Berlin . Die Berliner Fluggesellschaft Germania steckt in finanziellen Schwierigkeiten. Was Passagiere jetzt wissen müssen.

Alarmstufe Rot im Cockpit der Berliner Airline Germania: Am Dienstagabend räumte die Fluglinie finanzielle Schwierigkeiten ein. Die Airline prüft nach eigenen Angaben mehrere Finanzierungsoptionen, um einen kurzfristigen Liquiditätsbedarf zu sichern. „Es geht dabei um die zentrale Frage, wie wir als mittelständisches Unternehmen auch weiterhin in einem Marktumfeld schlagkräftig bleiben, das von Flug­gesellschaften mit konzernähnlichen Strukturen geprägt ist“, teilte Germania mit.

Was bedeutet die Schieflage bei Germania für die Passagiere?

Beim Flugbetrieb soll es keine Einschränkungen geben. Alle Germania-Flüge fänden planmäßig statt, hieß es. „Passagiere, die bei Germania einen Flug für die kommenden Monate gebucht haben, können eigentlich nur abwarten“, sagte Eva Klaar, Reiserecht-Beraterin bei der Berliner Verbraucherzentrale. Falls aus der finanziellen Schieflage aber tatsächlich die Insolvenz folgt, droht vielen Germania-Kunden allerdings ein ähnliches Schicksal wie Betroffenen der Air-Berlin-Pleite vor mehr als einem Jahr. Damals waren Hundertausende Passagiere auf gekauften Tickets sitzen geblieben. Verbraucherschützer fordern deswegen seit einiger Zeit, dass Airlines verkaufte Flugscheine gegen Insolvenzen absichern. „Angesichts zahlreicher Insolvenzen ist der nationale und europäische Gesetzgeber in der Pflicht, Vertrauen wiederherzustellen“, forderte Verbraucherschützerin Klaar.

Vergleichsweise gut stehen dagegen Kunden da, die über einen Reiseveranstalter eine Pauschalreise einschließlich Flug als Komplett-Paket gebucht haben. „Kunden von Pauschal-Reiseveranstaltern sind generell bei unvorhersehbaren Ereignissen gut abgesichert, denn der Reiseveranstalter ist in der Pflicht, für einen reibungslosen Reiseablauf zu sorgen“, erklärte ein Sprecher des Deutschen Reiseverbands (DRV).

Wie wahrscheinlich ist es, dass Germania in die Insolvenz rutscht?

Das ist nicht ausgeschlossen. Vermutlich entscheidet sich bereits in den kommenden Tagen, wo die Reise für den Ferienflieger hingeht. Wie die Berliner Morgenpost erfuhr, ist Germania bereits seit mehreren Wochen auf der Suche nach Geld, hat dafür auch bei anderen Airlines nach kurzfristigen Liquiditätshilfen angefragt. Derzeit spricht Germania weiter mit potenziellen Geldgebern. Wie aus Branchenkreisen zu hören ist, muss Germania ein Finanzloch in Höhe von mindestens 20 Millionen Euro stopfen. Luftfahrtexperte Cord Schellenberg geht davon aus, dass sich der finanzielle Engpass angesichts der jüngsten Mitteilung noch verschärfen wird. „Das Vertrauen in Germania ist nicht gewachsen“, sagte Schellenberg der Berliner Morgenpost. Ein Germania-Sprecher erklärte hingegen auf Anfrage, ein Einbruch von Buchungen sei nicht festzustellen.

Wie reagieren die Behörden?

Das zuständige Luftfahrtbundesamt (LBA) erklärte auf Anfrage, sich nicht zu Einzelheiten zu äußern. „Generell überwacht das LBA laufend die finanzielle und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit aller deutschen Luftfahrtunternehmen und nimmt auch laufend eine gründliche Bewertung der Finanzsituation der deutschen Fluggesellschaften vor“, so eine Sprecherin. Laut Luftfahrt-Experte Schellenberg müsse Germania, wie jede andere Fluggesellschaft auch, die Liquidität gegenüber der Behörde für einen Zeitraum von zwölf Monaten nachweisen, um die Flugerlaubnis nicht zu verlieren. Auch Air Berlin drohte nach der Pleite kurzzeitig die Einstellung des Flugbetriebs. Damals sprang allerdings die Bundesregierung mit einem 150 Millionen Euro schweren Hilfskredit ein.

