Adventskalender 2018

Zünftige Küche aus dem Regierungsviertel

| Lesedauer: 14 Minuten
Andreas Abel
Benjamin Groenewold und Küchendirektor Marcel Scholtun unter einem der markanten Kronleuchter.

Benjamin Groenewold und Küchendirektor Marcel Scholtun unter einem der markanten Kronleuchter.

Foto: jörg Krauthöfer /Funke MedienGruppe

Für den Kulinarischen Adventskalender bereitet Marcel Scholtun im Restaurant „Zollpackhof“ in Mitte schonend gegarte Gänsekeulen zu.

Mittte. Der „Zollpackhof“ gegenüber dem Bundeskanzleramt ist ein ganz besonderer Ort. Auf dem direkt am Spreeufer gelegenen Grundstück wurden bereits vor mehr als 300 Jahren Gäste bewirtet. Der in Frankreich verfolgte und nach Preußen ausgewanderte Hugenotte Monsieur Menard betrieb dort eine Gastwirtschaft mit Garten, sie gilt als das erste Ausflugslokal Berlins. Als 1871 in unmittelbarer Nähe der Lehrter Bahnhof eröffnet wurde, brauchte die Bahn Platz für einen Packhof und für Zollgebäude. Eines dieser Gebäude wurde später als Casino genutzt und überstand als einziges den zweiten Weltkrieg.

2005 übernahm der Berliner Gastronom Benjamin Groenewold (43) den historischen Komplex. Von 2014 bis 2016 wurde der denkmalgeschützte „Zollpackhof“ in Zusammenarbeit mit der Augustiner Brauerei aus München nach alten Bauplänen im laufenden Betrieb stimmig restauriert.

Neben dem Restaurant gehören noch die angrenzende Remise, die vor allem für private Feste oder Unternehmensfeiern genutzt wird, sowie der Augustiner-Keller mit den original erhaltenen Grundmauern aus dem 19. Jahrhundert zum Ensemble. Und natürlich der Biergarten, der mit seiner mächtigen, über 150 Jahre alten Rosskastanie zu den bekanntesten der Stadt zählt.

Heute ist der „Zollpackhof“ ein traditionelles Wirtshaus mit bayrisch-österreichischer Küche. Für den Kulinarischen Adventskalender der Berliner Morgenpost hat Küchendirektor Marcel Scholtun ein Menü zusammengestellt, das Klassikern eine neue Note verleiht. Als Vorspeise hat er sich für eine Schaumsuppe von Kürbis und Orange mit Laugenknusper entschieden, der Hauptgang ist eine Gänsekeule mit gefüllten Äpfeln, Klößen und Rotkohl. Als Dessert gibt es eine Komposition aus Kürbis-Ingwer-Parfait, Schokoladenbaiser und Armen Rittern.

Das Rezept ist wenig aufwendig

Ein Festessen also, dessen Zubereitung allerdings weniger aufwendig ist, als es auf den ersten Blick scheint, zumal sich vieles vorbereiten lässt. Für die Suppe wählt Scholtun einen Muskatkürbis – weil er gut schmeckt und sich in der Gastronomie gut verarbeiten lässt. „Man kann aber auch jede andere Kürbissorte nehmen“, stellt er klar. Er mariniert die ungeschälten Kürbisscheiben, lässt sie zwei bis drei Stunden durchziehen und röstet sie dann trocken im Ofen (siehe Rezept unten). So lässt sich die Schale ganz leicht abziehen.

Wichtig: Das Abschmecken mit Salz und Pfeffer sollte erst nach dem Pürieren erfolgen, denn durch das Rösten kann sich der Geschmack des Kürbis verändern. Und noch ein Tipp für das Anrichten: Zunächst geschlagene Sahne mit etwa Kürbiskernöl vermischen und in die Suppentasse oder den Teller geben, dann die heiße Suppe daraufgießen. So wird die Kreation schön schaumig.

