Um kurz vor 20 Uhr versank das Rathausforum im Dunkeln. Erneut hat es am Dienstagabend einen Stromausfall in Berlin gegeben. 1500 Haushalte und 200 Gewerbetreibende waren zwischen Spittelmarkt und Rosa-Luxemburg-Straße wegen eines Kabelschadens von der Stromversorgung abgeschnitten.
Rund 600 Haushalte mussten die ganze Nacht durch auf Strom verzichten. Erst ab etwa 5.30 Uhr sollen wieder alle Wohnungen mit Strom versorgt gewesen sein.
Die Fälle von Stromausfällen häufen sich derzeit. Erst am Montag gab es einen größeren Ausfall in Gesundbrunnen. Rund 1000 Haushalte waren betroffen. Nur wenige Wochen sind seit dem großen Blackout in Köpenick vergangen. Dort waren Mitte Februar 30.000 Haushalte mehr als 30 Stunden lang ohne Strom.
Katastrophenschutz in Berlin hat schwere Mängel
Die Störungen liefen allesamt verhältnismäßig glimpflich. Was jedoch, wenn es zum Blackout käme und in ganz Berlin für längere Zeit die Lichter ausgehen würden. Wäre die Stadt auf diesen Ernstfall vorbereitet?
Offenbar nicht. Der Stromausfall in Köpenick soll schwerwiegende Mängel im Berliner Katastrophenschutz zu Tage geführt haben, berichtet das ARD-Magazin „Kontraste“ am Mittwochabend um 21.15 Uhr in der Sendung mit dem Titel „Blackout Berlin - Wie verwundbar ist die Hauptstadt?“.
So fehle es mindestens 37 Wachen der Freiwilligen Feuerwehr in Berlin an einer eigenen stationären Notstromversorgung. Dabei stelle sie eine tragende Säule des Katastrophenschutzes dar. Ohne Notstromaggregate werde „auch unser Hilfeleistungssystem nach einer ganz bestimmten Zeit zusammenbrechen“, sagte der leitende Branddirektor der Berliner Feuerwehr, Frieder Kircher dem Magazin. Er rechne bei einem großflächigen Blackout bereits in den ersten 24 Stunden mit Todesopfern.
Auch dem THW fehlt vielerorts eine eigene Notstromversorgung
Zudem gebe es gravierende Mängel in der Notfall-Kommunikation. Laut dem Katastrophenschutzbeauftragten des DRK Berlin, Hardy Häusler, gebe es bei einem flächendeckenden Blackout keine ausreichende Kommunikationsmöglichkeit, um freiwillige Helfer zu alarmieren.
Ähnliche Töne schlägt Albrecht Broemme an, Präsident des Technischen Hilfswerks (THW) und zuvor 14 Jahre lang Landesbranddirektor von Berlin. Auch dem THW fehle vielerorts noch eine eigene Notstromversorgung, die bis zu zwei Wochen autark arbeiten könne. „Das werden wir erst in zwei Jahren erreichen“, sagte Broemme der Berliner Morgenpost. „Wenn wir anderen helfen sollen, müssen wir selbst dazu in der Lage sein.“ Sonst werde es schnell lebensgefährlich.
Dialyse-Patienten besonders bedroht
Patienten etwa, die ihre Dialyse zu Hause vornehmen, könnte ein Stromausfall bereits in den ersten 24 Stunden das Leben kosten. Zwar hätten die Dialysegeräte häufig eine Batterie, doch auch die reiche nicht ewig. Im Winter kühlten zudem Wohnungen schnell aus, so der ehemalige Leiter der Berliner Feuerwehr. „Nach spätestens zwei Tagen sind die Wohnungen kalt und es gibt Tote durch Erfrierung.“
Wie schnell ein stadtweiter Stromausfall zu einem kompletten Blackout führen könne, zeige ein Beispiel aus Lübeck. Dort fiel im Mai 2018 im gesamten Stadtgebiet der Strom aus. „Innerhalb von vier Stunden ging keine Ampel mehr, kein Handynetz, da ging nichts mehr“, sagte der THW-Präsident und mahnt: „Das ganze muss man sich mal an einem kalten Wintertag in Berlin vorstellen.“
Bei Stromausfall funktionieren in Berlin nur noch zwei Tankstellen
Zwar verfügt das THW über Notstromaggregate, diese seien jedoch vor allem dafür da, im Notfall kritische Infrastruktur aufrecht zu erhalten. In Köpenick etwa musste das THW die Stromversorgung des Krankenhauses sicherstellen. Wohnviertel seien da zweitrangig.
Auch Stromaggregate müssen irgendwie mit Diesel versorgt werden. Aber wie, wenn der Stromausfall auch die Tankstelle lahmlegt? „In Berlin gibt es nur zwei Tankstellen, die beim Stromausfall funktionieren“, erklärt Broemme. Eine sei auf dem Gelände der Polizei in der Moabiter Kruppstraße. Die zweite befinde sich auf dem Sachsendamm. Dauert der Stromausfall länger, würde jedoch auch dort irgendwann der Diesel knapp.
Berlins altes Stromnetz gilt als gefährdet
Bei der Vorbereitung auf einen Ernstfall seien jedoch auch die privaten Haushalte gefragt, so Broemme. Jeder Haushalt solle sich mit haltbaren Lebensmitteln und Wasser bevorraten.
Der THW-Präsident rät zudem, gelassen zu bleiben. Den Stromausfall in Köpenick sieht er vor diesem Hintergrund als Positivbeispiel. „Die Berliner waren da sehr locker. Vielleicht ist man hier ein bisschen intelligenter und flexibler.“
Zwar sei die Häufung von Stromausfällen in den vergangenen Wochen außergewöhnlich, doch auch Broemme glaubt, dass die Wahrscheinlichkeit von schwereren Stromausfällen zunehme. „Das Berliner Stromnetz ist alt. Man kann nicht alles vorbeugend erneuern, wo es nötig wäre“.
Es gebe zudem relativ wenige Leitungen, die die Kraftwerke verbinden würden. „Das Stromnetz hat eine Struktur, die man heute nicht mehr bauen würde.“ Dass es nicht mehr Ausfälle gebe, läge am „bemerkenswert guten Management“ des Netzbetreibers.
Stromausfälle treffen jeden Berliner Haushalt im Schnitt 13 Minuten pro Jahr
Beim Stromnetz Berlin selbst sieht man die Stromversorgung nicht gefährdet. Die mehreren Fälle in den vergangenen Wochen seien „eine zufällige Häufung“, sagte Olaf Weidner, Sprecher von Stromnetz Berlin. Im vergangenen Jahr habe die Stromausfalldauer im Schnitt berlinweit 13 Minuten pro Haushalt betragen. „Bundesweit ein extrem guter Wert“, sagt Weidner.
Ganz vermeiden ließen sich die Störungen nicht. „Stromausfälle gibt es jeden Tag und es wird sie auch immer geben“, erklärt der Stromnetz-Sprecher und versucht die Angst vor dem Blackout zu nehmen: Im Schnitt sei alles nach 40 Minuten wieder vorbei.
Kontraste: „Blackout Berlin - Wie verwundbar ist die Hauptstadt?“, Mittwoch, 21.15 Uhr, ARD.