Der Landesrechnungshof wird die umstrittenen Wohnungskäufe des Senats, der Bezirke und der landeseigenen Wohnungsunternehmen untersuchen. „Es handelt sich um eine finanziell sehr bedeutsame Angelegenheit, die wir mit großer Aufmerksamkeit verfolgen“, sagte Rechnungshof-Präsidentin Karin Klingen der Morgenpost: „Wir legen dabei Wert auf eine Gesamtstrategie.“
Im Falle einiger geltend gemachter Vorkaufsrechte hätten die Finanzaufseher bereits „Prüfaktivitäten“ aufgenommen, so Klingen. Man wolle auch alle sechs landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften untersuchen. Die dafür notwendige Prüfgenehmigung habe die Senatsverwaltung für Finanzen in Aussicht gestellt. „Wir wollen erst mal sehen, nach welchen Maßstäben Senat und Bezirke handeln, welches Finanzvolumen dafür eingeplant ist und nach welchen Kriterien die Wohnungen ausgesucht werden“, sagte Klingen.
Seit vier Jahren erwerben Senat und Bezirke einzelne Mietshäuser per Vorkaufsrecht. Dafür ziehen sie in der Regel eine der landeseigenen Gesellschaften Degewo, Stadt und Land, Gewobag, WBM, Gesobau und Howoge heran. Aber auch ganze Siedlungen werden von der öffentlichen Hand in normalen Bieterverfahren gekauft. Die dabei gezahlten Preise sind erheblich. So kaufte die Stadt und Land zuletzt 1800 Wohnungen im Kosmosviertel im Treptower Ortsteil Altglienicke für 250 Millionen Euro. 36,5 Millionen davon kommen als Eigenkapitalzuschuss direkt aus der Kasse des Finanzsenators. Die Preise für die Plattenbauten am Stadtrand lagen bei mehr als 2000 Euro pro Quadratmeter.
An der Karl-Marx-Allee in Friedrichshain versuchten Senat und Bezirk, den Erwerb von drei Blocks durch die private Deutsche Wohnen zu hintertreiben. Mit Unterstützung des Landes machten 300 der knapp 700 Mieter von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch und gaben die Wohnungen gleich an die Gewobag weiter. Die Preise lagen um die 4000 Euro pro Quadratmeter, die Gewobag soll der Deal mindestens 100 Millionen Euro gekostet haben.
Angesichts der Mietenexplosion in Berlin will eine Initiative von April an Unterschriften für einen Volksentscheid sammeln. Ziel ist es, Unternehmen mit mehr als 3000 Wohnungen zu „vergesellschaften“. Der Vorstoß zielt vor allem auf die Deutsche Wohnen, die in Berlin rund 100.000 Wohnungen besitzt. In der Debatte um solche Enteignungen bezieht Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) nun erstmals klar Position. „Das ist nicht mein Weg und nicht meine Politik“, sagte Müller der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vom Montag. Er sehe die Initiative sehr kritisch. „Diskussionen wie diese helfen den Mieterinnen und Mietern jetzt überhaupt nicht“, so Müller.
FDP-Fraktionschef Czaja hatte die Prüfung angeregt
Der Fraktionschef der Liberalen, Sebastian Czaja, hatte sich mit einem Schreiben an die Rechnungshof-Präsidentin gewandt und eine Prüfung der Kaufaktivitäten angeregt. Damit rannte Czaja jedoch offene Türen ein. Man habe vorher schon im Kollegium der Prüfbehörde beschlossen, sich diese Vorgänge genauer anzusehen. „Die Entscheidung zu Prüfungsaktivitäten ist so begrüßenswert wie zugleich obligatorisch“, sagte Czaja. Die Opposition ist der Ansicht, es wäre sehr viel sinnvoller, für das Geld bezahlbare Neubauwohnungen zu fördern. CDU-Bauexperte Christian Gräff sagte mit Blick auf das Kosmosviertel, die Bewohner erwarteten nun, dass ihre Mieten gesenkt werden. „Sonst hätte der Ankauf keinen Sinn gemacht. Sollte dazu keine Wirtschaftlichkeitsrechnung angestellt worden sein, liegt der Tatbestand der Untreue sehr nah“, so Gräff.
Die Finanzverwaltung rechtfertigt den Eigenkapitalzuschuss für das Kosmosviertel mit einem Vergleich: Die landeseigene Investitionsbank IBB habe 2014 und 2015 ein Programm aufgelegt, um für bedürftige Bürger Belegungsrechte in Wohnanlagen über 20 Jahre zu kaufen. Dafür wurden innerhalb des S-Bahnrings 2,50 Euro und außerhalb 1,50 Euro pro Quadratmeter angesetzt. Der Eigenkapitalzuschuss für das Kosmosviertel bewege sich finanziell in diesem Rahmen. Jetzt ist der Ankauffonds ausgeschöpft und soll in der nächsten Tranche des Investitionsprogrammes Siwana um 70 Millionen aufgestockt werden.
Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) hat Bezirke, die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften und Senatsbehörden für Dienstag zur „Stadtbau-Konferenz“ eingeladen. Dabei soll es nach Morgenpost-Informationen vor allem darum gehen, warum die 2018 geschlossenen Bezirksvereinbarungen zum Neubau von diesen nur partiell eingehalten werden.
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