Die Gänsekeulen gart der Küchendirektor im Ofen bei 85 Grad sieben bis acht Stunden lang. Das kann auch über Nacht geschehen, nichts muss im Ofen gedreht, gewendet oder übergossen werden. „Durch diese Art der Zubereitung wird die Gänsekeule schonend gegart, bleibt ganz zart und saftig“, erklärt er. Weiterer Pluspunkt: Die Keulen lassen sich so auch schon ein paar Tage vor dem Fest zubereiten und werden dann bei Bedarf nur noch kurz erwärmt, bis die Haut knusprig ist. Für die Soße bereitet der Küchendirektor einen weiteren Ansatz mit angeschwitzten Zwiebelwürfeln, gießt schwarzen Johannisbeersaft und etwas Rotwein dazu, lässt alles einkochen und gibt, nach dem Abtrennen des Fettes, den Gänsefonds obendrauf.

Das Dessert lässt sich vorbereiten

Auch die mit Marzipan gefüllten Äpfel lassen sich vorbereiten. Im Kühlschrank halten sie sich mehrere Tage, sollten aber erst vor dem Verzehr im Ofen gegart werden, sonst fallen sie ein und werden unansehnlich. Bei Rotkohl und Klößen lässt der Küchendirektor pragmatische Großzügigkeit walten: Bereits gekochter Rotkohl schmecke, mit Gewürzen verfeinert, auch sehr gut. Gleiches gelte für Klöße aus fertigem Kloßteig.

Bleibt das Dessert. Auch hier gilt: Kürbisparfait und Schokoladen-Baiser können gern mehrere Tage vor dem Essen zubereitet werden. Als Weinbegleitung zur Gans empfiehlt Groenewold einen argentinischen Corte, zum Beispiel den „Puro“ vom Weingut des „Yello“-Musikers Dieter Meier oder einen trockenen Spätburgunder, etwa ein Bischoffinger Vulkanfelsen vom Kaiserstuhl.

Das Restaurant mit 160 Plätzen, den auffälligen Bronze-Kronleuchtern und dem 360-Grad-Rundkamin ist das Herzstück des „Zollpackhofs“. Die Kronleuchter seien in München handgefertigt worden, erklärt Groenewold, „für den Preis bekommt man schon ein ordentliches Auto.“ Die Holzvertäfelung stammt ebenfalls aus Bayern, die Tischlerei besteht bereits in der siebten Generation. Das Restaurant ist gestaltet wie ein typisches bayrisches Wirtshaus, ist allerdings wegen der Fenster an beiden Längsseiten sehr hell.

Am zweiten Adventssonntag kommt der Weihnachtsmann

Knapp 100 Mitarbeiter kümmern sich um die Gäste, davon wirken mehr als 20 in der Küche. Zurzeit werden die Wirtshausklassiker um eine Gans- und Wildkarte ergänzt. Wer dem „Zollpackhof“ noch im Dezember einen Besuch abstatten möchte, sollte unbedingt reservieren. Am zweiten Adventssonntag schaut übrigens der Weihnachtsmann vorbei und beschenkt die Kinder.

Benjamin Groenewold bezeichnet sich als „Freak, was Essen anbelangt“. Der studierte Betriebswirt und Immobilienökonom sammelt und liest Kochbücher, ist aber eher der Theoretiker, lässt lieber andere kochen. Für den „Zollpackhof“ sind ihm gutes Handwerk, Nachhaltigkeit und regionale Produkte, wo immer es geht, wichtig. Groenewold ist gebürtiger Berliner, aufgewachsen – kein Witz – in Grunewald und wohnt heute „mittendrin“, am Checkpoint Charlie.

Er arbeitete nach dem Studium im Ausland, kam vor 25 Jahren zurück nach Berlin und hatte seinen ersten Erfolg als Gastronom mit dem Café Josty im Sony Center. Er ist durchaus stolz darauf, dass er im schon seit 2006 das alljährliche Sommerfest für die Unionsfraktion im Bundestag ausrichten darf. Weil sein Gasthaus quasi zum Regierungsviertel gehört, hat er alle Bundeskanzler malen lassen und die Porträts in der Remise aufgehängt. Angela Merkel hat ihres sogar mit dem Gruß „Auf gute Nachbarschaft“ unterzeichnet.

Am 24. bleibt das Restaurant geschlossen

Weihnachten ist Groenewold wichtig. Für ihn ist das Fest ein Moment der Ruhe, an dem er das Jahr Revue passieren lässt. Er fährt am 22. Dezember nach Bayern, wo ein Teil seiner Familie lebt. Er ist also „ein bisschen Bayer“, wie er sagt, das Bayrische liegt ihm im Blut. Kulinarisch mag er es am Heiligen Abend allerdings eher un-bayrisch: Lachs und Krabben, dazu ein Glas Weißwein, mehr sei nicht nötig.

