Das neue Jahr ist erst ein paar Stunden alt, als der Chef der Berliner Senatskanzlei, Christian Gaebler (SPD), ein Neujahrsinterview im Inforadio des RBB dazu nutzt, investorenfeindliche Tendenzen in Teilen der rot-rot-grünen Landesregierung zu kritisieren. Bei den Regierungspartnern Linke und Grüne löst die Koalitionsschelte am Dienstag Verwunderung und Verärgerung aus.
Gaebler – als Senatskanzleichef die rechte Hand des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller (SPD) – hatte in dem 15-minütigen Interview zunächst für ein Miteinander von Investoren und Politik geworben. „Solange wir uns in einer sozialen Marktwirtschaft bewegen, ist es richtig, dass auch mit Privaten gemeinsam Entwicklungen vorangetrieben werden – in Ergänzung dessen, was der Staat selber machen kann, oder auch an Stellen, an denen der Staat nicht so wirken kann, wie es andere tun können.“ Sodann ergänzt Gaebler, einige in der Regierung und den Regierungsparteien müssten „noch begreifen, dass ein Miteinander an der Stelle das Richtige ist und dass in der Demokratie auch das Recht des Einzelnen besteht, mit seinem Eigentum etwas anzufangen – in dem Rahmen, wie es durch Bebauungspläne festgesetzt wird“.
Ein Problem dieser Stadt sei auch, dass immer Feindbilder gesucht würden. Das könnten „böse Heuschrecken, böse Investoren oder auch die böse SPD sein“, sagt er weiter. Es sei zwar richtig, dass Berlin mithilfe des Vorkaufsrechts Wohnungen von Privaten kaufe, um übertriebene Wohnungsspekulation einzudämmen. Denn es gebe durchaus Eigentümer, die die soziale Verpflichtung überhaupt nicht mehr beachten. Gaebler warnt aber auch: Berlin müsse beim Kauf von Wohnungen auf den Preis achten. „Es ist zwar schön zu sagen, wir kaufen die Stadt zurück“, sagt der Chef der Senatskanzlei, „aber mit Augenmaß.“ Denn wenn zu teuer gekauft werde, fehle das Geld an anderer Stelle, wo Menschen genauso von steigenden Mieten bedroht seien.
Linke kontern: „Wir sind spekulantenfeindlich“
Beim Koalitionspartner kommen diese mahnenden Worte gar nicht gut an. „Wir sind nicht investorenfeindlich. Wir sind aber spekulantenfeindlich“, stellt Linke-Landeschefin Katina Schubert gegenüber der Berliner Morgenpost klar. „Wer mit privaten Investitionen mit guter Arbeit zur Weiterentwicklung Berlins zu einer sozialen Stadt beitragen möchte, ist willkommen“, sagt sie. „Wer sich an Verdrängung und dem Ausverkauf der Stadt beteiligt, ist nicht willkommen.“ Und die Fraktionschefin der Linken im Abgeordnetenhaus, Carola Bluhm, ergänzt: „Es ist das erklärte Ziel der Koalition, die Rekommunalisierung voranzutreiben und die gute finanzielle Lage dafür zu nutzen“, so Bluhm. In Betrachtung des Wohnungsmarktes müssten alle Instrumente genutzt werden, damit die Rekommunalisierung voranschreite. „Die Nutzung von Vorkaufsrechten, für die wir im Doppelhaushalt 100 Millionen Euro vorgesehen haben, erweist sich als Erfolgsgeschichte“, sagt sie. 3000 Wohnungen seien auf diesem Wege im vergangenen Jahr wieder in kommunalen Besitz gekommen oder würden zumindest zu Konditionen vermietet, die auch die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften bieten.
„Die Menschen in der Stadt erwarten von Rot-Rot-Grün, dass dieser Weg weiter beschritten wird. Und so haben wir es auch im Koalitionsvertrag vereinbart“, sagt sie weiter.
„Wir müssen Spekulation ... in Berlin bekämpfen“
Ähnlich äußert sich die Fraktionschefin der Grünen, Antje Kapek. Es sei richtig, dass Berlin mehr „Miteinander brauche“, um die Stadt fit für die Zukunft zu machen. Aber: „Wir müssen Spekulation und ‚Monopoly‘-Spiele in Berlin bekämpfen und gleichzeitig mit den gemeinwohlorientierten Privaten kooperieren“, fährt sie fort. „Mehr Miteinander“ beginne aber immer beim eigenen Handeln. „Wer also Kritik an den eigenen Reihen hat, sollte diese im Sinne des Miteinanders zunächst einmal intern ansprechen“, sagt Kapek.
Unterstützung erhält Gaebler von der oppositionellen CDU. „Der Mann hat recht – wer mit einer Linkspartei koaliert, die zunehmend in sozialistische Verhaltensmuster zurückfällt, der darf sich über Investorenfeindlichkeit nicht wundern“, so Stefan Evers, parlamentarischer Geschäftsführer der CDU im Abgeordnetenhaus. Nach zwei Jahren rot-rot-grüner Amtszeit zeige sich „die knallharte Ideologie“, mit der von Linken und Grünen in Berlin Politik betrieben werde. „Den Preis dafür zahlen schon heute alle Berliner, vor allem in Form explodierender Mieten und zunehmender Staatsverschuldung über Schattenhaushalte“, so der Unions-Politiker. Es helfe allerdings wenig, diesen Umstand zu beklagen: „Der Regierende Bürgermeister und seine SPD tragen Führungsverantwortung in der Koalition“, mahnt Evers an.