Gericht

Verfassungsgerichtshof berät AfD-Klage gegen Michael Müller

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Thomas Fülling
Am 27. Mai 2018 zogen Zehntausende unter dem Motto „AfD wegbassen“ durch Tiergarten, um ein Zeichen gegen die Partei zu setzen.

Am 27. Mai 2018 zogen Zehntausende unter dem Motto „AfD wegbassen“ durch Tiergarten, um ein Zeichen gegen die Partei zu setzen.

Foto: dpa Picture-Alliance / Eric Cortes / picture alliance / NurPhoto

Ein Tweet des Regierenden Bürgermeisters zu Demonstrationen soll gegen die Verfassung verstoßen. Das Urteil wird demnächst verkündet.

Berlin. Für US-Präsidenten ist Twitter seit ­Langem ein schlagkräftiges Macht­instrument. Auch Deutschlands Politiker erklären sich immer öfter über den Nachrichtendienst, der dazu zwingt, Aussagen auf wenige Worte zu reduzieren. Seit Juni 2017 hat auch Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) einen Twitter-Kanal für seine Botschaften – und aktuell überschaubare 7414 Follower.

Einer der bislang etwa 4500 im Namen des Regierenden Bürgermeisters versandten Tweets hat am Mittwoch dem Berliner Verfassungsgerichtshof an der Elßholzstraße in Schöneberg einen vollen Saal beschert. Der Gerichtshof unter Leitung seiner Präsidentin Sabine Schudoma beriet erstmals öffentlich über eine Klage des Berliner Landesverbandes der Alternative für Deutschland (AfD) gegen den Regierenden Bürgermeister. Die AfD hatte ein sogenanntes Organstreitverfahren angestrengt, weil sie Müller im Zusammenhang mit einem Tweet einen Verstoß gegen die Berliner Verfassung vorwirft.

AfD sieht Chancengleichheit in Politik durch Tweet verletzt

Worum geht es? Am 27. Mai hatten sich rund 5000 AfD-Anhänger in Berlin zu einer Demonstration versammelt. Unter dem Motto „AfD wegbassen“ machten gleichzeitig etwa 25.000 Menschen gegen die Partei mobil. Müller twitterte: „Zehntausende in #Berlin heute auf der Straße, vor dem #Brandenburger Tor und auf dem Wasser. Was für ein eindrucksvolles Signal für Demokratie und #Freiheit, gegen Rassismus und menschenfeindliche Hetze.“

Die AfD sieht mit diesem Tweet ihre verfassungsrechtlich garantierte Chancengleichheit im politischen Wettbewerb verletzt, wie es in der Begründung der Klage heißt. Müller trete in diesem Account als Regierender Bürgermeister auf und nicht als Politiker seiner Partei und sei in dieser Funktion dem Neutralitätsgebot verpflichtet.

Als Amtsinhaber müsse Müller trennen zwischen seinem Einsatz für die Belange seiner Partei und seinem Auftreten als Regierender Bürgermeister und damit als Vertreter aller Berliner. „Stellen Sie sich vor, die AfD stellt einmal den Regierenden Bürgermeister. Dann wollen Sie doch auch, dass er sich neutral verhält“, argumentierte Anwalt Marc Vallendar, der für die AfD auch im Berliner Abgeordnetenhaus sitzt.

Müller habe sich für Demokratie und Freiheit ausgesprochen

Rechtswissenschaftler Christoph Möllers, der den Regierenden Bürgermeister vertritt, forderte den Verfassungsgerichtshof auf, die Klage als unzulässig zu verwerfen. Sein Hauptargument: Eine positive Bewertung einer Demonstration impliziere nicht notwendig die negative Bewertung der auslösenden Demonstration. Der Regierende Bürgermeister habe sich vielmehr für im Grundgesetz verankerte Werte wie Demokratie und Freiheit sowie gegen Rassismus und Menschenfeindlichkeit ausgesprochen. Dem hätte sich die AfD ja inhaltlich anschließen können.

Jürgen Kipp, einer der acht Berliner Verfassungsrichter, machte deutlich, dass die geltende Rechtsprechung Amtsträgern gerade bei Äußerungen zu Demonstrationen auferlege, äußerste Vorsicht walten zu lassen. Insbesondere sei „eine lenkende Wirkung“ unzulässig. Senatssprecherin Claudia Sünder sagte nach der Verhandlung, dass sie sich der möglichen Brisanz des Tweets durchaus bewusst gewesen sei. „Es war nicht unsere Absicht, die AfD zu provozieren.“ Es sei vor allem um die Honorierung des zivilgesellschaftlichen Engagements für die Demokratie gegangen.

Der Verfassungsgerichtshof will sein Urteil am 20. Februar verkünden.

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