Sein Küchendirektor freut sich ebenso auf Weihnachten. Am 24. Dezember bleibt der „Zollpackhof“ geschlossen, das eröffnet auch Marcel Scholtun einen Festtag mit der Familie. „Das hatte ich schon seit vielen Jahren nicht mehr“, sagt der 44 Jahre alte gebürtige Berliner. Er ist seit 1. September dieses Jahres Küchendirektor im „Zollpackhof“, zuvor leitete er zwölf Jahre lang die Küche im Hotel Melia an der Friedrichstraße.

Gelernt hat er im Grand Hotel in Mitte, dem heutigen Westin Grand, war anschließend viele Jahre im Ausland. Er wohnt mit seiner Frau und seinen drei Kindern in Hoppegarten. Da die Kinder noch recht klein sind, gibt es bei ihm zu Weihnachten keinen Gänse-, sondern einen Schweinebraten. Aber den immerhin ganz klassisch – mit Klößen und Rotkohl.

Zollpackhof, Elisabeth-Abegg-Straße 1 (Mitte), geöffnet tgl. 10–24 Uhr, am 24. Dezember geschlossen. Reservierungen: bookatable.com, Tel.: 030/33 09 97 20

Die Rezepte für das „Zollpackhof“-Menü

Die Rezepte sind für vier Personen gerechnet

Schaumsuppe von Kürbis und Orange mit Laugenknusper:

0,5 kg Kürbis, 1 Paket Suppengrün, 2 Zwiebeln, 2 Orangen, etwas Honig oder Ahornsirup, 2 Laugenbrezel-Rohlinge, etwas Kürbiskernöl, 0,1 Liter Sahne zum Schlagen.

Muskatkürbis (oder eine andere Kürbissorte) mit Schale in Streifen schneiden (ohne Kerne), marinieren mit Honig, Knoblauch, Orangensaft, Salz und Pfeffer. Dann trocken im Ofen rösten bei 180 Grad für ca. 20–30 Minuten, bis er mürbe ist. Danach wird der Kürbis ausgekratzt bzw. die Schale entfernt. Die Schaumsuppe „klassisch“ ansetzen: helles Mire Poix (Röstgemüse aus Wurzelgemüse-Würfeln) mit Orangen- und Limettenabrieb bereiten, gerösteten Kürbis dazugeben, etwas Orangensaft und Gemüsebrühe angießen, simmern lassen, pürieren und nachschmecken. Für die Laugenknusper Laugenbrezel-Rohlinge auftauen, auseinanderziehen und zu ganz dünnen Laugenstangen drehen, bepinseln und bei 180 Grad drei bis vier Minuten backen.

Knusprige Gänsekeulen mit gefüllten Äpfeln, Preiselbeerrotkohl und Klößen:

4–6 Gänsekeulen, 1 Suppengrün, 2 Zwiebeln, Beifuß (evtl. aus der Dose), 500 Gramm Gänsefett. Für die Äpfel: 6 kleine Äpfel zum Füllen (Boskop oder ähnliche Sorte), 150 Gramm Roh-Marzipanmasse, 50 Gramm Rosinen, etwas Rum, gehackte Nüsse.

Für den Rotkohl: ein kleiner Rotkohl (oder aus dem Glas), 2 Zwiebeln, Gänseschmalz oder Öl für den Ansatz, 150 Gramm Preiselbeergelee, circa 0,2 Liter Apfelsaft, Johannisbeersaft oder Rotwein, je nach Geschmackswunsch.

Für die Klöße: ein Paket Kloßteig, etwa „Fix & Fertig“ (500 Gramm reichen aus).

Gänsekeulen im Backofentopf oder -Einsatz auf geschnittenes Wurzelgemüse (Zwiebel, Sellerie, Möhre) legen, je nach Geschmack etwas Beifuß, Piment, Wacholder oder Pflaumen hinzufügen. Alles mit Gänseschmalz übergießen und dann im Ofen bei 85 Grad über Nacht langsam für sieben bis acht Stunden garen. Gänsekeulen rausnehmen und separat aufbewahren (halten mehrere Tage). Vor dem Essen die Gänsekeulen mit einem Gemisch aus Gänsefett & Honig bestreichen, dann im Ofen erwärmen, bei 180 bis 190 Grad etwa fünf bis sechs Minuten. Sobald die Gänsekeulen knusprig sind, sind sie servierfertig.

