Immobilien

Senat verdrängt private Firmen aus seinen Gewerbeimmobilien

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Joachim Fahrun
Das Spree-Forum am Spreeufer gehört jetzt dem Land Berlin. Die Mietverträge der ansässigen Firmen werden nicht verlängert.

Das Spree-Forum am Spreeufer gehört jetzt dem Land Berlin. Die Mietverträge der ansässigen Firmen werden nicht verlängert.

Foto: Maurizio Gambarini

Berlin nutzt sein Vorkaufsrecht für Bürohäuser, um dort Behörden unterzubringen. Damit sticht das Land private Interessenten aus.

Berlin. Das Land Berlin kauft wieder Immobilien in der Stadt an. Zuletzt wurden dabei auch mindestens vier Gewerbeobjekte erworben, um dort gewünschte Branchen anzusiedeln oder um Behörden unterzubringen. Private Unternehmen, die als Kaufinteressenten auftraten oder Mieter sind, hatten dabei das Nachsehen.

So geschieht es derzeit im Spree-Forum Alt-Moabit 59–64. Mieter bekommen jetzt Post vom Verwaltungs-Staatssekretär Frank Nägele. Darin wird ihnen eröffnet, dass die Räume für Behörden benötigt würden und Mietverträge nicht verlängert würden. „Ich würde das als Kündigung lesen“, sagte der Chef eines mittelständischen Unternehmens in dem Objekt der Morgenpost. Wenn er für seine 30 Leute neue Räume suchen muss, würden sich die Mietkosten verdoppeln. Einen Umzug an den Stadtrand machten seine spezialisierten IT-Spezialisten und Ingenieure womöglich nicht mit.

„Das ist eine völlig inakzeptable Wirtschaftspolitik. Unternehmen werden vom Senat verdrängt“, sagte der CDU-Wirtschaftsexperte Christian Gräff. Das Land solle doch eben deshalb Flächen ankaufen, um kleine Betriebe in der Stadt zu halten. Das Spree-Forum, erbaut 1996 nach Plänen des renommierten Architekten Joseph Paul Kleihues wechselte dem Vernehmen nach für 42 Millionen Euro den Besitzer. Das entspricht nach Informationen aus Branchenkreisen der 33-fachen Jahresmiete. Immobilienexperten schätzen diesen Wert als sehr hoch ein.

Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) hatte im vergangenen Sommer sein Vorkaufsrecht für das Gebäude in direkter Wasserlage an der Spree gezogen. In der Branche war zuvor schon im März 2018 ein privater Erwerber vermeldet worden. Der in Berlin bereits aktive Immobilienentwickler Optima-Aegidius aus München hatte das Bürohaus gemeinsam mit dem sogenannten Family Office des oberhessischen Heizungsbauers Vissmann erworben.

Das Familienunternehmen mit weltweit 12.000 Mitarbeitern hat in Berlin unter dem Namen Wattx einen Brutkasten für junge Technologieunternehmen aufgebaut und war für die Entwickler und Kreativen auf der Suche nach einem zentraleren Standort. Bisher sitzt Vissmann, das auch Kühlsysteme für die Industrie herstellt, in Berlin im Ortsteil Rudow ganz im Süden Neuköllns am Teltowkanal, dort gibt es auch ein Info-Center und ein Gästehaus mit einer firmeneigenen Akademie. Die Start-up-Schmiede Wattx ist am Tempelhofer Ufer in Kreuzberg untergekommen.

Die Interventionen des Senats gehen nicht das erste Mal auf Kosten von privaten Unternehmen. Im Winter 2017 zog der Senat das Vorkaufsrecht und erwarb das Gebäude Klosterstraße 71 in Mitte. Dort arbeitet mit dem digitalen Finanzdienstleister Hypoport AG ein aufstrebendes Unternehmen mit rund 300 Mitarbeitern in Berlin, das an der Börse inzwischen mehr als eine Milliarde Euro wert ist.

Ein Umzug wäre für Hypoport schwierig

Hypoport wollte das Objekt selbst erwerben. Als der Senat dazwischenfuhr, beschloss die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft, den Sitz des Unternehmens nach Lübeck zu verlegen. Eine Drohung, die nach wie vor im Raum steht. Das dürfte Berlin eher Gewerbesteuer-Einnahmen als Arbeitsplätze kosten. Inzwischen wurde nach Angaben eines Firmensprechers ein Ausweichquartier am Hauptbahnhof gefunden. Für 2025 hat das Land ein Baugrundstück in Aussicht gestellt. Auch für Hypoport wäre es schwierig, seine umworbenen Fachkräfte zum Umzug nach Schleswig-Holstein oder an den Stadtrand zu überreden.

Auch einen Kreuzberger Gewerbehof am Erkelenzdamm hat die Stadt im vergangenen Jahr übernommen. Dort produzierte die Traditionsfirma Enderlein Kulturbeutel und Schminktaschen. Weil die Räume zu groß geworden waren, wollten die Firmenchefs ihr Erbbaurecht an eine Thüringer Digitalfirma verkaufen. Dann intervenierte das Land, erwarb das Erbbaurecht und stoppte den Einzug der Thüringer. Enderlein bezog kleinere Räume in Tempelhof. Die Digitalfirma sei in einem anderen Bezirk untergekommen, so das Bezirksamt.

Die Kreuzberger Fabriketagen wollte der Senat für produzierendes Gewerbe sichern. Geschehen ist noch nichts. „Das Grundstück ist derzeit frei von Nutzungen“, teilte die Finanzverwaltung auf eine Anfrage der FDP-Abgeordneten Sibylle Meister mit. „Damit zeigt dieser Senat, dass ihm die Weitsicht einer funktionierenden Stadt in allen Facetten fehlt“, sagte Meister: „Keine Schaffung von Arbeitsplätzen, keine Investition in die Zukunft und keine Spur von Marktwirtschaft“, resümierte die FDP-Politikerin.