Berlin. Es geschieht nicht oft, dass Rosenthal – die Heimat von nicht einmal 10.000 Menschen in Berlins größtem Bezirk – Aufsehen erregt. Oder dass der kleinen Ortsteil von sich sagen kann, hier geschehe etwas mit Pioniercharakter. Bei der Regionalkonferenz am Mittwochabend war genau das der Fall.
Drei Stunden lang verkehrten sich die bezirkspolitischen Gepflogenheiten ins Gegenteil. Anstatt den Menschen zu erklären, wie ihre Zukunft aussehen wird, hörten Bezirksbürgermeister Sören Benn (Linke) und die Stadträte einfach nur zu. Es ging nicht darum, etwas mitzuteilen. Es ging Empfänglichkeit. Wo liegen die Chancen und Probleme in Sachen Stadtentwicklung, Kultur, Familie, Verkehr oder Wirtschaft? Rosenthaler schrieben es auf Karteikarten. Und sagten es den Entscheidern im Zwiegespräch.
Ob Mitbestimmung nach dem Prinzip „frei Schnauze“ funktioniert? Für Dieter Bonitz vom Bürgerverein „Dorf Rosenthal“ war der Paradigmenwechsel jedenfalls das richtige Signal. „Wir wollten ein Format probieren, bei dem die Menschen von hier ihre Ideen artikulieren, damit die Politiker die Möglichkeit haben, Themen besser zu verstehen.“ Rosenthal mit seinen dörflichen Strukturen müsse reaktiviert werden, und zwar von Bürgern.
Rosenthaler stören sich am Schwerlastverkehr
Als wenig überraschend erwiesen sich die Schwerpunkte der Konferenz. Verkehrsprobleme bereiten den Anwohnern die größten Sorgen. „Wir sind die großen Lastwagen in Rosenthal leid. Sie sind zu groß für die Straßen, aber sie fahren hier ständig durch, offenbar weil ihr Kartendienst es so anzeigt“, nennt Bonitz das Hauptärgernis. Die Kastanienallee als größte Durchgangsstraße habe seit ihrem Umbau „die Anmutung eines Flugzeuglandeplatzes.“ Diese falschen Dimensionen seien eine Einladung an Raser und eine Absage an moderne Verkehrskonzepte mit breiten Rad- und Fußwegen. Auch am katastrophalen Zustand der Bürgersteige stören sich die Rosenthaler nicht erst seit der Konferenz.
Ob man im Rathaus Pankow diese Befindlichkeiten nach dem Ortsbesuch klarer erkannt hat? Das wird die Arbeit in den Ausschüssen und den Bezirksamtssitzungen zeigen. Dort wollen Politiker die Informationen aus der Konferenz aufgreifen und in Handlungen umsetzen.
Derweil gehen die Experimente weiter. Aus Sicht von Bürgermeister Sören Benn gilt es mit es mit den Verfahren zur Beteiligung von Anwohnern noch mehr auszuprobieren. Was in Rosenthal geschehen sei, habe seine Wurzeln in einem ganz bestimmten Themenfeld gehabt. „Erprobt haben wir dieses Format bei der Vorstellung von neuen Flüchtlingsunterkünften“, berichtet Benn. „Denn unsere Erfahrung dort war: Mit einem Frontalvortrag erhalten wir in solchen Situationen nur polemische Diskussionen, aber keine auf der Sachebene.“ Womöglich werde man das Veranstaltungsformat noch abwandeln oder verfeinern. Die nächste Chance bietet sich bei einer zweiten Ortsteilkonferenz Ende März in Weißensee.