Nächlicher Einsatz

Bundespolizei geht gegen Waffen in der S-Bahn vor

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Andreas Gandzior
Es war das dritte Wochenende, an dem die Beamten der Bundespolizei Fahrgäste auf Waffen und gefährliche Gegenstände kontrolliert haben

Es war das dritte Wochenende, an dem die Beamten der Bundespolizei Fahrgäste auf Waffen und gefährliche Gegenstände kontrolliert haben

Foto: Sergej Glanze

Bundespolizisten haben in Berlin S-Bahn-Fahrgäste auf Waffen kontrolliert. Je später der Abend, desto mehr Funde machten sie.

Berlin. Jogginghose, Turnschuhe, Kapuzenpullover und unter dem Basecap ein blasses, pickliges Teenagergesicht. Erst schaut der Jugendliche die Bundespolizisten erstaunt mit großen Augen an, dann voller Verzweiflung und schließlich fasst er sich mit beiden Händen an den Kopf und setzt sich auf den Bahnhofsboden. Der 14-Jährige ahnt, was auf ihn zukommt, so richtig begriffen hat er es aber offenbar noch nicht. Waffen werden bei ihm nicht gefunden, aber die Beamten ziehen mehrere Beutelchen mit Cannabis aus seinem Rucksack. Eine Freifahrt in einem Polizeifahrzeug zu seinen Erziehungsberechtigten ist ihm sicher. Zusätzlich zu einer Anzeige.

Waffenkontrollen an den Bahnlinien zu den Partymeilen

Es war das dritte Wochenende, an dem die Beamten der Bundespolizei Fahrgäste auf Waffen und gefährliche Gegenstände kontrollierten. Vorangegangen war eine Allgemeinverfügung, die es Fahrgästen und Bahnhofsbesuchern verbietet, Werkzeuge, die als Waffen dienen können, bei sich zu tragen. Darunter fallen Messer jeglicher Art, Reizgas, Schlaggegenstände und Ähnliches. Das Verbot gilt vom 1. November bis zum 31. Januar 2019 jeweils in den Nächten von Freitag zu Sonnabend und Sonnabend zu Sonntag von 20 bis 6 Uhr früh. Kontrolliert wird zwischen Zoologischem Garten und Lichtenberg in allen S-Bahn-, Regionalbahn- und Fernbahnverbindungen sowie in allen dazwischen liegenden S-Bahn-, Regionalbahn- und Fernbahnhöfen.

„Wir haben einen Handlungsbedarf erkannt und zeigen Präsenz“, sagt Jens Schobranski, Sprecher der Bundespolizei Berlin. „Wir haben bereits nach wenigen Kontrollen einige Dinge wie Messer und Pfefferspray gefunden.“ Diese Gegenstände würden nach Ansicht Schobranskis nicht einfach nur absichtslos mitgeführt, sondern um sie bei einer Auseinandersetzung einzusetzen und andere damit erheblich zu verletzen. „Da wollen wir dazwischengehen.“

Und die Beamten gingen dazwischen. Bestimmt im Auftreten, aber höflich im Ton, sprechen sie überwiegend junge Männer an und bitten zur Kon­trolle. Auf dem Bahnhof Friedrichstraße sprechen sie einen Hundebesitzer an. Erst tasten sie ihn ab, auf einer Bank muss er seinen Tascheninhalt ausbreiten. Fehlanzeige. Anders sieht es am Bahnhof Zoo aus. Bei einer Personenkontrolle sichern die Bundespolizisten bei zwei 17-Jährigen Pfefferspray. „Das Hundeabwehrspray ist nicht verboten, aber im Zeitraum der Kontrollen ist das Mitführen untersagt“, erklärt ein Beamter. Ab Montagmorgen können die Jugendlichen sich die Dosen bei der Bundespolizei wieder abholen. Bei einer dritten Person, einem 20-jährigen Mann, finden die Beamten Cannabis.

„Den Anblick der Uniformen finde ich sehr angenehm und ich fühle mich ein Stück weit sicherer“, sagt eine Touristin aus Bonn. Mit ihrer Freundin ist sie auf dem Weg vom Zoo zurück ins Hotel in Mitte.

Rund 300 Polizistinnen und Polizisten waren in der Nacht unterwegs. „Wir kontrollieren mit Augenmaß“, so Sprecher Schobranski. „Wenn ein Handwerker im Blaumann Schraubendreher und anderes spitzes Werkzeug dabeihat, werden wir ihm das sicher nicht abnehmen.“ Anders sieht es bei zwei Jugendlichen aus. Bei ihnen finden die Beamten zwei Schraubendreher mit scharf gefeilten Spitzen. „Da fällt es uns schwer zu glauben, dass sie die Dinger zum Basteln dabeihaben.“

Je später der Abend, desto mehr Funde

Während es an den meisten Bahnhöfen überschaubar zugeht, sind die Bahnsteige am Bahnhof Warschauer Straße gegen 23 Uhr Straße voll. Immer wieder bitten die Beamten Personen aus den Fußgängerpulks zu Kontrollen. Und je später der Abend, desto mehr Waffenfunde können sie verzeichnen. „Scheiß Bullen“, pöbelt ein Mann. „Erst die Rigaer und jetzt hier der Terror.“

Dabei haben die Beamten den Mann gar nicht kontrolliert. „Das passiert häufig“, sagt ein Bundespolizist. „Daran gewöhnt man sich mit der Zeit.“ An den acht Polizeifahrzeugen auf der Warschauer Brücke herrscht gegen Mitternacht Hochbetrieb. Dorthin müssen sich all die Personen wenden, bei denen Waffen und gefährliche Gegenstände gefunden wurden.

Um kurz nach sechs Uhr früh zieht die Bundespolizei Bilanz: mehr als 860 Personenkontrollen, 22 Verstöße gegen das Mitführverbot und das Waffengesetz. Gefunden wurden Messer, Reizgas, Schlagstöcke. Zusätzlich wurden 40 Straftaten wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz und wegen Körperverletzungsdelikten aufgedeckt und zwei Haftbefehle vollstreckt. Ein Kind, das ausgerissen war, konnte in Gewahrsam genommen werden. „Mit diesen Aktionen versuchen wir, die Spirale der Gewalt zu durchbrechen“, sagt Schobranski. „Die Bilanz ist ein Erfolg.“

Um kurz nach sechs Uhr nimmt eine Zivilstreife der Bundespolizei noch einen Taschendieb fest, entdeckt Pfefferspray und ein Messer. „Das haben wir nicht mehr in der Bilanz aufgenommen“, sagt Schobranski. „Es war ja schon nach sechs.“

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