Warum ist Germania überhaupt in Schwierigkeiten?

Nach Angaben der Fluggesellschaft machten dem Unternehmen in den vergangenen Monaten vor allem die gestiegenen Kerosinpreise zu schaffen. Allerdings ist der Preis für das Flugbenzin nach dem Höchststand im Sommer zuletzt wieder gesunken. Germania habe zudem außergewöhnlich viele technische Serviceleistungen bei ihren Flugzeugen in Anspruch nehmen müssen. Ein Sprecher der Airline nannte als Beispiel den Unfall einer Germania-Maschine auf dem Rollfeld des Flughafens in Tel Aviv. Im März 2018 war dort ein Flieger des Berliner Unternehmens mit einer Maschine der israelischen Airline El Al zusammengestoßen. Die Germania-Maschine war danach stark beschädigt und konnte wochenlang nicht eingesetzt werden.

Hinzu kommen laut Germania Kosten und Verzögerungen bei der Aufnahme neuer Flugzeuge in die eigene Flotte. Germania hatte im vergangenen Jahr sieben Flieger übernommen. So wollte die Airline Marktlücken füllen, die durch die Air-Berlin-Pleite entstanden sind. Dafür hatte die Fluggesellschaft auch Hunderte neue Mitarbeiter – Kabinenpersonal und Piloten – eingestellt. Möglicherweise hat die Airline den Aufwand, die Beschäftigten auf die Germania-Prozesse zu schulen, unterschätzt. Mittlerweile arbeiten rund 1110 Mitarbeiter für Germania.

Wollte Germania zu viel?

Die Airline hat die Chancen ergriffen, die sich nach der Pleite von Air Berlin boten, sagte Luftfahrt-Kenner Cord Schellenberg. Den größeren Konkurrenten wie Easyjet oder Lufthansa ist Germania dabei so gut es ging aus dem Weg gegangen. Bis auf die Stationierung zusätzlicher Jets in Tegel konzentrierte sich die Expansion der Berliner vor allem auf kleinere Regionalflughäfen in Deutschland.

Nach 3,2 Millionen beförderten Passagieren im Jahr 2017 wollte die Airline so auf vier Millionen Flugreisende wachsen, hatte Germania-Chef Balke im vergangenen März erklärt. Experte Schellenberg hält die Strategie aber nach wie vor für richtig. „Die Nachfrage war groß. Germania gilt als zuverlässig und sicher“, sagte er. Wegen weniger Passagieren sei der Winter allerdings eine Herausforderung. „Der Winter ist der klassische Zeitraum, in dem Ferienfluggesellschaften ins Grübeln kommen. Das sind die Monate mit den geringsten Einnahmen“, erläutert Schellenberg.

Wie reagiert die Berliner Landespolitik?

In Berlin forderte die FDP-Fraktion den Senat auf, Germania in der Hauptstadt zu halten. „Insbesondere dürfen die Fehler von 2017, als Air Berlin vom Regierenden Bürgermeister vorschnell der Lufthansa angedient wurde, nicht wiederholt werden“, sagte der Abgeordnete Florian Swyter. Die jetzige Lage von Germania zeige, dass Berlin als Luftverkehrsstandort an Bedeutung zu verlieren drohe, so der Politiker weiter.

Gibt es noch Hoffnung für die klamme Fluggesellschaft?

"Unsere Gespräche mit potentiellen Investoren, die uns finanziell unterstützen wollen, verlaufen positiv", zitiert die Touristik-Fachzeitschrift "fvw" am Donnerstag aus einem Schreiben von Germania-Chef Karsten Balke von Mittwochabend an die Mitarbeiter. Ein Germania-Sprecher bestätigte die Inhalte. So habe die Fluggesellschaft erste verbindliche Zusagen, um ihre am Dienstagabend bekannt gewordene Finanzierungslücke zu decken. Die ersten beiden größeren Beträge stünden schon an diesem Donnerstag zur Verfügung.

"Wir sind zuversichtlich, die darüber hinaus noch ausstehenden Mittel in Kürze ebenfalls sichern zu können", schreibt Balke laut "fvw". Das ernsthaft geäußerte Interesse der Investoren stimme die Geschäftsführung optimistisch, dass Germania auch weiterhin als unabhängige Fluggesellschaft bestehen könne. Nähere Angaben zu den Investoren oder zur Summe machte Balke nicht.

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