Berlin. Der Streit zwischen den sechs landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften (WBG) und Bausenatorin Katrin Lompscher (Linke) spitzt sich zu: Nachdem Lompscher in der vergangenen Woche die Neubauziele des Senats in dieser Legislatur bereits von 30.000 auf 25.000 gesenkt hatte, haben die Wohnungsbaugesellschaften nun auch dieses Ziel als nicht erreichbar bezeichnet. Die sechs Gesellschaften halten höchstens 24.000 neue Wohnungen für machbar, verlautete nach einer Routinesitzung der Gesellschaften mit der Senatsverwaltung. Zuerst hatte der „Tagesspiegel“ darüber berichtet.
Das will Senatorin Lompscher nicht hinnehmen. Schon in der Sitzung habe Staatssekretär Sebastian Scheel „unmissverständlich klargemacht“, dass eine weitere Reduzierung der Neubauzahlen nicht infrage komme, hieß es. Das bestätigte Lompscher am Donnerstag. „Ein Absinken der Fertigstellungszahlen bei den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften unter die Marke von 25.000 Wohneinheiten ist keinesfalls akzeptabel“, sagte Lompscher. „Die Gesellschaften sind deshalb beauftragt, durch ein Bündel von Maßnahmen nachzusteuern.“ Dazu gehört nach Angaben der Senatorin ein verbessertes Berichtswesen, damit die Verwaltung bei Problemen schneller eingreifen kann. Auch sollen zurückgestellte, kleinere Neubauprojekte wieder aufgenommen werden. „Dabei sind vor allem die Anstrengungen zu intensivieren, Projektankäufe zu realisieren“, sagte Lompscher. Bei diesen geht es um Bauprojekte, die von privaten Entwicklern realisiert und dann von landeseigenen Firmen angekauft werden.
Missbilligungsantrag auch innerhalb der Opposition umstritten
Darüber hinaus hätten sich die von den Wohnungsbaugesellschaften vorgestellten Zahlen als nicht belastbar herausgestellt. „Bereits eine oberflächliche Prüfung ergab, dass die vorgelegten Listen offenbar nicht vollständig sind“, hieß es in einer Mitteilung der Verwaltung. „Hier haben die Gesellschaften den Auftrag erhalten, nachzuarbeiten und die Inhalte zu überprüfen.“
Für die CDU ist die neuerliche Kurskorrektur durch die Wohnungsbaugesellschaften ein Zeichen der Unfähigkeit Lompschers. „Sie regiert in einer Mischung aus Ideologie und Überforderung“, sagte der Wohnungsexperte der Fraktion, Christian Gräff, am Donnerstag. Die CDU kündigte deshalb einen Missbilligungsantrag gegen Lompscher für die kommende Sitzung des Abgeordnetenhauses an. „Der Regierende Bürgermeister ärgert sich immer nur über Lompscher, jetzt ist es an der Zeit, sie zu entlassen“, fordert Gräff. Sie habe ein Klima geschaffen, das Investoren abschrecke, habe nicht einmal die Wohnungsbaugenossenschaften unterstützt und schiebe jetzt die Schuld auf die Wohnungsbaugesellschaften ab.
Aber der Missbilligungsantrag ist auch innerhalb der Opposition umstritten. FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja kritisierte den Missbilligungsantrag als „publikumswirksame Beschäftigungstherapie“. Das Problem sei nicht an einer Person festzumachen, vielmehr sei die Haltung der gesamten „Linkskoalition“ zum Wohnungsneubau das Problem. Czaja schlug einen Baugipfel mit kommunalen Wohnungsgesellschaften, Genossenschaften, Investoren, Bezirken, Senat und Opposition vor. Auch innerhalb der Regierungskoalition ist Lompschers Handeln umstritten. SPD und Grüne fordern mehr Engagement für den Neubau.
Ziele beim Ankauf werden erreicht
Um den steigenden Mieten in Berlin entgegenzuwirken, hat sich der rot-rot-grüne Senat ehrgeizige Ziele für den Wohnungsbau gesetzt. Der Neubau kommt aber nicht in Gang, weil es Probleme mit der Entwicklung der Baugrundstücke gibt. Der Senat habe die Lage unterschätzt, räumte Lompscher in der vergangenen Woche ein. Während die Ziele beim Neubau nicht erreicht werden, schafft der Senat nach Angaben der Stadtentwicklungsverwaltung den geplanten Ankauf von Wohnungen. Das im Koalitionsvertrag verankerte Ziel, bis zum Jahr 2021 insgesamt 10.000 Wohnungen für die städtischen Gesellschaften hinzuzukaufen, werde voraussichtlich erreicht oder überboten, sagte Lompscher. Seit 2016 seien 7861 Wohnungen hinzugekommen. Dies könne die Lücke beim Wohnungsbau womöglich etwas kompensieren, so die Senatorin. Bis 2021 sollen zudem weitere 5000 Wohnungen im Bau sein, versprach sie.
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