestritten hatte, obwohl eine Patientin den ärztlichen Direktor Ulrich Frei bereits seit Sommer 2018 per Mail über die falschen Institutsnamen informiert hatte, ist bisher offen. Laut der Patientin, die in mehreren Abteilungen zu einzelnen ambulanten Terminen war, musste nicht nur die Rechnung dieses Instituts korrigiert werden, weil sich Leistungen darauf befanden, die nicht stattgefunden hatten.
„Das Thema wird uns weiter beschäftigen“, kündigte Staatssekretär Krach an. Wenn weitere Antworten eingegangen seien, werde man „über weitere Schritte nachdenken“. Es sei nicht so, dass das Problem gelöst sei. Aus Sicht des FDP-Abgeordneten Luthe besteht der Anfangsverdacht auf Abrechnungsbetrug.
Auch Krach ist skeptisch. Selbst wenn es ein Versehen gewesen sei, müsse sichergestellt sein, dass sich ein solches nicht wiederholen könne und dass es nicht auch in anderen Fällen geschehen sei. Ehe man keine Sicherheit habe, werde die Behörde die Arbeit als Rechts- und Fachaufsicht nicht einstellen. Auch im Charité-Aufsichtsrat kommende Woche solle der Vorstand zu den erfundenen Instituten berichten. Die Mitglieder des Kontrollgremiums würden über den Sachstand informiert.
Staatssekretär hat noch viele Nachfragen
Krach zeigt sich alarmiert über die Umstände, die die falschen Institutsnamen ans Licht brachten. Die Patientin liegt seit längerer Zeit mit der Charité im Konflikt. Sie verlangt unter anderem die Herausgabe aller ihrer Patientendaten und auch die Protokolle darüber, wer wie oft auf diese Daten zugegriffen hatte. Im Zuge ihrer Durchsicht der Akten war die Frau auf die nicht existierenden Institutsnamen gestoßen und hatte festgestellt, dass darüber fehlerhaft abgerechnet worden war. Es war Diagnostik auch unter weiteren verschiedenen Ambulanz- bzw. Institutsnamen beauftragt oder empfangen worden.
In der Antwort auf die Parlamentarische Anfrage, die laut Charité eine angeblich vollständige Liste aller Ambulanzen und Institute enthält, findet sich keines davon. „Ich habe einen Beleg, dass die Abrechnung über die Abteilung IIIA der Charité lief. Das ist offenbar die interne Bezeichnung der Charité für die Finanzabteilung“, so die Patientin.
Universitätsklinik will Patientendaten nicht offenlegen
Der FDP-Politiker Luthe hat seiner ganzen Reihe von Anfragen zu dem Thema zwei weitere hinzugefügt und wartet jetzt auf Antwort der vom Regierenden Bürgermeister und Wissenschaftssenator Michael Müller (SPD) und Staatssekretär Krach geführten Wissenschaftsverwaltung. Er will wissen, ob die unter falschem Namen abgerechneten Leistungen tatsächlich ausschließlich auf Charité-Bankkonten geflossen sind. Auch verlangt er Auskunft darüber, wann und durch wen die Verwendung des Namens bekannt wurde und korrigiert worden sei. Und er möchte wissen, mit welcher Begründung die Universitätsklinik der Patientin die Zugriffsprotokolle auf ihre Patientenakte bisher verweigert habe.
Die Charité speichert offenbar elektronisch in größerem Umfang Daten über Patienten, als in Patientenakten abgelegt werden. Das betrifft Daten wie Rechnungen und Abrechnungsdiagnosen. Aber auch interne Bemerkungen über den Patienten und Datenzugriffe auf Vorbehandlungen und interne Datenübermittlungen sind dort hinterlegt. „Gerade bei seltenen Erkrankungen und Diagnosefehlern können so auch falsche Informationen über einen Patienten hinterlegt werden“, sagt die Patientin, die unter einen seltenen Erkrankung leidet und ihren eigenen Worten nach einen „sehr steinigen Weg durch die Medizin“ hatte. Den Patienten werde ihr Recht auf vollständige Information vorenthalten. Sie wüssten nicht, wer was über ihn weiß und könnten so auch nicht dazu beitragen, Fehler zu beheben. „Ich bezweifle, dass die Charité diese Informationen je irgendeinem Patienten vollständig zur Verfügung gestellt hat. Die Patienten wissen ja in der Regel von alleine nichts davon.“