Das Kerngehäuse der Äpfel entfernen. Für die Füllung Marzipan in einer kleinen Schüssel mit Rum und etwas Wasser streichfähig mischen, nach Belieben Rosinen oder gehackte Nüsse unterheben. Die Masse in die vorbereiteten Äpfel drücken, am besten mit einer Einwegspitztüte. Die gefüllten Äpfel mit Gänsefett und etwas Zucker bestreuen. Äpfel im Ofen bei 160 Grad für etwa zehn Minuten garen.

Den Rotkohl mit Gänseschmalz, Preiselbeergelee, Zwiebeln und etwas Rotwein oder Saft ansetzen, kochen. Als Gewürze können Kümmel, Wacholder, Orangenabrieb, Lorbeerblatt, Piment, Zimt oder Nelken verwendet werden. Der Rotkohl ist fertig, wenn er nicht mehr bissfest ist. Das dauert etwa eineinhalb bis zwei Stunden.

Bei den Kartoffelklößen, egal ob aus Kloßteig oder selbst gemacht, ist wichtig, das Wasser mit etwas Kartoffelstärke abzubinden. Dies sorgt dafür, dass sich die Klöße nicht im Wasser auflösen. Die abgedrehten Klöße in leicht siedendes Wasser geben. Wenn sie fertig gegart sind, schwimmen sie an der Oberfläche. Dann einfach die Temperatur zurücknehmen und die Klöße im Wasserbad warm halten.

Kürbis-Ingwer-Parfait, Schokoladen-Baiser, Arme Ritter:

Kürbis (kann auch gerne gefrorener Kürbis sein) in etwa walnussgroße Würfel schneiden, in Läuterzucker – das ist Zuckerwasser, bei dem Zucker und Wasser im Verhältnis eins zu eins aufgekocht wird – kochen, mit Ingwer, Safran, Vanille, Zimt und Sternanis würzen, abtropfen und ein Püree herstellen. Das Püree unbedingt gut durchstreichen, damit das Parfait beim Essen eine schöne Konsistenz hat. Für das Parfait eine Grundmasse herstellen.

Das Grundrezept dafür: 8 Eigelbe, 200 Gramm Zucker, ein halber Liter Sahne. Eigelbe und Zucker werden über einem Wasserbad schaumig aufgeschlagen, dabei sollte die Temperatur möglichst 63 Grad betragen. Dann bindet das Eigelb richtig. Die Masse mit dem Kürbispüree vermengen und aromatisieren. In Förmchen oder auf einem Blech (zwei bis drei Zentimeter hoch) einfrieren. Bei Bedarf das Parfait portionieren oder aus den Förmchen stürzen.

Schokoladen-Baiser: Schokoladen-Merengue aus 50 Gramm Eiweiß, 100 Gramm Zucker und einem Teelöffel Kakaopulver herstellen. Das Eiweiß mit der Küchenmaschine aufschlagen, bis es steif geschlagen ist, den Zucker nach und nach einrieseln lassen. Wichtig ist, die Eiweißmasse so lange aufzuschlagen, bis sich der Zucker auch wirklich im Eischnee aufgelöst hat. Zum Schluss den Kakao sachte unter die Eischneemasse heben und die Masse auf ein mit Backpapier ausgelegtes Backblech aufspritzen. Im Backofen bei 60 Grad trocknen lassen, am besten über Nacht. Ein Tipp: Verschlossen in einem luftdichten Behälter halten sich die getrockneten Merengue auch längere Zeit knusprig.

Arme Ritter: Für die süße Royal braucht man 0,25 Liter Sahne, 4 Eigelbe und eventuell Vanillezucker. Jeweils eine dicke Scheibe Weißbrot ohne Rinde in die süße Royal einlegen und dann in der Pfanne kurz von beiden Seiten goldbraun braten. Anschließend je nach Geschmack mit Zucker oder Vanillezucker bestreuen.

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