Stadtentwicklung

Was Berlin von anderen Städten lernen kann

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Joachim Fahrun
Die Seestadt Aspern in Wien gilt als  Vorzeigeprojekt europäischer Stadtentwicklung. 20.000 Menschen sollen dort  einmal wohnen.

Die Seestadt Aspern in Wien gilt als Vorzeigeprojekt europäischer Stadtentwicklung. 20.000 Menschen sollen dort einmal wohnen.

Foto: dpa Picture-Alliance / Karl Schöndorfer / picture alliance / Karl Schöndor

Wien, Kairo, Peking: Andere Städte finden interessante Lösungen in Sachen Stadterweiterung. Doch nicht immer erweisen sie sich als gut.

Berlin. Viele Häuser, auch in Wien, sind höher als 84 Meter. Aber das „HoHo“ wird dennoch eine Landmarke werden in der neuen Seestadt Aspern. In dem neuen Stadtteil der österreichischen Metropole entsteht gerade das höchste Holz-Hochhaus der Welt. Der 24-Geschosser soll im Frühjahr dieses Jahres eröffnen.

Aspern gilt als Vorzeigeprojekt europäischer Stadtentwicklung. Anders als etwa in Hamburg, wo die Stadt mit der Hafencity auf früheren Hafenflächen eher nach innen wächst, oder in Kopenhagen, das auf aufzuschüttenden Inseln Hightech-Betriebe ansiedeln will, ist Aspern eine klassische Satellitenstadt auf einem früheren Flughafengelände rund um einen künstlichen See.

Beteiligt am Aufbau des neuen Stadtteils, der einmal 20.000 Einwohner beherbergen und ebenso viele Arbeitsplätze bieten soll, sind auch Baugruppen. Wiens Bürgermeister Michael Ludwig spricht von einem „Vorzeigemodell für eine Smart City, wie sie Wien versteht: nämlich sozial, ökologisch und vielfältig. Und in diese nachhaltige Entwicklung fügt sich dieses Projekt mit seinem multifunktionalen Nutzungskonzept perfekt ein“.

Wien wächst so schnell wie Berlin

Wie in Österreichs Hauptstadt seit Jahrzehnten üblich ist, ziehen gemeinnützige Bauträger viele öffentlich geförderte Wohnungen hoch. Zuallererst waren zwei Bahnlinien aus der Innenstadt nach Aspern verlängert und Bahnhöfe eröffnet worden. Studentenheime, Bauernmärkte, ein Forschungszentrum und viel Grün machen das Quartier vielfältig. Geholfen hat dabei sicher die große Einigkeit der Wiener Politik. 2007 hatte der Gemeinderat den Masterplan des schwedischen Architekten Johannes Tovatt einstimmig beschlossen. Bis 2028 soll im Wiener Osten alles fertig sein.

Wenn in Berlin über einen 13. Bezirk diskutiert wird, muss man zwar an eine ganz andere Größenordnung denken, an 100.000 oder sogar 200.000 Einwohner. Aber die Strategie und das planvolle Vorgehen machen Wien, mit 1,8 Millionen Einwohnern halb so groß wie Berlin, zu einem Vorbild in Sachen Stadterweiterung. Die Donau-Metropole wächst seit Jahren mindestens so schnell wie Berlin.

Die wirklich großen Pläne für neue Stadtteile oder neue Metropolen werden aber nicht auf dem alten Kontinent geschmiedet. In Afrika und Asien ist von anderen Dimensionen die Rede – aber auch die Konzepte funktionieren anders.

New Cairo soll neue Hauptstadt Ägyptens werden

In der ägyptischen Wüste wächst eine neue Hauptstadt für das Reich am Nil. New Cairo soll die chaotische, mit 20 Millionen Menschen überfüllte Kapitale Kairo entlasten. Das 2015 von Präsident Abdel Fattah al-Sisi angekündigte Mega-Vorhaben östlich der Hauptstadt soll das Gegenbild zum Status quo abgeben: Keine Verkehrsstaus, keine wuseligen Basare, keine baufälligen Altbauten. Dafür breite Straßen, gute Schulen, Fabriken, Infrastruktur.

Das Innenministerium zog schon 2016 als erste Behörde um. Seitdem wachsen dort Villen und Apartmentblocks, deren Preise aber allenfalls für die Reichen und die obere Mittelschicht erschwinglich sind. Bisher leben rund 200.000 Menschen in der neuen Stadt. Noch ungelöst ist das Problem, wie die meist in Kairo lebenden Staatsbediensteten nach New Cairo kommen sollen, wenn die Regierung wie geplant im Laufe dieses Jahres umzieht.

Für den autoritär regierenden Präsidenten stellt die auf fünf Millionen Einwohner angelegte neue Hauptstadt seine Vision von Ägypten dar. Dazu gehört auch religiöse Toleranz. Anfang des Jahres eröffnete al-Sisi in New Cairo die größte christliche Kathedrale des mittleren Ostens mit Platz für 8000 Gläubige, kurz davor war eine noch größere Moschee eingeweiht worden. „Wir gehören zusammen und wir werden immer zusammenbleiben“, sagte der Präsident an die Adresse der koptischen Christen, die immer wieder Opfer von islamistischen Terroristen geworden waren.

Von massivem Leerstand und staatlichem Zwang

Kritiker sagen, al-Sisi sichere sich mit seiner neuen Hauptstadt gegen einen Umsturz ab. Die Muslimbrüder, die er mithilfe des Militärs von der Macht verdrängte, finden Anhänger eher in den verwinkelten Gassen Kairos als in der Reißbrett-Stadt in der Wüste.

Auch in China denkt die Staatsführung in ganz anderen Dimensionen als die Europäer. Die Hauptstadt Peking soll aus politischen und wirtschaftlichen Überlegungen massiv erweitert werden. Jing-Jin-Ji heißt das Projekt einer Metropolstadt, die Peking mit der Hafenstadt Tanjin verbinden und weite Teile der Provinz Hebei umfassen soll. Rund 130 Millionen Menschen soll die neue Megalopole umfassen. Regierung und Kommunistische Partei wollten ursprünglich schon 2017 ihre Sitze in die neuen Stadtteile verlegen. Aber diese Pläne sind zuletzt ins Stocken geraten. Denn die Wirtschaft wächst nicht mehr so rasant wie früher.

Inzwischen stehen vielerorts in China Geisterstädte: Hochhaustürme und Malls warten auf Bewohner und Konsumenten. Immobilienexperten warnen schon lange, dass diese Blase platzen und die staatlichen Banken und Baukonzerne in den Abgrund reißen könnte. Aber in China hat die Partei Mittel, die Marktmechanismen außer Kraft zu setzen. Die britische BBC berichtete kürzlich über Pläne, Landbewohner zwangsweise in den Satellitenstädten einzuquartieren.

Alle Teile der Serie zur Stadtentwicklung in Berlin lesen Sie HIER.

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