Berlin. In der Start-up-Szene gilt er als einer der erfolgreichsten Gründer, hat unter anderem die Finanzfirma Kreditech aufgebaut. Zweieinhalb Jahre lebte Sebastian Diemer zuletzt in Berlin, nun aber kehrt er der Hauptstadt den Rücken – jedoch nicht, ohne vorher mit ihr abzurechnen. In einem Facebook-Post, den Diemer bereits am Sonntag veröffentlichte, zählt er auf, was ihm an Berlin alles nicht gefällt, und erntet damit im Netz viel Beifall, aber auch Spott.
Anlässlich seines Umzugs nach Frankfurt am Main schreibt Diemer auf Englisch, dass die Atmosphäre Berlins nicht sein Fall sei. Wörtlich übersetzt heißt es: „Ich bin kein Fan von Hipstern und exzessivem Feminismus.“ Er freue sich darauf in einer Stadt zu leben, in der konservativere Rollenbildern vorherrschten – auf „Männer, die sich wie Männer verhalten und wie Männer aussehen“, auf Leute, die „normale Jobs, normale Beziehungen“ haben und „irgendwie normal aussehen“.
Zudem kritisiert Diemer, dass es in Berlin kaum Natur gebe. Es dauere mehr als eine Stunde, um aus der Stadt zu kommen, wo man dann nicht einmal Berge „oder irgendeine Form von schöner Natur“ vorfinde, die er sehr fürs Motorcrossfahren, Mountainbiken und Wandern wertschätze. Auch die Partyszene könne Diemer nicht leiden: Wer, wie er selbst, kein Kokain oder andere Drogen zu sich nehme, brauche gar nicht erst in die Clubs zu gehen. Ein weiterer Makel Berlins: die öffentliche Verwaltung. „Ungefähr alles, was in Berlin nicht in privater Hand ist, funktioniert nicht“, schreibt Diemer. „Versucht einmal, ein Auto anzumelden oder einen neuen Reisepass zu bekommen – es gibt einen Grund, warum man Berlin einen ,gescheiterten Staat‘ nennt.“
Nicht zuletzt, weil er seinen luxuriösen Lebensstil reichweitenstark in den sozialen Netzwerken inszeniert, gilt Diemer mit nur 31 Jahren als Star unter Deutschlands Gründern. Nach seinem Studium an der London School of Economics arbeitete er bis 2011 für den Berliner Start-up-Aufbauer Rocket Internet, gründete anschließend Kreditech, eine Art Online-Bank, deren Anteile er Berichten zufolge 2017 für mehrere Millionen Euro verkauft haben soll. Zuletzt stand Diemer in der Kritik, die Ideen für seine Start-ups bei anderen Gründern zu klauen.
Unter Diemers Facebook-Post zu seinem Umzug nach Frankfurt, wo er eine Cannabis-Firma gründen will, meldeten sich zahlreiche Menschen zu Wort – hauptsächlich Fans und Freunde, die seine Offenheit lobten. „Mit eine der besten Einschätzungen, die ich seit Langem über Berlin lesen durfte“, schreibt eine Nutzerin; „endlich teilt jemand meine Ansicht von Berlin“, eine andere. Auf Twitter hingegen schrieben auch Leute, die über Diemers Posting die Nase rümpften und lachten. „Ich habe Mitleid mit Herrn Diemer, der mit gerade einmal 31 Jahren ein so stockkonservativer Spießer ist, dass es nicht mehr lustig ist“, schreibt eine Nutzerin. Ein anderer User kommentiert: „Menschen mit einem derart vorsintflutlichen Verhältnis von ,normal‘ brauchen wir hier in Berlin nicht!“